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Die Wirtin hatte bei ihrem Eintreten ganz kurz überrascht dreingeblickt. Die große, rundliche Frau, die ihr Haar im Nacken zu einem dicken Dutt zusammengebunden hatte und die stark nach Seife roch, überwand ihre Überraschung jedoch schnell und eilte zu Moiraine herüber.

»Frau Mari«, sagte sie, »ich hatte nicht erwartet, Euch heute hier zu sehen!« Sie zögerte, musterte Perrin und Zarine kurz und warf Loial einen Blick zu, doch keinen so forschenden wie den zuvor. Ihre Miene hellte sich sogar beim Anblick des Ogiers auf. Doch ihre Aufmerksamkeit galt in erster Linie ›Frau Mari‹. Sie senkte die Stimme. »Meine Tauben nicht ankommen bei Euch?« Sie schien Lan als Teil von Moiraine ganz selbstverständlich hinzunehmen.

»Bestimmt sind sie sicher angekommen, Nieda«, sagte Moiraine. »Ich war weg, aber Adine hat bestimmt alles aufgeschrieben, was Ihr berichtet habt.« Sie betrachtete das Mädchen auf dem Tisch ohne ein äußeres Anzeichen der Mißbilligung oder irgendeinen meßbaren Gesichtsausdruck. »Im ›Dachs‹ war es erheblich ruhiger, als ich zuletzt hier war.«

»Ja, Frau Mari, das sein so. Aber die Rabauken noch nicht über den Winter weggekommen sind, es mir scheinen. Ich in zehn Jahren keine Rauferei im ›Dachs‹ haben, bis der Schwanz von diesem Winter vorbei sein.« Sie nickte in Richtung eines Mannes, der ausnahmsweise nicht in der Nähe der Sängerin saß. Der Bursche war noch größer als Perrin und stand mit verschränkten, mächtigen Armen an eine Wand gelehnt da. Mit dem Fuß klopfte er den Rhythmus der Musik nach. »Sogar Bili Schwierigkeiten haben, sie zu halten zurück. Deshalb ich einstellen das Mädchen, damit auf andere Gedanken sie kommen. Von irgendwo in Altara sie ist.« Sie hielt den Kopf schief und hörte einen Augenblick lang zu. »Eine gute Stimme, aber ich singen besser, ja, und auch tanzen besser, als ich sein in ihrem Alter.«

Perrin schnappte nach Luft, als er sich diese mächtige Frau auf einem Tisch beim Tanzen vorstellte. Und wenn sie dann noch dieses Lied sang — ein bißchen Text drang zu ihm durch: »Ich trag nichts drunter gewiß, gewiß« —, und dann knallte ihm Zarine eine Faust in die Rippen. Er stöhnte auf.

Nieda sah zu ihm herüber. »Ich werden Euch ein wenig Honig und Schwefel mischen, Junge, für Euren Hals. Ihr sicher nicht wollen noch mehr Erkältung vor dem Frühling, wo ihr haben ein solch hübsches Mädchen am Arm.«

Moiraine warf ihm einen warnenden Blick zu, er solle sich nicht einmischen. »Seltsam, daß es hier Raufereien gibt«, sagte sie. »Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Euer Neffe so etwas im Keim erstickt. Ist etwas vorgefallen, daß die Menschen so gereizt sind?«

Nieda dachte einen Augenblick lang nach. »Vielleicht. Es sein schwer zu sagen. Die jungen Lords immer kommen herunter zum Hafen, um zu feiern und sich Mädchen zu suchen, weil sie nicht dürfen, wo die Luft frischer sein. Vielleicht sie nun kommen öfters, weil Winter war so hart. Vielleicht. Und andere streiten sich auch viel öfter. Es wirklich war ein schlimmer Winter. Das machen Männer zorniger und Frauen auch. All der Regen und die Kälte. Ich sogar aufwachen an zwei Morgen mit Eis in meiner Waschschüssel. Natürlich trotzdem nicht so schlimm wie der Winter davor, aber das sein ohnehin der schlimmste Winter in tausend Jahren gewesen. Beinahe könnte ich glauben die Geschichten von Reisenden, daß gefrorenes Wasser vom Himmel fällt.« Sie kicherte, um zu zeigen, wie wenig sie daran glauben mochte. Es war ein eigenartiger Laut von einer so großen Frauensperson.

Perrin schüttelte den Kopf. Sie glaubt nicht an Schnee? Aber wenn sie dieses Wetter schon für kühl hielt, konnte das wohl angehen.

Moiraine senkte nachdenklich den Kopf. Die Kapuze warf ihren Schatten auf ihr Gesicht.

Das Mädchen auf dem Tisch begann eine neue Strophe, und Perrin lauschte unwillkürlich wieder. Er hatte noch nie davon gehört, daß eine Frau auch nur im entferntesten das tat, wovon sie sang, aber es klang interessant. Er bemerkte, daß Zarine ihn beim Zuhören beobachtete, und so bemühte er sich, so zu tun, als sei er nur in Gedanken versunken gewesen.

»Was ist in letzter Zeit an Außergewöhnlichem in Illian geschehen?« fragte Moiraine schließlich.

»Ich denken, Ihr könnt Lord Brends Aufnahme in den Rat der Neun als ungewöhnlich bezeichnen«, sagte Nieda. »Glück stich mich, ich nicht können erinnern mich, vor diesem Winter überhaupt gehört zu haben seinen Namen, aber er kommen in die Stadt — von irgendwo in der Nähe der Grenze nach Murandy, Leute sagen — und sein aufgenommen innerhalb einer Woche. Man sagen, er ein guter Mann sei und der stärkste der Neun. Sie alle folgen seiner Führung, wie man sich erzählen, obwohl er der neueste und unbekannteste sein. Aber manchmal ich träumen so seltsam von ihm.«

Moiraine hatte den Mund geöffnet, um Nieda zu sagen, sie solle sich auf die letzten Nächte beschränken, da war Perrin sicher, aber sie zögerte dann doch und fragte schließlich: »Was für seltsame Träume, Nieda?«

»Ach, nur Quatsch, Frau Mari. Nur Quatsch. Ihr wollen es wirklich wissen? Träume von Lord Brend an fremdartigen Orten und Fußgängerbrücken, die in der Luft hängen. Alles nebelhaft in diesen Träumen sein, aber beinahe jede Nacht sie kommen wieder. Haben Ihr jemals so etwas Dummes gehört? Quatsch, Glück stich mich! Aber es sein schon seltsam. Bili sagen, er träumen das gleiche. Ich glauben, er hören von meine Träume und dann machen nach. Bili sein nicht gerade klug manchmal, ich glauben.«

»Vielleicht tut Ihr ihm da unrecht«, hauchte Moiraine.

Perrin starrte ihre dunkle Kapuze an. Sie hatte einen Moment lang erschüttert gewirkt, noch mehr als damals, als sie geglaubt hatte, in Ghealdan sei ein weiterer falscher Drache aufgetaucht. Er konnte keine Angst an ihr wittern, aber... Doch, Moiraine hatte Angst. Das war ein viel erschreckenderer Gedanke als der, Moiraine sei wütend. Er konnte sie sich sehr wohl zornig vorstellen, aber daß sie Angst haben sollte... ?

»Was ich nur alles zusammenquatschen«, sagte Nieda und klopfte sich auf den Dutt in ihrem Nacken. »Als ob meine närrischen Träume sein wichtig.« Sie kicherte wieder. Ein kurzes Kichern nur — das letztere war nicht ganz so närrisch wie der Glaube an Schnee. »Ihr klingen aber müde, Frau Mari. Ich werden Euch bringen auf Eure Zimmer. Und dann ein gutes Mahl von frisch gefangenem Rotstreifen.«

Rotstreifen? Er glaubte, das müsse wohl ein Fisch sein. Er roch den Duft kochenden Fisches aus der Küche.

»Zimmer«, sagte Moiraine. »Ja. Wir nehmen Zimmer hier. Das Essen kann warten. Schiffe. Nieda, welche Schiffe laufen nach Tear aus? Früh am Morgen. Diese Nacht muß ich etwas Bestimmtes tun.« Lan blickte sie mit gerunzelter Stirn an.

»Nach Tear, Frau Mari?« Nieda lachte. »Also, nach Tear fährt keines. Die Neun haben vor einem Monat verboten, daß ein Schiff fahren nach Tear und keines auch von Tear nach hier, obwohl ich glauben, das Meervolk sich nicht halten daran. Aber es sein kein Schiff des Meervolks im Hafen. Das sein eigenartig. Ich meinen, ein Befehl der Neun, und der König halten den Mund dazu, wo er sonst immer gleich schreien, wenn sie machen einen Schritt ohne ihn. Oder vielleicht es doch nicht sein ganz so? Aller Klatsch sein von Krieg mit Tear, aber die Flußschiffer und die Wagenfahrer, die versorgen Heer, sagen, Soldaten blicken alle nach Norden, nach Murandy.«

»Die Wege des Schattens sind verwickelt«, sagte Moiraine mit gepreßter Stimme. »Wir werden tun, was sein muß. Die Zimmer, Nieda. Und dann werden wir Euer Mahl genießen.«

Perrins Zimmer war bequemer, als er erwartet hatte, wenn er so an den Eindruck dachte, den der ›Dachs‹ auf ihn machte. Das Bett war breit und die Matratze weich. Die Tür war aus festen, übereinandergenagelten Leisten gefertigt, und als er die Fensterflügel öffnete, wehte eine Brise durch den Raum, die den Geruch des Hafens mit sich brachte. Und auch etwas von dem der Kanäle, doch wenigstens wurde es jetzt kühler. Er hängte Jacke, Köcher und Axt an einen Haken und stellte den Bogen in eine Ecke. Alles andere beließ er in den Satteltaschen und der Deckenrolle. Vielleicht würde die Nacht wenig Ruhe bringen.