Выбрать главу

»Natürlich, Aes Sedai.« Ellisor schwitzte jetzt wirklich. »Ich wollte damit nicht andeuten... Selbstverständlich seid Ihr nicht hilflos, Aes Sedai. Das wollte ich damit nicht sagen.« Er wischte sich krampfhaft über das Gesicht, doch es glänzte immer noch.

Nynaeve öffnet den Mund, sah Egwene an und schien ihre Absicht zu ändern. »Ich gehe und hole meine Sachen«, sagte sie in die Luft zwischen Egwene und Elayne hinein und wandte sich erneut Ellisor zu. »Kapitän, macht Euer Ruderboot fertig.« Er verbeugte sich und hastete davon, bevor sie sich auch nur zur Luke gewandt hatte. Sie war noch nicht unten, da schrie er bereits seine Leute an, sie sollten das Boot absetzen.

»Wenn eine von euch hinauf will, dann will die andere hinunter«, murmelte Elayne. »Wenn das nicht aufhört, kommen wir nie in Tear an.«

»Wir kommen schon nach Tear«, sagte Egwene. »Und schneller, sobald Nynaeve einmal einsieht, daß sie nicht mehr die Dorfseherin ist. Wir sind jetzt alle« — sie sprach das Wort ›Aufgenommene‹ nicht aus; es waren zu viele Männer in der Nähe — »von gleichem Rang.« Elayne seufzte.

Nach kurzer Zeit setzte das Ruderboot sie am Ufer ab, und sie standen mit Wanderstöcken da, ihre Habseligkeiten zu Bündeln verschnürt auf dem Rücken und in Tragetaschen umgehängt. Hügeliges Grasland und vereinzelte Baumgruppen umgaben sie. Ein paar Meilen weiter landeinwärts begann der Wald. Die Ruder des Blauen Kranichs ließen das Wasser aufschäumen, doch sie konnten das Schiff nicht vom Fleck bringen. Egwene wandte sich um und ging südwärts los, ohne noch einen Blick nach hinten zu verschwenden. Und bevor Nynaeve die Führung übernehmen konnte.

Als die anderen sie einholten, sah Elayne sie mißbilligend an. Nynaeve schritt mit starr vorwärts gerichtetem Blick einher. Elayne erzählte Nynaeve, was Egwene über Mat und einen Grauen Mann gesagt hatte, aber die etwas ältere Frau hörte nur schweigend zu und sagte schließlich: »Er wird auf sich selbst aufpassen müssen«, ohne im Schritt innezuhalten. Nach einer Weile gab es die Tochter-Erbin auf, die anderen beiden zum Sprechen zu bringen, und sie gingen alle schweigend weiter.

Baumgruppen am Ufer verbargen bald den Blauen Kranich hinter ihnen. Wassereichen und Weiden wuchsen dort dicht beieinander. Sie mieden die Baumgruppen, denn auch wenn sie nur klein waren, konnte sich drinnen im Schatten ihrer Äste alles mögliche verbergen. Auch ein paar niedrige Büsche wuchsen hier vereinzelt zwischen den Dickichten nahe dem Ufer, doch darin konnte sich nicht einmal ein Kind verstecken, geschweige denn ein Pirat, und die Abstände waren ziemlich groß.

»Falls wir Piraten oder Räuber treffen«, verkündete Egwene, »werde ich mich verteidigen. Hier schaut uns keine Amyrlin über die Schulter.«

Nynaeve preßte die Lippen zusammen. »Falls notwendig«, sagte sie dann der Luft vor ihr, »können wir Räuber auf die gleiche Art verscheuchen wie damals die Weißmäntel. Wenn wir keine andere Möglichkeit haben.«

»Ich wünschte, ihr würdet nicht von Räubern sprechen«, sagte Elayne. »Ich würde gern dieses Dorf erreichen, ohne... «

Hinter einem einzelnen Busch geradewegs vor ihnen erhob sich eine Gestalt in Braun und Grau.

38

Töchter des Speers

Egwene griff nach Saidar, bevor der Schrei ihre Kehle verlassen hatte, und sie bemerkte das gleiche Glühen auch an Elayne. Einen Augenblick lang fragte sie sich, ob Ellisor ihre Schreie gehört hatte und Hilfe ausschicken würde. Der Blaue Kranich befand sich kaum mehr als eine Meile flußaufwärts von ihnen entfernt. Dann war ihr klar, daß sie keine Hilfe benötigten. Sie verwob bereits die Ströme von Luft und Feuer zu einem Blitz. Sie hatte noch immer ihr eigenes Schreien im Ohr.

Nynaeve stand einfach nur da, hatte die Arme unter der Brust verschränkt und einen strengen Gesichtsausdruck aufgesetzt. Egwene wußte nicht, ob das der Fall war, weil sie nicht zornig genug war, um die Wahre Quelle berühren zu können, oder weil sie bereits gesehen hatte, was Egwene nun erst klar wurde: Die Person, die ihnen gegenüberstand, war eine Frau, kaum älter als sie selbst und nur ein wenig größer.

Sie ließ vorsichtshalber Saidar nicht gleich wieder fahren. Männer waren manchmal dumm genug, zu glauben, eine Frau sei harmlos, weil sie eben eine Frau war. Solche Illusionen hatte Egwene nicht. Mit einem Winkel ihres Verstands registrierte sie, daß Elayne nicht mehr von dem Glühen umgeben war. Die Tochter-Erbin hatte wohl immer noch naive Vorstellungen. Sie war ja auch keine Gefangene der Seanchan.

Egwene hielt allerdings auch die meisten Männer nicht für so dumm, zu glauben, die Frau vor ihnen sei ungefährlich, da ihre Hände leer waren und sie keine sichtbare Waffe trug. Blaugrüne Augen und rötliches, kurzgeschnittenes Haar mit nur einem dünnen, langen Pferdeschwanz, der ihr bis auf eine Schulter hing, weiche, hochgeschnürte kniehohe Stiefel, ein enger Mantel und ebenso enge Hosen, und das alles in den Farben der Erde und des Gesteins. Man hatte ihr einst diese Farben und dieses Aussehen beschrieben: Diese Frau war eine Aiel.

Als sie die Frau musterte, fühlte sich Egwene ganz eigenartig zu ihr hingezogen. Das verstand sie selbst nicht. Vielleicht, weil sie wie eine Cousine von Rand wirkt. Aber nicht einmal dieses Gefühl, beinahe verwandt zu sein, konnte ihre Neugier befriedigen. Was beim Licht tun denn Aiel hier? Sie verlassen doch sonst ihre Wüste nicht, jedenfalls nicht seit dem Aiel-Krieg. Ihr ganzes Leben lang hatte sie gehört, wie tödlich die Aiel seien — diese Töchter des Speers nicht weniger als die Mitglieder der männlichen Kriegergemeinschaften —, doch nun fürchtete sie sich überhaupt nicht und ärgerte sich nur darüber, im ersten Moment Angst empfunden zu haben. Wenn Saidar den Strom der Macht durch sie lenkte, dann mußte sie sich vor nichts fürchten. Außer vor einer voll ausgebildeten Schwester, räumte sie sich selbst ein. Aber sicher nicht vor einer anderen Frau, selbst wenn sie eine Aiel ist.

»Ich heiße Aviendha«, sagte die Aiel-Frau, »und komme von der Bitteres-Wasser-Septime der Taardad Aiel.« Ihr Gesichtsausdruck war genauso ausdruckslos und unlesbar wie ihre Stimme. »Ich bin eine Far Dareis Mai, eine Tochter des Speers.« Sie schwieg einen Augenblick lang und musterte sie. »Eure Gesichter sehen zwar nicht so aus, aber wir sahen Eure Ringe. In Euren Landen habt Ihr Frauen, so wie unsere Weisen Frauen zu Hause. Ihr nennt sie Aes Sedai. Seid Ihr Frauen aus der Weißen Burg oder nicht?«

Einen Moment lang wurde Egwene nervös. Wir? Sie sah sich genau um, konnte aber niemand hinter irgendeinem der Büsche im Umkreis von zwanzig Schritt entdecken.

Wenn da noch andere waren, mußten sie wohl im nächstgelegenen Dickicht stecken, mehr als zweihundert Schritt vor ihnen, oder in einem weiteren, das doppelt so weit entfernt lag. Zu weit weg, um eine Bedrohung darzustellen. Wenn sie keine Bögen haben. Aber dann mußten sie auch verdammt gute Schützen sein. Zu Hause, bei den Wettbewerben an Bel Tine und am Sonnentag, trafen nur die allerbesten Schützen auf mehr als zweihundert Schritt Entfernung.

Doch es war ein recht gutes Gefühl, zu wissen, daß sie gegen jeden, der so etwas versuchte, einen Blitz zu schleudern in der Lage war.

»Wir sind Frauen der Weißen Burg«, sagte Nynaeve ruhig. Sie gab sich offensichtlich Mühe, sich zu beherrschen und nicht nach anderen versteckten Aiel zu suchen. Sogar Elayne sah sich unruhig um. »Ob Ihr eine von uns als weise betrachten würdet, ist eine andere Sache«, fuhr Nynaeve fort. »Was wollt Ihr von uns?«

Aviendha lächelte. Egwene bemerkte erst jetzt, daß sie wirklich hübsch war. Das hatte der ernste Gesichtsausdruck vorher verborgen. »Ihr sprecht so wie die Weisen Frauen. Knapp, schnörkellos und ohne Umschweife.« Ihr Lächeln verflog, aber ihre Stimme blieb ruhig. »Eine von uns hat eine schwerwiegende Verletzung. Sie wird vielleicht sterben. Die Weisen Frauen heilen oftmals solche, die sonst sicherlich sterben müßten, und ich habe gehört, daß die Aes Sedai noch mehr fertigbringen. Werdet Ihr helfen?«