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Die Frau zog schließlich ein Ende eines Brotlaibs heraus, an dem sie dann herumkaute, als sei es ziemlich hart und sie ziemlich hungrig.

»Ist noch etwas von dem Käse übrig?« flüsterte Mat. Thom schüttelte den Kopf. Die Frau hob die Nase und schnupperte. Mat wurde klar, daß sie möglicherweise den Tabaksrauch aus Thoms Pfeife roch. Er wollte schon aufstehen und ihre Gegenwart preisgeben, als sich ein Torflügel des Stalls erneut öffnete.

Die Frau duckte sich, bereit wegzulaufen, als vier Männer aus dem Regen hereinkamen. Sie legten ihre nassen Umhänge beiseite. Drunter trugen sie helle Jacken mit weiten Ärmeln und Stickereien auf der Brust; dazu Pumphosen, die ebenfalls bis zum Knie herab bestickt waren. Ihre Kleidung war vielleicht vornehm, aber es waren alles große Männer mit grimmigen Gesichtern.

»Tja, Aludra«, sagte ein Mann in gelbem Mantel, »du bist nicht so schnell vorwärtsgekommen, wie du glaubtest, eh?« Er hatte einen Akzent, der Mats Ohren unbekannt war.

»Tammuz«, sagte die Frau in einem Tonfall, als fluche sie. »Reicht es noch nicht, daß du mich durch deine Fehler aus der Gilde ausschließen läßt, du großes Ochsenhirn? Nein, jetzt mußt du mich auch noch verfolgen!« Sie sprach mit dem gleichen Akzent wie der Mann. »Glaubst du, ich sei nun glücklich, dich zu sehen?«

Der, den sie Tammuz genannt hatte, lachte. »Du bist schon eine große Närrin, Aludra, aber das wußte ich ja schon immer. Wärst du einfach nur abgehauen, dann könntest du noch lange an irgendeinem beliebigen, ruhigen Ort leben. Aber die Geheimnisse in deinem Kopf konntest du nicht vergessen, oder? Hast du geglaubt, wir würden nicht davon hören, wenn du deinen Lebensunterhalt damit verdienst, was nur der Gilde rechtmäßig zusteht?« Plötzlich hatte er ein Messer in der Hand. »Es wird mir ein Vergnügen sein, dir die Kehle durchzuschneiden, Aludra.«

Mat wurde nicht einmal bewußt, daß er aufgestanden war, bis er eines der von der Decke herunterbaumelnden Seile in Händen hielt und daran vom Heuboden herunterglitt. Seng mich, ich bin doch ein verdammter Narr!

Es blieb ihm nur Zeit für diesen einen verzweifelten Gedanken, und dann schwang er sich mitten zwischen den Männern hindurch. Sie fielen zur Seite wie die Kegel auf der Kegelbahn. Das Seil rutschte ihm durch die Hände, und er stürzte, taumelte über den strohbedeckten Boden, wobei ihm Münzen aus den Taschen fielen, und konnte sich gerade noch an der Wand abstützen. Als er wieder auf den Beinen war, erhoben sich auch die vier Männer schon wieder. Und jetzt hatten alle Messer in den Händen. Lichtblinder Narr! Seng mich! Seng mich!

»Mat!«

Er blickte hoch, und Thom warf ihm seinen Bauernspieß herunter. Er schnappte ihn sich aus der Luft — gerade rechtzeitig, um Tammuz das Messer aus der Hand zu schlagen und ihm einen harten Schlag gegen die Schläfe zu versetzen. Der Mann sackte zusammen, aber die anderen drei kamen gleich hinterher. Ein paar hektische Augenblicke über konnte Mat nur noch mit wirbelndem Stock die Messer davon abhalten, sich in ihn zu bohren. Er hieb ihnen auf Knie und Knöchel und in die Rippen, bis er einem dann einen gezielten Schlag auf den Kopf versetzen konnte. Als so schließlich der letzte Mann fiel, blickte er sie einen Moment lang an und sah dann böse der Frau in die Augen. »Mußtet Ihr euch ausgerechnet diesen Stall aussuchen, um Euch umbringen zu lassen?«

Sie steckte einen Dolch mit schmaler Klinge zurück in eine Scheide an ihrem Gürtel. »Ich hätte Euch ja geholfen, aber ich fürchtete, Ihr würdet mich mit einem dieser großen Hohlköpfe verwechseln, falls ich mich Euch mit einer Klinge in der Hand näherte. Und ich wählte diesen Stall, weil der Regen naß ist und ich auch und niemand diesen Ort bewachte.«

Sie war älter, als er geglaubt hatte, mindestens zehn oder fünfzehn Jahre älter als er, aber immer noch hübsch, mit großen, dunklen Augen und einem kleinen Schmollmund mit vollen Lippen. Gerade richtig zum Küssen. Er lachte ein wenig und stützte sich auf seinen Stock. »Na ja, was vorbei ist, ist vorbei. Ich denke, Ihr wolltet uns ja nicht gerade in Schwierigkeiten bringen.«

Thom kletterte vom Heuboden herab, ein wenig ungeschickt seines Beines wegen, und Aludra musterte beide. Der Gaukler hatte seinen Umhang wieder angelegt. Er ließ sich ohnehin nur selten ohne ihn sehen, besonders beim ersten Kennenlernen. »Das ist ja eine schöne Geschichte«, stellte sie fest. »Ich werde von einem Gaukler und einem jungen Helden vor diesen« — sie deutete mit dem Kopf in Richtung der am Boden liegenden Männer — »Hundesöhnen gerettet!«

»Warum wollten sie Euch töten?« fragte Mat. »Er sagte etwas von Geheimnissen.«

»Die Geheimnisse«, sagte Thom beinahe mit seiner Bühnenstimme, »wie man Feuerwerk macht, wenn ich mich nicht irre. Ihr seid eine der Feuerwerker, nicht wahr?« Er verbeugte sich höflich mit wehendem Umhang. »Ich heiße Thom Merrilin und bin Gaukler, wie Ihr festgestellt habt.« Im nachhinein fügte er noch hinzu: »Und das ist Mat, ein junger Mann mit einem Talent dafür, sich in Schwierigkeiten zu bringen.«

»Ich gehörte zu den Feuerwerkern«, sagte Aludra steif, »aber dieses große Schwein von Tammuz hier ruinierte eine Vorführung für den König von Cairhien und zerstörte dabei beinahe noch das Gildehaus! Aber ich war die Herrin des Gildehauses, und so machte mich die Gilde dafür verantwortlich.« Ihre Stimme klang verteidigend. »Ich gebe die Geheimnisse der Gilde nicht weiter, gleich, was Tammuz behaupten mag, aber ich will auch nicht gerade verhungern, wenn ich statt dessen Feuerwerkskörper anfertigen kann. Ich bin kein Mitglied der Gilde mehr, also gelten die Regeln der Gilde auch nicht mehr für mich.«

»Galldrian«, sagte Thom mit fast ebenso hölzernem Tonfall wie sie zuvor. »Na ja, er ist jetzt ein toter König und wird kein Feuerwerk mehr sehen.«

»Die Gilde«, sagte sie müde, »macht mich auch fast noch verantwortlich für den Bürgerkrieg in Cairhien, als sei diese eine Katastrophennacht an Galldrians Tod schuld.« Thom verzog das Gesicht. »Es scheint, daß ich nicht mehr hierbleiben kann«, fuhr sie fort. »Tammuz und diese anderen Ochsen werden bald aufwachen. Vielleicht erzählen sie diesmal den Soldaten, ich hätte gestohlen, was ich selbst anfertigte.« Sie beäugte erst Thom und dann Mat, runzelte nachdenklich die Stirn und schien schließlich einen Entschluß gefaßt zu haben. »Ich muß Euch belohnen, aber ich habe kein Geld. Ich besitze jedoch etwas, das genauso wertvoll wie Gold sein mag. Vielleicht wertvoller. Wir werden ja sehen, was Ihr davon haltet.«

Mat tauschte einen Blick mit Thom, während sie erneut unter der Plane ihres Wagens kramte. Ich helfe jedem, der dafür zahlen kann. Er glaubte, auch bei Thom eine gewisse Berechnung im Blick aus seinen blauen Augen erkannt zu haben.

Aludra nahm ein Bündel von mehreren gleichartigen weg — eine kurze Rolle schweren Ölzeugs, die sie kaum mit ihren beiden Armen umfassen konnte. Sie legte sie auf das Stroh, band die Schnüre auf und rollte den Stoff auf dem Boden aus. Vier Reihen von Taschen zogen sich auf der Innenseite entlang. Die Taschen wurden von einer Seite zur anderen hin immer größer. In jeder steckte ein mit Wachs überzogener Papierzylinder, der jeweils am Ende ein wenig überstand. Darin steckte bei jedem ein Stück dunkler Schnur.

»Feuerwerkskörper«, sagte Thom. »Ich wußte es doch. Aludra, das dürft Ihr nicht machen. Ihr könnt das verkaufen und von dem Erlös zehn Tage oder länger in einer guten Schenke wohnen und jeden Tag gut essen. Jedenfalls überall, nur nicht hier in Aringill.«

Sie kniete neben der langen Bahn aus Ölzeug und schniefte. »Seid ruhig, Alter.« Es klang bei ihr nicht unfreundlich. »Ihr erlaubt mir nicht, meine Dankbarkeit zu zeigen? Glaubt Ihr, ich würde Euch das hier geben, wenn ich sonst nichts mehr zu verkaufen hätte? Seht genau her.«