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Er sah sich noch einmal um. Bili an der Wand, ein paar Männer, die quer durch den Raum schritten, das Mädchen, das auf dem Tisch sang, und all die lachenden Männer um sie herum. Männer, die durch den Raum schritten? Er sah sich mit gerunzelter Stirn nach ihnen um. Sechs Männer mit durchschnittlichen Gesichtern, die auf sie zukamen. Ganz unauffällige Gesichter. Er wollte gerade die Männer um das Mädchen noch einmal unter die Lupe nehmen, da fiel ihm auf, daß der Gestank des Bösen von den sechs ausging. Mit einem Mal hatten sie Dolche in den Händen, als sei ihnen bewußt geworden, daß er sie bemerkt hatte.

»Sie haben Messer!« brüllte er und warf die Käseplatte nach ihnen.

Der Schankraum explodierte förmlich. Männer schrien, die Sängerin kreischte, Nieda rief nach Bili und alles passierte gleichzeitig. Lan sprang auf, ein Feuerball schoß aus Moiraines Hand, Loial schnappte sich seinen Stuhl und schwang ihn wie einen Knüppel, und Zarine tänzelte fluchend zur Seite. Auch sie hatte ein Messer in der Hand, aber Perrin war zu beschäftigt, um viel auf die anderen zu achten. Diese Männer schienen nur ihn anzublicken, und seine Axt hing oben an dem Haken in seinem Zimmer.

Er griff sich einen Stuhl und riß ihm ein dickes Bein ab. Den Rest schleuderte er auf die Männer. Dann schlug er mit diesem langen Knüppel um sich. Sie bemühten sich, ihn mit ihren Stahlklingen zu erreichen, als seien Lan und die anderen keinerlei Hindernis für sie. Es wurde eng. Er konnte lediglich ihre Klingen immer wieder parieren, denn mit wilderen Schlägen brachte er Lan und Loial und Zarine ebenso in Gefahr wie die sechs Angreifer. Aus dem Augenwinkel sah er Moiraine an der Seite stehen, Frustration im Gesicht. Es war ein solches Durcheinander, daß sie nichts tun konnte, ohne ihre Freunde genauso zu gefährden wie ihre Feinde. Keiner der Dolchbewehrten sah sich auch nur nach ihr um; sie befand sich nicht zwischen ihnen und Perrin.

Schwer atmend schaffte er es, einem der so durchschnittlich aussehenden Männer kräftig über den Schädel zu schlagen, daß er die Knochen splittern hörte. Plötzlich lagen sie alle am Boden. Das Ganze schien ihm eine Viertelstunde oder länger gedauert zu haben, aber er sah, daß Bili in diesem Moment kurz vor ihnen stehenblieb und die Hände rang, als er die sechs toten Männer auf dem Boden anblickte. Bili hatte noch nicht einmal genug Zeit gehabt, in den Kampf einzugreifen, da war er auch schon vorbei.

Lans Gesicht war noch grimmiger als sonst. Er begann, die Toten gründlich zu durchsuchen, aber mit schnellen Bewegungen, die seinen Ekel deutlich widerspiegelten. Loial hatte den Stuhl noch zum Schlag erhoben. Er schreckte zusammen und stellte ihn mit verlegenem Grinsen ab. Moiraine starrte Perrin an, genau wie Zarine, die ihr Messer aus der Brust eines der toten Männer zog. Dieser Gestank nach Bösem war verschwunden, als sei er mit ihnen gestorben.

»Graue Männer«, sagte die Aes Sedai leise, »und sie waren hinter Euch her.«

»Graue Männer?« Nieda lachte ein wenig schrill und nervös. »Aber, Frau Mari, demnächst behauptet Ihr noch, Ihr glaubt an Gnome und Necks und Irrlichter und daß der Alte Grimme mit den schwarzen Hunden in der Wilden Jagd über den Himmel reitet.« Ein paar der Männer, die den Liedern gelauscht hatten, lachten auch, aber sie sahen Moiraine genauso mißtrauisch an wie die toten Männer. Auch die Sängerin starrte mit weit aufgerissenen Augen Moiraine an. Perrin erinnerte sich an diesen einen Feuerball, bevor das Durcheinander zu unübersichtlich geworden war. Einer der Grauen Männer schien leicht verkohlt und verströmte einen süßlichen Brandgeruch.

Moiraine wandte sich der rundlichen Frau zu. »Ein Mann kann im Schatten wandeln«, sagte die Aes Sedai ruhig, »ohne ein Abkömmling des Schattens zu sein.«

»O ja, Schattenfreunde.« Nieda stützte die Hände auf ihre mächtigen Hüften und blickte die Leichen finster an. Lan hatte seine Suche beendet. Er sah Moiraine an und schüttelte den Kopf, als habe er gar nicht erwartet, etwas zu finden. »Eher waren das Diebe, obwohl ich noch nie von Dieben gehört habe, die kühn genug waren, einfach in eine Schenke hineinzuspazieren. Ich haben noch nie einen Mord im Dachs erlebt. Bili! Bring sie hinaus, wirf sie in einen Kanal und streue frische Sägespäne auf den Boden. Hinten hinaus, bitte! Ich nicht wollen, daß die Wachsoldaten ihre langen Nasen in den Dachs hineinstecken.« Bili nickte, als sei er froh, endlich auch etwas Nützliches tun zu können. Er packte mit jeder Hand einen toten Mann am Gürtel und trug sie hinter zur Küche zu.

»Aes Sedai?« sagte die dunkeläugige Sängerin. »Ich wollte Euch nicht mit meinen gewöhnlichen Liedern beleidigen.« Sie bedeckte den entblößten Teil ihres Busens — also den größten Teil davon — mit ihren Händen. »Ich kann andere singen, wenn Ihr wünscht.«

»Singt, was Euch gefällt, Mädchen«, sagte Moiraine zu ihr. »Die Weiße Burg ist nicht so weltfremd, wie Ihr zu glauben scheint, und ich habe schon schlimmere Lieder gehört, als Ihr sie singen würdet.« Trotzdem schien sie nicht gerade glücklich darüber, daß nun alle im Schankraum wußten, was sie war. Sie sah Lan an, raffte den Leinenumhang um sich zusammen und ging zur Tür.

Der Behüter bewegte sich schnell, um sie abzufangen, und sie unterhielten sich leise vor der Tür. Doch Perrin verstand sie, als flüsterten sie gleich neben ihm miteinander.

»Wollt Ihr ohne mich gehen?« fragte Lan. »Ich habe geschworen, Euch zu beschützen, Moiraine, als ich Euren Eid entgegennahm.«

»Ihr habt schon immer gewußt, daß es Gefahren gibt, denen Ihr nicht gewachsen seid, mein Gaidin. Ich muß allein gehen.«

»Moiraine... «

Sie unterbrach ihn. »Hört auf mich, Lan. Sollte ich versagen, werdet Ihr es wissen, und Ihr werdet gezwungen sein, zur Weißen Burg zurückzukehren. Das würde ich nicht ändern, selbst wenn ich die Zeit dazu hätte. Ich will nicht, daß Ihr in dem erfolglosen Versuch, mich zu rächen, auch noch sterbt. Nehmt Perrin mit. Mir scheint, der Schatten habe mir seine Bedeutung im Muster erst jetzt klargemacht. Ich war eine Närrin. Rand ist ein so starker Ta'veren, daß ich nicht darauf geachtet habe, was es bedeutet, daß er noch zwei andere neben sich hatte. Mit der Hilfe Perrins und Mats kann die Amyrlin vielleicht immer noch den Ablauf der Ereignisse ändern. Wenn Rand ohne Hilfe herumläuft, wird sie eingreifen müssen. Berichte ihr, was geschehen ist, mein Gaidin.«

»Ihr sprecht, als wärt Ihr schon tot«, sagte Lan grob.

»Das Rad webt, wie das Rad es wünscht, und der Schatten verdunkelt die Welt. Hört auf mich, Lan, und gehorcht, wie Ihr es geschworen habt.« Damit war sie aus der Tür.

43

Schattenbrüder

Das dunkeläugige Mädchen kletterte auf den Tisch zurück und begann, mit unsicherer Stimme zu singen. Die Melodie kannte Perrin unter dem Titel ›Frau Aynoras Hahn‹. Der Text war wieder anders, als er ihn kannte. Er schämte sich seiner eigenen Enttäuschung, aber diesmal ging es wirklich nur um einen Hahn. Selbst Frau Luhhan hätte diesmal nichts dagegen einzuwenden gehabt. Licht, ich werde schon genauso schlimm wie Mat.

Keiner der Zuhörer beklagte sich. Ein paar der Männer wirkten ein wenig aufgebracht, doch alle schienen genauso darauf erpicht, Moiraine zu Gefallen zu sein, wie die Sängerin selbst. Niemand wollte eine Aes Sedai ärgern, selbst wenn sie gar nicht mehr da war. Bili kam zurück und wuchtete zwei weitere Graue Männer hoch. Ein paar der Zuhörer des Mädchens drehten sich um und schüttelten beim Anblick der Leichen die Köpfe. Einer spuckte in die Sägespäne.

Lan kam herüber und stellte sich vor Perrin. »Wie konntet Ihr sie erkennen, Schmied?« fragte er leise. »Das Mal des Bösen ist nicht ausgeprägt genug, und weder Moiraine noch ich konnten sie fühlen. Graue Männer sind schon an Hunderten von Wächtern vorbeimarschiert, darunter auch Behütern, ohne bemerkt zu werden.«