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Vielleicht war Illian groß genug, daß sich die Wölfe von dort fernhielten. Sie würden in diesen Sümpfen bestimmt nicht jagen. Die Schneegans war den Wölfen davongefahren, die ihm von den Bergen her gefolgt waren. Jetzt fühlte er mit seinem Geist vorsichtig nach ihnen, fand aber nichts. Ein seltsam leeres Gefühl war das, obwohl er es ja so gewollt hatte. Seine Träume hatte er seit jener ersten Nacht mit niemandem mehr teilen müssen. Moiraine hatte ihn mit kalter Stimme danach gefragt, und er hatte ihr die Wahrheit gesagt. Zweimal noch hatte er sich in einem dieser eigenartigen Wolfsträume befunden, und beide Male war Springer erschienen und hatte ihn wieder verjagt, ihm gesagt, er sei noch zu jung, zu neu. Er hatte keine Ahnung, was Moiraine davon hielt. Sie sagte nichts, nur, daß er aufpassen müsse und vorsichtig sein.

»Das kommt mir durchaus entgegen«, grollte er. Er gewöhnte sich schon daran, daß Springer tot und doch nicht tot war, zumindest in den Wolfsträumen. Hinter sich hörte er die Stiefel Kapitän Adarras über das Deck schlurfen. Der Kapitän murmelte irgend etwas. Wahrscheinlich hatten ihn die laut ausgesprochenen Worte Perrins aufgescheucht.

Haltetaue wurden vom Schiff aus auf den Kai geworfen. Während sie noch an den Steinpfosten festgezurrt wurden, entwickelte der Kapitän nun mit einem Mal fieberhafte Aktivität. Er flüsterte energisch mit seinen Besatzungsmitgliedern. Er ließ Ladebäume ausschwenken, um so schnell wie möglich die Pferde an Land zu hieven. Die Planke lag auch schon für die Landgänger bereit. Lans schwarzes Streitroß schlug aus und hätte beinahe den Ladebaum gebrochen, an dem es hing. Für Loials riesiges, zottiges Reittier brauchte man zwei Ladebäume.

»Eine Ehre«, flüsterte Adarra Moiraine mit einer Verbeugung zu, als sie auf die breite Laufplanke trat, die zum Kai führte. »Eine Ehre, Euch gedient zu haben, Aes Sedai.« Sie schritt hinunter, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Ihr Gesicht war unter der Kapuze verborgen.

Loial erschien erst, als alle anderen und die Pferde bereits an Land waren. Der Ogier stampfte über die Laufplanke und versuchte, sich die lange Jacke anzuziehen, während er gleichzeitig seine großen Satteltaschen und die gestreifte Deckenrolle schleppte. Den Umhang hatte er sich über einen Arm gelegt. »Ich wußte nicht, daß wir angekommen waren«, grollte er atemlos. »Ich habe meine...« Nach einem Blick auf Moiraine sprach er nicht weiter. Sie schien konzentriert Lan zu beobachten, wie er Aldieb sattelte, doch die Ohren des Ogiers zuckten wie bei einer nervösen Katze.

Seine Notizen, dachte Perrin. Eines Tages muß ich nachlesen, was er über all dies zu sagen hat. Etwas kitzelte ihn im Nacken und er fuhr gewaltig zusammen, bis er den sauberen Pflanzenduft erkannte, der durch die Gewürze, den Teergeruch und den üblichen Gestank eines Hafens drang.

Zarine winkte mit ihrem Finger und lächelte. »Wenn ich das mit einer leichten Berührung meiner Finger fertigbringe, Bauernjunge, dann frage ich mich, wie hoch du erst springen würdest, wenn ich...?«

Er hatte allmählich beinahe genug von den berechnenden Blicken aus diesen dunklen, schräg stehenden Augen. Sie mag ja hübsch sein, aber sie sieht mich an wie ein Werkzeug, das ich noch nie zuvor gesehen habe, als versuche sie, herauszufinden, wie es hergestellt wurde und wozu man es wohl benützt.

»Zarine.« Moiraines Stimme klang kühl und beherrscht.

»Man nennt mich Faile«, sagte Zarine energisch, und einen Augenblick lang wirkte sie mit ihrer auffallenden Nase wirklich wie ein Falke.

»Zarine«, sagte Moiraine entschlossen, »es ist Zeit, daß sich unsere Wege trennen. Ihr werdet anderswo bessere und weniger gefährliche Jagd finden.«

»Ich glaube nicht«, sagte Zarine genauso eindeutig. »Eine Jägerin muß der Spur folgen, die sie erkennt, und kein Jäger würde die Spur außer acht lassen, die Ihr hinterlaßt. Und ich heiße Faile.« Sie verdarb den Effekt ein wenig, als sie tapfer schluckte, aber sie zuckte mit keiner Wimper unter Moiraines Blick.

»Seid Ihr sicher?« fragte Moiraine leise. »Seid Ihr sicher, daß Ihr eure Meinung nicht ändern werdet, Falke?«

»Das werde ich nicht. Ihr oder Euer Behüter mit dem steinernen Gesicht könnt nichts tun, was mich davon abhält.« Zarine zögerte und fügte dann bedächtig hinzu, als habe sie sich gerade zu vollkommener Ehrlichkeit entschlossen: »Zumindest werdet Ihr nichts tun, um mich davon abzuhalten. Ich weiß ein bißchen über die Aes Sedai Bescheid, und allen Geschichten zum Trotz gibt es Dinge, die Ihr nicht tut. Und ich glaube nicht, daß Steingesicht tun würde, was er müßte, um mich zum Aufgeben zu zwingen.«

»Seid Ihr da sicher genug, um es zu riskieren?« Lan sprach leise, und sein Gesichtsausdruck änderte sich nicht, aber Zarine mußte wieder schlucken.

»Es ist nicht nötig, ihr zu drohen, Lan«, sagte Perrin. Er war überrascht, sich dabei zu ertappen, wie er den Behüter zornig anblickte.

Moiraines Blick brachte ihn genau wie den Behüter zum Schweigen. »Ihr glaubt, Ihr wißt, was eine Aes Sedai macht und was nicht, ja?« sagte sie noch leiser als zuvor. Ihr Lächeln war alles andere als angenehm. »Falls Ihr mit uns gehen müßt, werdet Ihr folgendes tun.« Lan zwinkerte überrascht und die beiden Frauen starrten sich an wie Maus und Falke, nur daß Zarine diesmal nicht der Falke war. »Ihr werdet bei Eurem Jägereid schwören, daß Ihr tut, was ich sage, daß Ihr auf mich hört und uns nicht verlaßt. Sobald Ihr mehr von unseren Aufgaben wißt, als Ihr solltet, lasse ich Euch nicht in die falschen Hände fallen. Und das ist die Wahrheit, Mädchen. Ihr werdet schwören, als eine von uns zu handeln und nichts zu tun, was unsere Aufgabe gefährdet. Ihr werdet nicht in Frage stellen, wohin wir gehen und warum. Ihr werdet Euch mit dem zufriedengeben, was ich Euch sage. Ihr werdet all dies schwören oder hier in Illian bleiben. Und diesen Sumpf werdet Ihr nicht mehr verlassen, bis ich zurückkehre, um Euch zu entlassen, und wenn es den Rest Eures Lebens über dauert. Das schwöre ich.«

Zarine wandte nervös den Kopf ab und beobachtete Moiraine aus den Augenwinkeln. »Wenn ich das schwöre, darf ich Euch begleiten?« Die Aes Sedai nickte. »Ich werde einer von Euch sein wie Loial oder Steingesicht. Aber ich darf keine Fragen stellen. Dürfen sie denn Fragen stellen?« Moiraine verlor ein wenig von ihrer Geduld. Zarine richtete sich höher auf und hielt den Kopf hoch. »Also gut. Ich schwöre es beim Eid, den ich als Jägerin leistete. Wenn ich einen breche, habe ich beide gebrochen. Ich schwöre!«

»Gemacht«, sagte Moiraine und berührte die Stirn der jüngeren Frau. Zarine schauderte. »Da Ihr sie zu uns gebracht habt, Perrin, seid Ihr nun für sie verantwortlich.«

»Ich?« jaulte er auf.

»Für mich ist niemand verantwortlich außer mir selbst!« schrie Zarine fast.

Die Aes Sedai fuhr ernst fort, als habe keiner von ihnen auch nur den Mund geöffnet: »Es scheint, Ihr habt Mins Falken gefunden, Ta'veren. Ich habe mich bemüht, sie zu entmutigen, aber mir scheint, sie will sich auf Eurer Schulter niederlassen, gleich, was ich tue. Das Muster webt eine Zukunft für Euch, scheint mir. Aber denkt auch an folgendes: Wenn ich muß, schneide ich Euren Faden aus dem Muster heraus. Und falls das Mädchen das gefährdet, was sein muß, werdet Ihr ihr Schicksal teilen.«

»Ich habe sie nicht darum gebeten, mitzukommen«, protestierte Perrin. Moiraine stieg gelassen auf Aldieb und zog ihren Umhang über den Sattel der weißen Stute zurecht. »Ich habe sie nicht gebeten!« Loial zuckte die Achseln und formte lautlos mit den Lippen ein Wort. Zweifellos hatte es mit der Gefahr zu tun, eine Aes Sedai zu ärgern.