Выбрать главу

Nach einer Weile drehte sich Rand zu ihm um und sah ihn an. »Glaubst du, daß es Mat gutgeht? Er wirkte so todkrank, als ich ihn das letzte Mal sah.«

»Es dürfte ihm jetzt gutgehen.« Mittlerweile sollte er in Tar Valon sein. Dort werden sie ihn heilen. Und Nynaeve und Egwene werden dafür sorgen, daß er sich nicht wieder in Schwierigkeiten bringt. Egwene und Nynaeve, Rand und Mat und Perrin — alle fünf aus Emondsfeld im Gebiet der Zwei Flüsse. Nur wenige Menschen von außerhalb waren je zu den Zwei Flüssen gereist, nur gelegentlich Händler und einmal im Jahr die reichen Kaufleute, die Wolle und Tabak einkauften. Fast nie hatte jemand die Zwei Flüsse verlassen und war in die Welt hinausgezogen. Bis das Rad seine Ta'veren erwählt hatte. Dann konnten fünf junge Leute vom Land nicht mehr dort bleiben, wo sie hingehörten, und nicht mehr sein, was sie eigentlich waren.

Rand nickte und schwieg.

»In letzter Zeit«, stellte Perrin fest, »wünsche ich mir immer mehr, einfach wieder ein Schmied sein zu dürfen. Wie ist es bei dir... Würdest du gern wieder Schafe hüten?«

»Pflichten«, murmelte Rand. »Der Tod ist leichter als eine Feder, die Pflicht schwerer als ein Berg. Das sagen sie in Schienar. Der Dunkle König rührt sich. Die Letzte Schlacht kommt bald. Und der Wiedergeborene Drache muß in der Letzten Schlacht dem Dunklen König gegenübertreten, sonst wird der Schatten alles bedecken. Das Rad der Zeit würde sonst zerbrochen. Jedes Zeitalter würde der Dunkle König nach seinem Bilde neu erschaffen. Und ich bin allein.« Er lachte freudlos. Seine Schultern bebten dabei. »Auf mir ruht die Pflicht, denn es gibt sonst keinen, der das alles vollbringen kann, oder?«

Perrin bewegte sich unruhig. Dieses Lachen verursachte bei ihm eine Gänsehaut. »Ich hörte, daß du dich wieder mit Moiraine gestritten hast. Das gleiche Thema?«

Rand atmete tief und rauh ein. »Streiten wir uns nicht immer über das gleiche? Sie sind drunten auf der Ebene von Almoth, und das Licht allein weiß, wo noch. Hunderte. Tausende. Sie haben sich für den Wiedergeborenen Drachen entschieden, weil ich diese Flagge hißte. Weil ich es zuließ, daß man mich Drache nannte. Weil ich keine andere Wahl habe. Und sie sterben. Kämpfen, suchen und beten für den Mann, der sie eigentlich anführen sollte. Und ich sitze den ganzen Winter über in Sicherheit hier oben in den Bergen. Ich... ich schulde ihnen... etwas.«

»Glaubst du, mir paßt das?« Perrin schüttelte verärgert den Kopf.

»Du schluckst, was sie dir auch sagt«, schimpfte Rand. »Du stellst dich bei ihr nie auf die Hinterbeine.«

»Und dir hat die Streiterei ja auch so viel eingebracht. Du hast dich den ganzen Winter mit ihr herumgeärgert und doch bloß hier herumgehockt.«

»Weil sie recht hat.« Rand lachte wieder so eigenartig humorlos. »Licht, seng mich, aber sie hat ja recht. Sie sind alle in kleine Gruppen aufgesplittert und über die ganze Ebene verteilt, von Tarabon bis Arad Doman. Wenn ich zu einer dieser Gruppen stoße, dann hat sie im Nu die Weißmäntel und das Heer der Domani und die Taraboner auf dem Hals wie ein Hund die Flöhe.«

Perrin hätte vor Verwirrung beinahe selbst losgelacht. »Wenn du ihr zustimmst, warum zum Licht noch mal streitest du dich dann ständig mit ihr?«

»Weil ich irgend etwas tun muß. Oder ich... ich... zerplatze wie eine überreife Melone!«

»Was denn tun? Wenn du auf sie hörst... «

Rand gab ihm nicht die Möglichkeit, zu sagen, dann würden sie für immer hier Wurzeln schlagen. »Moiraine sagt dies, Moiraine sagt das!« Er richtete sich ruckartig auf und barg den Kopf in seinen Händen. »Moiraine hat zu allem etwas zu sagen. Moiraine sagt, ich dürfe nicht zu den Männern gehen, die in meinem Namen sterben. Moiraine sagt, ich würde schon wissen, was als nächstes zu tun ist, weil mich das Muster entsprechend beeinflussen werde. Moiraine sagt... Aber sie sagt mir nicht, wie ich es wissen kann! O nein! Das weiß sie nicht.« Er ließ die Hände wieder fallen und wandte sich mit geneigtem Kopf und zusammengekniffenen Augen Perrin zu. »Manchmal fühle ich mich, als ob Moiraine mich drillt wie einen Hengst aus Tear, der seine Lektionen übt. Hast du auch dieses Gefühl?«

Perrin schob die Finger durch sein zerzaustes Haar. »Ich... was immer auch uns hin- und herschiebt, ich weiß, wer der Feind ist, Rand.«

»Ba'alzamon«, sagte Rand leise. Ein uralter Name für den Dunklen König. In der Trolloc-Sprache hieß das: Herz der Dunkelheit. »Und ich muß mich ihm entgegenstellen, Perrin.« Er schloß die Augen und verzog das Gesicht zu einem schmerzerfüllten Lächeln. »Licht, hilf mir! Die halbe Zeit über wünsche ich mir, daß es jetzt geschieht und ich es hinter mich bringen kann, und dann wieder... Wie oft kann ich noch... Licht, es zerreißt mich. Was ist, wenn ich es nicht schaffe... wenn ich... « Der Boden bebte.

»Rand?« sagte Perrin besorgt.

Rand schauderte. Trotz der Kühle stand Schweiß auf seinem Gesicht. Seine Augen waren noch dicht geschlossen. »O Licht, es zieht mich mit solcher Macht an.«

Plötzlich bäumte sich der Boden unter Perrin auf, und durch das Tal erklang das Echo eines erdrückenden Grollens. Es war, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen. Er stürzte — oder war es die Erde, die ihm entgegenkam? Das Tal bebte, als hätte sich aus dem Himmel eine riesige Hand nach unten gestreckt, um es aus dem Land zu reißen. Er klammerte sich am Boden fest, während der wiederum versuchte, ihn wie einen Ball tanzen zu lassen. Vor seinen Augen hüpften Kiesel auf und ab, und Wellen von Staub erhoben sich.

»Rand!« Sein Aufschrei verlor sich in dem Grollen.

Rand stand mit zurückgelegtem Kopf und immer noch geschlossenen Augen da. Er schien das wilde Aufbäumen des Bodens gar nicht zu spüren. Er stand nach einer Richtung geneigt da, dann nach der anderen, hielt aber immer sein Gleichgewicht, auch wenn er noch so hin- und hergeschleudert wurde. Perrin war sich nicht ganz sicher, da er selbst heftig durchgeschüttelt wurde, aber er glaubte, auf Rands Gesicht ein trauriges Lächeln zu entdecken. Die Bäume schwankten herum, der Lederblattbaum zerbrach plötzlich in zwei Teile, und der größere davon krachte keine drei Schritt von Rand entfernt zu Boden. Er bemerkte es genauso wenig wie alles andere.

Perrin rang nach Luft. »Rand! Um der Liebe des Lichts willen, Rand! Hör auf!«

So plötzlich, wie es begonnen hatte, war es zu Ende. Mit einem lauten Krachen brach ein angebrochener Ast von einer verkrüppelten Eiche ab. Perrin stand langsam und hustend auf. Staub hing in der Luft. In den Strahlen der untergehenden Sonne tanzten glitzernde Staubkörner.

Rand blickte nun ins Nichts, doch sein Brustkorb hob und senkte sich, als sei er zehn Meilen weit gerannt. Das war ihm noch nie passiert — noch nicht einmal etwas entfernt Ähnliches.

»Rand«, sagte Perrin vorsichtig, »was...?«

Rand schien immer noch in eine unbestimmte Ferne zu blicken. »Es ist immer da. Ruft mich. Zieht mich. Saidin. Die männliche Hälfte der Wahren Quelle. Manchmal kann ich mich nicht zurückhalten und muß danach greifen.« Er machte eine Bewegung, als pflücke er etwas aus der Luft, und dann betrachtete er seine geballte Faust. »Ich kann das Verderben fühlen, bevor ich es noch berühre. Das Verderben des Dunklen Königs. Es ist wie eine dünne Schicht von Bösartigkeit, die versucht, das Licht darunter zu verbergen. Es dreht mir den Magen um, aber ich habe kein Mittel dagegen. Es gibt keinen Widerstand. Doch manchmal fühle ich danach und greife nur Luft.« Er öffnete seine leere Hand und lachte bitter auf. »Was geschieht, wenn das gerade während der Letzten Schlacht passiert? Wenn ich danach greife und nichts finde?«