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Phyllis lehnte sich zurück. Sie nahm die Pralinenschachtel auf den Schoß und stopfte die Süßigkeiten in den Mund, ohne auf den Schmutz zu achten, der an ihnen klebte. Sie vertilgte ohne Unterbrechung eine Praline nach der anderen, als wollte sie ihren Zähnen Gewalt antun. Tränen liefen ihr über die Wangen.

4

»Ich denke, die Hochzeit wird eine ganz vornehme Sache. Mit lauter Adligen und so.« Troy richtete den Blick auf den Horizont, während er redete, und erfaßte voller Neid die Ausmaße von Henry Traces Besitz. Meilen um Meilen Wohlstand und Geld.

»Ohne Zweifel.« Barnaby wandte sich nach links und ging auf die einstöckigen Häuser zu. Troy, der nicht noch einmal so abgefertigt werden wollte, fragte nicht, ob und womit sein Boß die Haus-zu-Haus-Befragung fortsetzen wollte. Aber in diesem Fall setzte Barnaby ihn freiwillig in Kenntnis.

»Dieser Bungalow«, er deutete mit dem Kopf zum Ende der Siedlung, »interessiert mich. Da drin wohnt jemand, der alles scharf im Auge behält. Ich möchte hören, was die Nachbarn zu sagen haben.«

»Ich verstehe, Sir.« Mehr fiel Troy dazu nicht ein, aber es war ihm eine Genugtuung, daß der Chief Inspector ihn zumindest ein wenig ins Vertrauen gezogen hatte.

Im ersten Haus trafen sie niemanden an. Die Bewohner seien, wie die alte Lady von nebenan erklärte, Auswärtige aus London - und mindestens seit einem Monat nicht mehr hier gewesen. Und der Mann im anderen Haus kam jeden Werktag erst um sechs Uhr heim - er war Lehrer in Amersham. Troy notierte sich den Namen für die Abendschicht. Die alte Dame war wortkarg, was ihre eigenen Angelegenheiten betraf - sie gab lediglich an, daß sie am fraglichen Tag nicht ein einziges Mal ihr Haus verlassen habe. Dann nickte sie in Richtung Buchsbaumhecke und deutete mit dem Kinn zum nächsten Grundstück.

»Die sollten sie mal fragen, wo sie am Freitag war. Sie würde ihre Großmutter für einen Appel und ein Ei vergiften.« Man hörte im Nachbarhaus eine Tür zuschlagen.

»Und der Bungalow... ?«

»Über die weiß ich nichts.« Damit machte sie entschlossen die Tür zu.

»Komisch, nicht wahr?« sagte Troy, als sie zur Straße zurückgingen. »Ein winziger Ort wie dieser, und sie weiß nichts über die Leute, die im übernächsten Haus wohnen.«

»Das ist in der Tat merkwürdig«, stimmte Barnaby zu. Sie waren vor dem nächsten Haus angelangt, und Barnaby betätigte den Türklopfer, der wie ein Grimassen schneidender Kobold geformt war - er zog ihn an den Beinen und ließ los.

Eine noch ältere Lady erschien und bot ihnen beinahe dasselbe Spiel wie die erste, der einzige Unterschied war, daß sie ihrer Widersacherin als Blutgeld statt einem »Appel und ein Ei« einen »Penny« unterstellte. Dann legte sie ihre fleckigen, federleichten Knochenfinger auf den Ärmel des Chief Inspectors. »Hören Sie, junger Mann«, sagte sie, und plötzlich schien sie ihm die weitaus nettere der beiden alten Damen zu sein, »wenn Sie wissen wollen, was in dieser Gegend vor sich geht - oder wer was tut«, ein erschreckend boshaftes Kichern kam über ihre verwelkten Lippen, »sollten Sie mit Mrs. Rainbird von nebenan reden. Sie kann Ihnen genau sagen, was in Ihrem Taschentuch ist, wenn Sie sich im Stockfinstern hinter verschlossenen Türen schneuzen. Sie verbringt ihre ganze Zeit mit einem Fernglas im Dachgeschoß. Sie behauptet, sie sei Vogelliebhaberin und würde ihre gefiederten Freunde beobachten. Reine Tarnung.« Sie wiederholte die letzte Bemerkung noch einmal und tippte Barnaby dabei ans Revers. »In meiner Jugend stand man noch am Gartenzaun und hat vor den Augen aller geklatscht. Ich weiß nicht, was aus dieser Welt geworden ist - wirklich nicht.« Dann vertraute sie den Polizisten noch an, daß Mrs. Rainbird einen Sohn habe, der mit Särgen handelte und Bestattungen organisierte. »Er ist ein schmieriger kleiner Kriecher. Die Leute sagen über ihn, er würde seine Unterhosen im Kühlschrank aufbewahren ...Sie wissen schon.«

Sergeant Troy gab ein Schnauben von sich, das er rasch in ein Räuspern umwandelte. Barnaby, der bereits Bekanntschaft mit Rainbird gemacht hatte, konnte nur vermuten, daß die Leute recht hatten. Er bedankte sich bei der alten Lady und trat den Rückzug an.

Dem Bungalow hatte man den Namen Tranquillada verpaßt - Barnaby erinnerte das an eine abgeschwächte Version der spanischen Inquisition. Der Name hing am Hals eines Keramikstorchs, der seine Zeit auf einem Bein neben der Eingangstür verbrachte. Der ziemlich große Garten war äußerst gepflegt und voll mit Ziersträuchern und Rosen. Der silberne Porsche stand in der Auffahrt. Sergeant Troy entschied sich für den Klingelknopf und nicht für den Türklopfer, und ein schrilles Vogelzwitschern ertönte im Inneren des Hauses. Dennis Rainbird öffnete ihnen.

»Oh, hallo.« Er schien erfreut, Barnaby wiederzusehen. »Sie haben einen Freund mitgebracht?« Er schenkte Troy ein strahlendes Lächeln, das an der steinernen Miene des Sergeants abprallte wie ein Ping-Pong-Ball von einer Betonwand. »Kommen Sie herein, kommen Sie ... Mutter«, rief er über die Schulter, »es ist die Polizei.«

»Oh, ich habe sie schon erwartet«, flötete es von weit her.

Der Bungalow war größer, als man von außen vermuten konnte, und Dennis führte sie an etlichen offenstehenden Türen vorbei, ehe sie in den Salon kamen. Eine blitzende Küche, ein Schlafzimmer (ganz in Weiß und Gold gehalten) und ein zweites, hauptsächlich mit rotem Velour und viel Messing eingerichtetes Schlafzimmer.

»Ich bin im Salon, Denny«, trällerte die Stimme, wobei jeder Vokal vibrierte. Als sie den Raum betraten, erhob sich Mrs. Rainbird aus den weichen Daunenpolstern wie aus einem Nest.

Sie war unglaublich dick. Ihre Ausmaße waren wahrlich beeindruckend. Mindestens ein Viertel ihrer Größe schien ihre Frisur auszumachen, die steif und pagodenartig nach oben ragte - eine Landschaft von Türmen und Wellen, Spiralen und Locken, die in einer zur Seite geneigten Spitze endete wie ein Häubchen Softeis. Das kunstvolle Gebilde hatte die Farbe von Karamelbonbons. Mrs. Rainbird war in schrillen Farben geschminkt und trug einen violetten, ziemlich kurzen Kaftan, der massive Beine und winzige Füße freiließ. Der Chief Inspector erwiderte ihren direkten, scharfen Willkommensblick und stellte sich vor.

»Ich wußte, daß Sie auf dem Weg zu mir sind. Ich habe einen Wagen vorbeifahren sehen, als ich einige Schwalben auf den Telefondrähten beobachtete. Das ist ein bezaubernder Anblick - wie Notenzeichen auf den Linien.«

»Ah... vielleicht waren Sie die Person, die ich neulich morgens kurz sah, als ich die Church Lane entlangging? In Ihrem Dachgeschoß, wenn ich mich recht erinnere. Ein sehr günstiges Plätzchen, von dem aus man alles im Auge behalten kann.«

»Wir Ornithologen bevorzugen den Begriff Unterschlupfs Mr. Barnaby.« Sie schnappte kurz nach Luft. Barnaby bat sie um Vergebung, und sie wedelte mit der juwelengeschmückten Hand. »Warum nehmen Sie nicht Platz?« Barnaby versank in einem weichen, mit mehreren Schichten Häkelarbeiten verzierten Sessel.

»Und was ist mit Ihnen, mein Lieber?« Dennis tänzelte um Sergeant Troy herum. »Möchten Sie Ihre Beine nicht ein wenig entlasten?«

Troy, als überzeugter Macho, entschied sich für den härtesten Stuhl, setzte sich stocksteif hin und zog seinen Notizblock hervor. Ein durchdringendes Pfeifen zerriß die Luft.

»Denny? Das Wasser kocht.« Während sich ihr Sohn davonmachte, sagte Mrs. Rainbird zu Barnaby: »Sie können ein wenig Speis und Trank gut vertragen.« Sie erstickte seine Proteste mit einem: »Aber, aber. Sie wollen mir doch nicht weismachen, daß Sie nicht vollkommen erschöpft sind, nachdem Sie all diesen Leuten Fragen gestellt haben, oder? Der Tee ist gleich fertig.«