Выбрать главу

»Du bist ein Ta'veren?« fragte Zarine ungläubig. Ihr Blick glitt über seine feste Bauernkleidung und blieb an seinen gelben Augen hängen. »Na ja, vielleicht. Was du auch sein magst, jedenfalls droht sie dir genau wie mir. Wer ist Min? Was meint sie damit: Ich wolle mich auf deiner Schulter niederlassen?« Ihr Gesicht spannte sich an. »Wenn du versuchst, wirklich für mich die Verantwortung zu übernehmen, schneide ich dir die Ohren ab. Verstehst du?«

Er verzog das Gesicht, steckte seinen entspannten Bogen unter den Sattelgurt an Trabers Flanke und kletterte in den Sattel. Von den Tagen an Bord des Schiffes nervös gemacht, tänzelte der Braune, bis Perrin ihn mit festem Zügelgriff und beruhigendem Tätscheln auf den Hals zur Ruhe brachte.

»Das verdient gar nicht erst eine Antwort«, grollte er. Min hat es ihr natürlich erzählt, das Klatschweib! Seng dich, Min! Seng dich auch, Moiraine! Und Zarine! Er konnte sich nicht daran erinnern, daß Rand oder Mat jemals so von allen Seiten von Frauen herumgeschubst worden waren. Er selbst auch nicht, bevor er Emondsfeld verlassen hatte. Nynaeve war die einzige gewesen, die das fertigbrachte. Und Frau Luhhan natürlich. Sie beherrschte sowohl ihn wie auch Meister Luhhan überall, nur nicht in der Schmiede. Egwene hatte ähnliche Fähigkeiten entwickelt, aber natürlich meistens in bezug auf Rand. Frau al'Vere, Egwenes Mutter, hatte immer gelächelt, aber am Ende wurde gewöhnlich alles doch so gemacht, wie sie es wünschte. Und immer hatten die Frauen die Fäden in der Hand behalten.

Er knurrte etwas in sich hinein, faßte dann nach unten und packte Zarine am Arm. Sie quiekte vor Schreck und hätte beinahe ihr Bündel fallen lassen, als er sie hinter sich in den Sattel hob. Dieser Hosenrock, den sie trug, machte es ihr leicht, auf Traber zu sitzen. »Moiraine wird dir ein Pferd kaufen müssen«, murmelte er. »Du kannst ja nicht den ganzen Weg laufen.«

»Du bist stark, Schmied«, sagte Zarine und rieb sich den Arm. »Aber ich bin kein Stück Eisen.« Sie rutschte herum und stopfte schließlich ihr Bündel und ihren Umhang zwischen sich und Perrin. »Wenn nötig, kann ich mein eigenes Pferd kaufen. Den ganzen Weg wohin?«

Lan ritt bereits vom Kai herunter in die Stadt hinein, und Moiraine und Loial befanden sich dicht hinter ihm. Der Ogier blickte sich nach Perrin um.

»Keine Fragen, denk daran! Und ich heiße Perrin, Zarine. Nicht ›großer Mann‹ oder ›Schmied‹ oder irgend etwas anderes. Perrin. Perrin Aybara.«

»Und ich heiße Faile, Krauskopf!«

Mit etwas, das einem Fauchen nahekam, ließ er Traber die Stiefel spüren und den anderen hinterher galoppieren. Zarine mußte die Arme um seine Taille legen, damit sie nicht abgeworfen wurde. Er glaubte, sie lachen zu hören.

42

›Zum fröhlichen Dachs‹

Im Lärm der Stadt ging Zarines Lachen schnell unter — falls er sich da nicht sowieso getäuscht hatte. Es war so, wie Perrin es von Caemlyn und Cairhien her kannte. Hier waren die Geräusche allerdings etwas anders, gedämpfter, und sie bewegten sich auf einer anderen Tonhöhe, doch im Prinzip war es das gleiche: Stiefel und Räder und Hufe auf groben, unebenen Pflastersteinen, das Achsenquietschen von kleinen Karren bis zu großen Wagen, Musik und Gesang und Gelächter, das aus Schenken und Tavernen drang. Stimmen. Ein Stimmengesumme, als habe er den Kopf in einen gigantischen Bienenstock gesteckt. Eine große, lebendige Stadt.

Aus einer Seitenstraße hörte er das metallische Geräusch eines Hammers auf einem Amboß, und unwillkürlich richtete er sich höher auf. Er vermißte das Gefühl von Hammer und Zange in seinen Händen, den Anblick des weißglühenden Metalls, wie es unter seinen formenden Schlägen Funken sprühte. Die Geräusche der Schmiede verklangen hinter ihm, wurden begraben unter dem Gerumpel der Karren und Wagen und dem Geplappere der Ladeninhaber und der Passanten auf den Straßen. Unter all den Gerüchen nach Menschen und Pferden, Kochen und Backen und den hundert anderen, die so bezeichnend für eine Stadt waren, lag hier der Geruch nach Salz und Sumpf und Brackwasser.

Er war überrascht, als sie innerhalb der Stadt eine Brücke passierten. Es war ein niedriger Steinbau, der über einen nicht mehr als dreißig Schritt breiten Wasserweg führte. Bei der dritten solchen Brücke wurde ihm dann klar, daß kreuz und quer durch Illian genauso viele Kanäle wie Straßen verliefen. Männer stießen schwer beladene Lastkähne mit Hilfe von langen Stangen voran, während oben die Fahrer ihre Peitschen knallen ließen, um die Gespanne mit den schweren Wagen anzutreiben. Sänften schoben sich durch die Menschenmengen auf den Straßen. Gelegentlich sah er die lackierte Kutsche eines reichen Kaufmanns oder Adligen mit einem auf die Tür groß aufgemalten Wappen oder Abzeichen. Viele der Männer trugen eigenartige Bärte, bei denen die Oberlippe frei blieb, und die Frauen schienen breitkrempige Hüte mit angenähten Schals zu bevorzugen, die sie sich um den Hals schlangen.

Einmal überquerten sie einen Platz von immensen Ausmaßen, der von riesigen Säulen eingerahmt war. Sie bestanden aus weißem Marmor, waren mindestens fünfzehn Spannen hoch, maßen zwei Spannen im Durchmesser und stützten überhaupt nichts außer jeweils einen in Stein gehauenen Olivenzweig obenauf. An jedem Ende des Platzes stand ein riesengroßer weißer Palast mit Säulenumgängen, luftigen Balkonen, schlanken Türmchen und purpurroten Dächern. Auf den ersten Blick schienen beide genau gleich, aber dann merkte Perrin, daß der eine um ein weniges kleiner war und seine Türmchen vielleicht ein klein bißchen niedriger.

»Der Königspalast«, sagte Zarine hinter seinem Rücken, »und der Große Saal des Rats. Man sagt, der erste König von Illian habe dem Rat der Neun zugestanden, daß sie jeden Palast haben konnten, den sie wollten, aber er dürfe nicht größer sein als sein eigener. Also baute der Rat den Königspalast haargenau nach, aber jedes Maß um zwei Fuß geringer. So hielt man das seither in Illian. Der König und der Rat der Neun streiten sich ständig, und die große Ratsversammlung streitet sich mit beidem herum, und während sie ihre Privatfehden austragen, leben die Menschen mehr oder weniger unbehelligt, wie sie wünschen. Das hat sich recht gut bewährt, wenn man schon an eine bestimmte Stadt gebunden ist. Wahrscheinlich willst du auch noch wissen, Schmied, daß dies der Tammuz-Platz ist, wo ich den Jägereid ablegte. Ich glaube, ich werde dir soviel beibringen müssen, damit keiner das Heu in deinem Haar bemerkt.«

Perrin hielt mit großer Mühe den Mund und beschloß, sich künftig nicht mehr so neugierig umzusehen.

Niemand hier schien Loial als besonders ungewöhnlich zu betrachten. Ein paar Leute blickten ihm hinterher, und einige kleinere Kinder liefen ihnen ein Stückchen nach, aber offenbar waren Ogier in Illian keineswegs unbekannt. Auch schien niemand hier die Hitze und die Feuchtigkeit zu bemerken.

Diesmal schien Loial nicht besonders glücklich darüber zu sein, daß ihn die Menschen so selbstverständlich hinnahmen. Seine langen Augenbrauen hingen ihm traurig auf die Wangen herunter, und seine Ohren waren welk. Perrin meinte, es könne aber auch an der Luft liegen. Sein Hemd klebte an ihm — naß vom Schweiß und dieser Feuchtigkeit, die in der Luft lag.

»Fürchtest du, daß du hier andere Ogier antreffen könntest, Loial?« fragte Perrin. Er spürte, wie sich Zarine hinter ihm rührte, und verfluchte sein loses Mundwerk. Er wollte die junge Frau eigentlich noch weniger wissen lassen, als Moiraine sowieso schon angedeutet hatte. Das wäre dann vielleicht Grund genug für sie zu verschwinden.

Falls Moiraine sie jetzt überhaupt noch gehen läßt. Seng mich, ich will keinen verfluchten Falken auf der Schulter tragen, und wenn sie noch so hübsch ist.

Loial nickte. »Unsere Steinwerker kommen manchmal hierher.« Er sprach im Flüsterton, und zwar nicht nur leise für einen Ogier, sondern diesmal wirklich leise. Selbst Perrin konnte ihn kaum verstehen. »Aus dem Stedding Schangtai, meine ich. Es waren Handwerker aus unserem Stedding, die einen Teil Illians erbauten — den Palast der Versammlung, die große Ratshalle, einige der anderen —, und sie schicken immer nach uns, wenn es etwas zu reparieren gibt. Perrin, falls Ogier hier sind, werden sie mich zwingen, ins Stedding zurückzugehen. Daran hätte ich vorher denken sollen. Dieser Ort macht mich nervös, Perrin.« Seine Ohren zuckten unruhig.