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Perrin blinzelte sie unsicher an. Er wünschte sich einen Rand bei vollem Verstand oder wenigstens Mat herbei. Er kannte sich bei Mädchen einfach nicht aus, aber Rand schien sich da sehr sicher zu sein. Genau wie Mat. Die meisten Mädchen zu Hause in Emondsfeld hatten gejammert, Mat werde nie erwachsen, aber er schien ganz gut mit ihnen klarzukommen.

»Wie steht es mit dir, Perrin? Möchtest du nicht nach Hause kommen?«

»Die ganze Zeit über will ich das«, sagte er leidenschaftlich. »Aber... ich glaube nicht, daß ich kann. Noch nicht.« Er blickte hinauf zu Rands Tal. Es scheint, wir sind aneinander gebunden, nicht wahr, Rand? »Vielleicht nie.« Er glaubte, das zu leise für ihre Ohren gesagt zu haben, aber ihr Blick war voller Sympathie. Und Zustimmung.

Er hörte hinter sich leise Schritte und blickte noch einmal hoch zu Moiraines Hütte. Zwei Gestalten schritten durch die sich vertiefende Dämmerung. Eine war eine schlanke Frau, die selbst beim Marsch über diesen geneigten, unebenen Boden noch graziös wirkte. Der Mann, der seine Begleiterin an Größe weit überragte, bog ab und ging hinüber zu den arbeitenden Schienarern. Selbst für Perrins scharfe Augen war er nur undeutlich zu sehen. Manchmal schien er ganz zu verschwinden und dann mit einem Mal wieder aufzutauchen, dann verschwammen Teile seiner Gestalt mit der Nacht dahinter und traten wiederum klarer hervor, wenn der Wind auffrischte. Das konnte nur der Umhang eines Behüters fertigbringen. Also mußte die größere Gestalt die Lans sein, und die kleinere war ganz sicher die Moiraines.

Ein ganzes Stück hinter ihnen schlüpfte eine noch verschwommenere Gestalt zwischen die Bäume. Rand, dachte Perrin. Er geht zu seiner Hütte zurück. Wieder ein Abend, an dem er nichts ißt, weil er es nicht ertragen kann, wie ihn alle ansehen. »Du mußt hinten auch Augen haben«, sagte Min und runzelte die Stirn mit einer Kopfbewegung in Richtung der sich nähernden Frau. »Oder das beste Gehör, das ich jemals erlebt habe. Ist das Moiraine?«

Unvorsichtig. Er hatte sich so daran gewöhnt, daß die Schienarer wußten, wie gut er zumindest bei Tageslicht sehen konnte — sie wußten nicht, daß er auch bei Nacht gut sah —, daß er in bezug auf andere Dinge unvorsichtig geworden war. Diese Unvorsichtigkeit kann mich noch ins Grab bringen.

»Geht es der Tuatha'an-Frau gut?« fragte Min, als Moiraine zum Feuer kam.

»Sie ruht sich aus.« Die leise Stimme der Aes Sedai klang melodiös wie immer, als sei das Sprechen eine Vorstufe des Singens, und ihr Haar und die Kleider hatte sie wieder in Ordnung gebracht. Sie rieb sich die Hände über dem Feuer. An ihrer linken Hand glänzte ein goldener Ring in Form einer Schlange, die sich in den eigenen Schwanz biß. Die Große Schlange, ein noch älteres Symbol der Ewigkeit als selbst das Rad der Zeit. Jede in Tar Valon ausgebildete Frau trug einen solchen Ring.

Einen Augenblick Sang ruhte Moiraines Blick auf Perrin und schien ihm etwas zu durchdringend. »Sie stürzte und hat sich die Kopfhaut aufgerissen, als Rand... « Ihre Mundpartie straffte sich, doch im nächsten Moment waren ihre Züge wieder ganz ruhig. »Ich habe sie geheilt, und nun schläft sie. Bei einer Kopfwunde gibt es immer eine Menge Blut, aber es war nichts Ernstes. Hast du bei ihr irgend etwas gesehen, Min?«

Min blickte unsicher drein. »Ich sah... ich sah etwas, das ich für ihren Tod hielt. Ihr Gesicht, und total blutüberströmt. Ich war sicher, was es bedeuten mußte, aber wenn sie sich die Kopfhaut aufgerissen hat... Seid Ihr wirklich sicher, daß es ihr gutgeht?« Es war ein Zeichen für ihre Unsicherheit, daß sie nachfragte. Eine Aes Sedai heilte nicht jemand und ließ dann etwas ungeheilt zurück, was sie mit ihren Kräften behandeln konnte. Und auf diesem Gebiet besaß Moiraine besonders großes Talent.

Min klang so besorgt, daß Perrin einen Augenblick lang wirklich überrascht war. Dann nickte er in sich hinein. Es gefiel ihr selbst nicht, was sie tat, doch es war ein Teil von ihr, und sie glaubte zu wissen, wie es funktionierte, zumindest teilweise. Wenn sie sich irrte, war das beinahe so, als fände sie heraus, daß sie ihre eigenen Hände nicht mehr benutzen konnte.

Moiraine überlegte kurz. Sie wirkte dabei würdevoll und leidenschaftslos. »Du hast dich noch niemals geirrt, wenn du mir etwas voraussagtest, jedenfalls nach meinem besten Wissen. Vielleicht ist dies das erste Mal.«

»Wenn ich etwas weiß, weiß ich es«, flüsterte Min starrköpfig. »Licht, hilf mir, aber es ist wirklich so.«

»Oder vielleicht kommt es noch? Sie hat noch eine lange Reise vor sich, bis sie zu ihren Wagen zurückkehrt, und sie muß durch unbesiedeltes Land reiten.«

Die Stimme der Aes Sedai klang unbeteiligt, wie ein kühles Lied. Perrin gab unfreiwillig einen undefinierbaren Ton von sich. Licht, hat es bei mir auch so geklungen? Ich will nicht, daß ein Tod für mich eine solch geringe Rolle spielt. Als habe er das laut ausgesprochen, sah ihn Moiraine prompt an. »Das Rad webt, wie es will, Perrin. Ich habe dir vor langer Zeit gesagt, daß wir uns in einem Krieg befinden. Wir können nicht aufgeben, nur weil einige von uns möglicherweise sterben werden. Jeden von uns könnte der Tod ereilen, bevor es vollbracht ist. Leyas Waffen sind vielleicht nicht deine, aber das war ihr klar, als sie den Kampf aufnahm.«

Perrin senkte den Blick. Das ist alles schön und gut, Aes Sedai, aber ich werde es niemals so ruhig hinnehmen wie du. Lan kam mit Uno und Loial herüber und setzte sich ihnen gegenüber ans Feuer. Die Flammen warfen flackernde Schatten auf das Gesicht des Behüters. So schien es noch mehr als sonst aus Stein gehauen, kantig und eckig. Auch im Feuerschein fiel es nicht leicht, seinen Umhang anzusehen. Manchmal schien es einfach ein dunkelgrauer oder schwarzer und ganz normaler Umhang zu sein, sah man aber genauer hin, dann begann das Grau und Schwarz zu verschwimmen und sich zu verändern. Schatten glitten darüber und drangen hinein. Und dann manchmal wieder wirkte es, als sei Lan ein Loch in der Nacht und ziehe die Dunkelheit um seine Schultern zusammen. Also wirklich nicht leicht, das zu beobachten, und der Mann, der den Umhang trug, machte es niemandem leichter.

Lan war hochgewachsen, breitschultrig und wirkte hart. Er hatte Augen, so blau wie ein zugefrorener Bergsee. Er bewegte sich mit einer tödlichen Eleganz, die das Schwert an seiner Seite wie einen Teil seines Körpers wirken ließ. Nicht nur, daß er fähig schien, Gewalt und Tod zu verursachen: dieser Mann hatte Tod und Gewalt gezähmt und in seine Tasche gesteckt, bereit, jeden Moment losgelassen zu werden, wenn Moiraine dies wünschte. Neben Lan wirkte sogar Uno weniger gefährlich. Im langen Haar des Behüters war etwas Grau zu sehen. Das Haar wurde von einer Lederkordel aus der Stirn gehalten. Jüngere Männer mieden jeden Streit mit Lan — wenn sie klug waren.

»Frau Leya brachte die üblichen Neuigkeiten von der Ebene von Almoth«, sagte Moiraine. »Jeder kämpft gegen jeden. Dörfer werden niedergebrannt. Menschen fliehen in alle Richtungen. Und Jäger sind auf der Ebene erschienen. Sie suchen das Horn von Valere.« Perrin bewegte sich unruhig. Das Horn befand sich dort, wo kein Jäger auf der Ebene von Almoth es finden konnte. Er hoffte, daß überhaupt kein Jäger es je finden würde. Sie warf ihm einen kühlen Blick zu, bevor sie fortfuhr. Sie wollte nicht, daß einer von ihnen das Horn erwähnte. Außer natürlich, sie hielt es gerade für richtig.

»Sie hat auch noch andere Neuigkeiten gebracht. Die Weißmäntel haben nun mindestens fünftausend Mann auf der Ebene von Almoth.«

Uno grunzte. »Das ist verdammt... oh, Entschuldigung, Aes Sedai. Das muß fast die Hälfte ihrer Streitmacht sein. Sie haben noch nie so viele an einen einzigen Ort geschickt.«