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Egwene legte Elayne blitzartig eine Hand über den Mund, um jeden Laut zu dämpfen. Als sie Elayne berührte, ergriff eine Seitenströmung des Machtflusses von Nynaeve auch sie wie einen Strohhalm am Rande eines Mahlstroms. Kälte biß in ihre Knochen, und traf dort auf eine Hitzewelle, die sich nach außen hin ausbreitete, als wolle sie ihr Fleisch verkohlen. Die Welt verschwand im überwältigenden Gefühl des Dahingleitens, Fallens, Fliegens, Herumwirbelns.

Als es schließlich zu Ende war, atmete sie schwer und blickte auf Elayne hinunter, die sie über ihre auf deren Mund gepreßte Hand hinweg ansah. Egwenes Kopfschmerzen waren spurlos verschwunden. Selbst das Kielwasser des von Nynaeve ausgehenden Machtstromes hatte dazu ausgereicht. Das Stimmengemurmel von der anderen Seite der Wand her war nicht lauter als zuvor.

Falls Elayne irgendein Geräusch gemacht hatte, dann hatten Adden und die anderen nichts davon gehört.

Nynaeve kniete mit gesenktem Kopf zitternd neben ihr. »Licht«, stöhnte sie. »Das so anzustellen... war, als ob ich... mir die eigene Haut abziehe. O Licht!« Sie sah Elayne an. »Wie geht es dir, Mädchen?« Egwene zog ihre Hand weg.

»Müde«, murmelte Elayne. »Und hungrig. Wo sind wir? Da waren Männer mit Schleudern... «

Schnell erzählte ihr Egwene, was geschehen war. Lange, bevor sie fertig war, verfinsterte sich Elaynes Miene.

»Und nun«, fügte Nynaeve mit Stahl in der Stimme hinzu, »werden wir diesen Halunken zeigen, was man sich einhandelt, wenn man sich in unser Leben einmischt.« Wieder glühte Saidar um sie herum.

Elayne stand unsicher auf, aber auch sie war von dem Glühen umgeben. Egwene griff beinahe jubelnd nach der Wahren Quelle.

Als sie wieder durch die Ritzen spähten, um erst mal genau zu beobachten, mit wem sie es zu tun hatten, standen drei Myrddraal im Raum.

Ihre stumpfschwarze Kleidung hing unnatürlich bewegungslos an ihnen. So standen sie vor dem Tisch, und jedermann außer Adden hatte sich so weit wie möglich vor ihnen zurückgezogen. Sie standen mit dem Rücken gegen die Wand gedrückt und mit gesenktem Blick da. Auf der anderen Seite des Tisches stellte sich Adden diesem augenlosen Blick, aber der Schweiß zog Furchen durch den Schmutz auf seinem Gesicht.

Der eine Blasse hob einen Ring vom Tisch auf. Egwene sah nun, daß es ein viel schwererer Goldring war als die mit der Großen Schlange. Mit gegen die Ritze in der Wand gepreßtem Gesicht schnappte Nynaeve nach Luft und griff sich oben unter ihr Kleid.

»Drei Aes Sedai«, zischte der Halbmensch, und seine Heiterkeit klang, als ob etwas Abgestorbenes zu Staub zerfiele, »und eine davon trug diesen.« Schwer schlug der Ring auf der Tischfläche auf, als der Myrddraal ihn zurückwarf.

»Das sind diejenigen, die wir suchen.« Die Stimme des anderen Blassen knarrte beinahe. »Ihr werdet reich belohnt werden, Mensch.«

»Wir müssen sie überrumpeln«, sagte Nynaeve leise. »Was für ein Schloß haben wir denn hier?«

Egwene konnte gerade noch das Schloß draußen an der Tür sehen. Es war aus Eisen und hing an einer Kette, die selbst einen Bullen zurückgehalten hätte. »Haltet euch bereit«, sagte sie.

Sie ließ einen haarfeinen Strang der Macht aus dem Element Erde entstehen, wobei sie hoffte, die Halbmenschen könnten eine so geringe Menge der Macht nicht fühlen, und verwob ihn in die Eisenkette — in jedes kleine Teilchen des kalten Metalls.

Einer der Myrddraal hob den Kopf. Ein anderer beugte sich über den Tisch auf Adden zu. »Es juckt mich, Mensch. Seid Ihr sicher, daß sie schlafen?« Adden schluckte schwer und nickte dann.

Der dritte Myrddraal wandte sich der Tür zu, hinter der Egwene und die anderen kauerten.

Die Kette fiel zu Boden, der Myrddraal, der die Tür angestarrt hatte, knurrte, und gleichzeitig öffnete sich die Tür zum Hof, und ein schwarz verschleierter Tod kam aus der Nacht über den Raum.

Schreie erklangen, als die Männer nach ihren Schwertern griffen, um sich gegen die zustechenden Aiel- Speere zu wehren. Die Myrddraal zogen Klingen, noch schwärzer als ihre Kleidung, und auch sie kämpften um ihr Leben. Egwene hatte einmal zugesehen, wie sechs Katzen kämpften, jede gegen alle anderen. Dies hier sah dem ähnlich, nur hundertmal schlimmer. Und doch herrschte nach nur wenigen Sekunden Schweigen. Oder beinahe jedenfalls.

Jeder Mensch, der keinen schwarzen Schleier trug, lag tot, von einem Speer durchbohrt, auf dem Boden. Adden war von einem Speer an die Wand genagelt worden. Auch zwei Aiel lagen regungslos da, mitten in dem Durcheinander von umgestürzten Möbelstücken und Leichen. Die drei Myrddraal standen Rücken an Rücken in der Mitte des Raums, die schwarzen Schwerter in Händen. Einer hielt sich die Seite, als sei er verwundet worden, aber ansonsten ließ er sich nichts anmerken. Ein anderer hatte eine lange Rißwunde im blassen Gesicht. Sie blutete nicht. Um sie herum kreisten die fünf noch am Leben befindlichen Aiel in geduckter Haltung. Von draußen erklangen Schreie und metallisches Klappern, das ihnen sagte, daß dort weitere Aiel in der Nacht kämpften. Doch der Raum war von einem viel leiseren Geräusch erfüllt.

Beim Umkreisen der Blassen trommelten die Aiel mit ihren Speeren gegen ihre kleinen Lederschilde. Bom-bom-BOM-bom... bom-bom-BOM-bom... bom-bom-BOM-bom. Die Myrddraal drehten sich mit ihnen, und in ihren augenlosen Gesichtern stand Unsicherheit, Nervosität, weil der Blick, der sonst alle Menschen vor Angst lähmte, die Aiel gar nicht zu berühren schien.

»Tanz mit mir, Schattenmann«, rief der eine Aiel plötzlich herausfordernd. Es klang nach einem jungen Mann.

»Tanz mit mir, Augenloser.« Das war eine Frau. »Tanz mit mir.« »Tanz mit mir.«

»Ich glaube«, sagte Nynaeve und richtete sich auf, »jetzt ist es Zeit für uns.« Sie stieß die Tür auf, und die drei in das Glühen Saidars gehüllten Frauen traten in den Raum.

Es schien, als hörten in diesem Augenblick die Aiel für die Myrddraal genauso zu existieren auf wie die Myrddraal für die Aiel. Die Aiel starrten Egwene und die anderen über ihre Schleier hinweg an, als trauten sie ihren Augen nicht. Sie hörte, wie eine der Frauen laut nach Luft schnappte. Der augenlose Blick der Myrddraal hatte sich geändert. Egwene konnte beinahe das Wissen um ihren bevorstehenden Tod im Blick der Halbmenschen fühlen. Die Halbmenschen wußten sofort, mit wem sie es zu tun hatten, wenn sie Frauen gegenüberstanden, die die Macht lenkten. Sie war auch sicher, bei ihnen wahrzunehmen, daß sie ihren — Egwenes und der anderen — Tod herbeisehnten, falls sie das mit ihrem Opfer erreichen könnten. Noch stärker schien allerdings der Wunsch, ihr die Seele aus dem Leib zu reißen und zu einem Spielzeug des Schattens zu machen, ein Wunsch...

Sie war gerade erst in den Raum getreten, und doch schien es, als hätte sie diesem Blick stundenlang gegenübergestanden. »Ich habe genug davon«, grollte sie und ließ einen Feuerstrom los.

Flammen schlugen aus allen drei Myrddraal, züngelten in alle Richtungen, und sie schrien wie zersplitterte Knochen in einer Knochenmühle. Doch sie hatte vergessen, daß sie nicht allein war, daß Elayne und Nynaeve bei ihr waren. In dem Moment, als die Flammen die Halbmenschen verschlangen, schien die Luft sich um sie herum zu verdichten und preßte sie zu einem Feuerball zusammen. Feuer und Schwärze wurden immer dichter und schrumpften. Ihre Schreie ließen Egwene bis ins Mark erzittern. Dann schoß etwas aus Nynaeves Händen — ein dünner, weißer Lichtstrahl, gegen den die Mittagssonne blaß erschien, und verband ihre Hände mit den Myrddraal. Und sie hörten auf, zu existieren, als habe es sie nie gegeben. Nynaeve fuhr selbst überrascht zusammen, und das Glühen um sie verflog.

»Was... was war das?« fragte Elayne.

Nynaeve schüttelte den Kopf. Sie wirkte genauso erschlagen wie Elayne. »Ich weiß nicht. Ich... ich war so zornig und hatte gleichzeitig solche Angst, was sie tun wollten... Ich weiß nicht, was es war.«