Wolfgang Hohlbein
Die Rückkehr der
Templerin
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Frühjahr 1179 im Heiligen Land: Um ihr eigenes Leben zu retten, sieht sich Robin noch einmal gezwungen, das Schwert zu ergreifen und für die Sache der Templer zu kämpfen. Während das Heer der Kreuzfahrer in Auflösung begriffen ist, rettet sie Balduin, dem König von Jerusalem, das Leben und wird Zeugin eines heimtückischen Mordanschlags.
ISBN: 3-453-87919-8
Verlag: Heyne
Erscheinungsjahr: 2004
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Buch
Zwei lange Jahre ist Robin das Glück vergönnt, mit ihrem geliebten Salim, dem Sohn des Alten vom Berge, in der Abgeschiedenheit der Assassinen-Festung Masyaf in Frieden zusammenzuleben. Doch als sie den Menschen eines Fischerdorfes gegen Plünderer zur Seite steht, spüren sie Templer unter dem Befehl des grausamen Dariusz auf. Zum Glück hat sie ihr Templergewand übergestreift, sodass sie Dariusz in der Gestalt des Tempelritters Robin von Tronthoff entgegentreten kann. Diese Rolle erfordert es jedoch von ihr, dass sie gemeinsam mit den Templern in den Kampf gegen Saladin zieht, der König Balduin und der gesamten Christenheit den Kampf angesagt hat.
Bei den Templern freundet sich Robin mit dem jungen Rother an, anfangs noch ohne zu ahnen, dass Dariusz ihn auf sie angesetzt hat. Rother, trotz Dariusz’ Anweisung Robin nicht ganz abgeneigt, stürzt in einen Gewissenskonflikt, als er zu begreifen glaubt, dass der Tempelritter Robin von Tronthoff ein Verhältnis mit dem Assassinen Salim hat. Bevor ihn Robin beruhigen kann, ziehen die Templer und ihre Verbündeten unter König Balduins Führung gegen Saladins mächtiges Heer in die Schlacht. Am Rande des Schlachtfelds entdeckt Robin eine dunkle, unter einem Pferd begrabene Gestalt: König Balduin! Sie rettet ihn - und begreift plötzlich, dass es Attentäter aus den eigenen Reihen auf ihn abgesehen haben. Ehe sie sichs versieht, steht sie plötzlich im Mittelpunkt einer todbringenden Intrige.
Autor
WOLFGANG HOHLBEIN, 1953 in Weimar geboren, hat sich mit seinen Romanen aus den verschiedensten Genres - Thriller, Horror, Science-Fiction und historischer Roman - eine große Fangemeinde erobert und ist einer der erfolgreichsten deutschen Autoren überhaupt. Im Heyne Verlag zuletzt erschienen: Der Ring des Sarazenen (2002). Wolfgang Hohlbein lebt mit seiner Familie in der Nähe von Düsseldorf.
1. KAPITEL
Robins Welt war wieder kleiner geworden. Auch wenn sie im Grunde ungleich größer war als das kleine friesische Dorf, in dem sie geboren und aufgewachsen war, ja, selbst größer als die Welt, die ihr Salim, Bruder Abbé und all die anderen gezeigt hatten, die während der zweiten Hälfte ihres Lebens zu ihren Wegbegleitern und Freunden geworden waren, so war sie im Augenblick doch zu einem Kreis von gerade einmal acht Schritten Durchmesser geschrumpft, den man in den Sand gezeichnet hatte. Die Linie, die diesen Kreis markierte, war längst nicht mehr zu sehen, denn der noch vor wenigen Minuten glatte Boden war nun aufgewühlt von ihren Schritten, fehlgegangenen Schwerthieben und Paraden, und wenn sie nicht acht gab oder Jehova, Allah oder wer auch sonst immer im Moment über diesen gottverlassenen Winkel der Erde herrschte, des Spiels überdrüssig wurde, dann würde sich der Sand möglicherweise bald rot von ihrem Blut färben. Hätte sie sich doch niemals auf diesen Kampf eingelassen!
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, täuschte ihr Gegner in diesem Moment einen geraden Schwertstich an, wartete, bis Robin dazu ansetzte, ihn zu parieren, und verwandelte seine Bewegung in einen blitzartigen, halbkreisförmig nach oben geführten Hieb. Robin wich im allerletzten Moment aus, aber die Schneide des Sarazenenschwertes schrammte trotzdem, so präzise und sicher geführt wie die Klinge eines Feldschers und so kraftvoll geschlagen wie der Hammer eines Schmieds, über ihr Kettenhemd, sodass sie den Hieb nicht nur bis in die letzte Faser ihres Körpers spürte, sondern der Stahl tatsächlich Funken aus ihrer Rüstung schlug. Und hätte sie nicht buchstäblich im allerletzten Moment doch noch reagiert und sich nach hinten geworfen, dann hätte sie möglicherweise nicht einmal mehr das fein gewobene Kettenhemd geschützt, das sie unter ihrem einfachen dunkelblauen Gewand trug. Robin kannte Waffen wie die, die ihr Gegner führte, zur Genüge, und sie ahnte, dass sie selbst ein Kettenhemd durchschlagen konnten, wenn der Hieb nur entschlossen genug geführt wurde.
Robin zog sich zurück, wenn auch nicht so weit, wie es nötig gewesen wäre, und nicht einmal so weit, wie sie eigentlich wollte. Trotz allem waren ihr die Regeln in diesem Kampf klar. Wenn sie mit dem Fuß auch nur einen Zoll weit aus dem Kreis heraustrat, hatte sie verloren - und Robin hatte noch nie den Gedanken akzeptiert, einen Kampf zu verlieren. Ganz besonders nicht diesen.
Ohne ihren Gegner, der sie mit der Leichtigkeit einer Gazelle umkreiste, auch nur einen Herzschlag lang aus den Augen zu lassen, versuchte sie aus den Augenwinkeln heraus die Reaktionen der Zuschauer dieses unwürdigen Kampfes zu erkennen. Sie wirkten angespannt; braun gebrannte Gesichter, vom Wind und vom Salz des Meeres gegerbt, von der Härte eines Lebens gezeichnet, das Robin nur zu gut nachempfinden konnte, denn das Schicksal dieser Männer wäre um ein Haar auch das ihre geworden. Sie warteten darauf, dass sie fiel, begriff sie.
Der Gedanke machte sie nicht nur zornig, er verletzte sie auch. Unter dem guten Dutzend Männer war nicht einer, dem sie nicht schon einmal geholfen hätte, dem sie nicht schon einmal ein Stück Brot oder die eine oder andere kleine Münze zugesteckt hätte, mit dessen Kindern sie nicht schon gespielt oder dessen Frau sie nicht beigestanden hätte, wenn es um die Pflege eines kranken Kindes, das Einfangen einer fortgelaufenen Ziege oder den Verlust eines Familienmitglieds ging. Es war ungefähr ein Dutzend Männer, und sie hätte zu jedem einzelnen eine Geschichte erzählen können, die fast ausnahmslos darauf hinausgelaufen wäre, dass er auf die eine oder andere Art in ihrer Schuld stand. Und doch warteten sie jetzt auf ihre Niederlage.
Robin konnte es ihnen noch nicht einmal wirklich verdenken. Es hatte nichts mit ihr - Robin - zu tun. Es hatte mit der Frau zu tun, die nicht nur ein Schwert führte, sondern damit auch noch besser umzugehen vermochte als die allermeisten Männer, die sie je getroffen hatte, und das war etwas, was einfach nicht in die Ordnung ihrer Welt passte.
Was nichts daran änderte, dass Robin sich maßlos über das ärgerte, was sie in den Gesichtern der Zuschauer sah. Sowie dieser Kampf vorüber war, würde sie sich mit dem einen oder anderen von ihnen eingehend unterhalten, und sie war ziemlich sicher, dass ihm das Gespräch nicht gefallen würde.
Vorausgesetzt, sie überlebte den Irrsinn, auf den sie sich eingelassen hatte - was ihr im Moment gar nicht so sicher schien. Ihr Gegner stürmte erneut vor und täuschte zwei, drei blitzartige Hiebe in ihre Richtung an. Keiner davon kam auch nur in Robins Nähe, aber sie reagierte jedes Mal mit einer - viel zu hastigen - Bewegung mit ihrem eigenen Schwert, was sie wertvolle Kraft kostete. Es kam ihr so vor, als habe ihr Gegner ihr Schwert verzaubert, denn es schien jedes Mal schwerer geworden zu sein, wenn sie es für eine Parade oder einen Angriff hob.
»Willst du nicht endlich aufgeben?« Der verschleierte Krieger auf der anderen Seite des in den Sand getrampelten Kreises hatte seine Waffe sinken lassen und stand in fast lässiger Haltung da. Sein Gesicht war fast zur Gänze hinter einem Tuch verborgen, das je nachdem, wie die Sonne darauf fiel, dunkelblau oder in einem matten Schwarz schimmerte, sodass sie wenig mehr als seine Augen erkennen konnte. Aber das war auch nicht nötig. Sie hätte das spöttische Funkeln in seinem Blick selbst dann wahrgenommen, wenn sie ihn nicht direkt angesehen hätte.