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Loial führte sein Pferd heran, um den Steinkopf besser sehen zu können. Dann beugte er sich herunter und befühlte die Gesichtszüge. »Ich glaube, das war eine Ogier-Frau«, sagte er schließlich. »Aber das hier ist kein altes Stedding; das würde ich fühlen. Wir alle würden das bemerken. Und wir wären sicher vor diesen Schattenwesen.«

»Was starrt ihr beiden denn da an?« Zarine quetschte die Augen zusammen, um den Felsen besser sehen zu können. »Was ist das? Sie? Wer?«

»Viele Nationen haben sich seit der Zerstörung der Welt erhoben und sind wieder zerfallen«, sagte Moiraine, ohne sich umzudrehen. »Einige hinterließen nicht mehr als ihre Namen auf einem vergilbten Blatt oder Linien auf einer zerfledderten Landkarte. Werden wir überhaupt soviel hinterlassen?«

Das blutgetränkte Heulen erklang wieder, erneut etwas näher. Perrin versuchte, ihre Geschwindigkeit zu berechnen. Er glaubte, Lan recht geben zu müssen. Die Pferde hätten ihnen wirklich nicht entkommen können. Sie würden nicht mehr lange warten müssen.

»Ogier«, sagte Lan, »Ihr und das Mädchen haltet die Pferde.« Zarine protestierte, aber er beachtete das nicht weiter. »Eure Messer werden Euch hier kaum helfen, Mädchen.« Seine Schwertklinge schimmerte im Mondschein, als er sie zog. »Und das hier ist nur eine Art letzter Ausweg. Es klingt, als seien vielleicht zehn dort draußen und nicht nur einer. Eure Aufgabe ist es, die Pferde am Weglaufen zu hindern, wenn sie die Schattenhunde wittern. Selbst Mandarb mag diesen Geruch nicht.«

Wenn das Schwert des Behüters nicht viel brachte, dann war seine Axt auch nicht viel wert. Perrin empfand darüber so etwas wie Erleichterung, auch wenn es sich um Schattenwesen handelte: Er würde die Axt nicht benützen müssen. Er zog seinen unbespannten Bogen unter Trabers Sattelgurt hervor. »Vielleicht wird uns der helfen.«

»Versucht es, wenn Ihr wollt, Schmied«, sagte Lan. »Sie sterben nicht so leicht. Vielleicht könnt Ihr damit einen töten.«

Perrin zog eine frische Bogensehne aus seiner Gürteltasche und bemühte sich, sie vor dem Regen zu schützen. Der Überzug aus Bienenwachs war dünn und stellte keinen großen Schutz gegen anhaltende Feuchtigkeit dar. Er klemmte sich den Bogen zwischen die Beine und bog ihn mühelos. Dann legte er die Schlingen der Sehne in die dafür vorgesehenen Hornnocken an den Enden des Bogens. Als er sich aufrichtete, konnte er die Schattenhunde bereits sehen.

Sie jagten dahin, wie Pferde im Galopp, und als er sie gerade entdeckt hatte, wurden sie noch einmal schneller. Es waren zehn große Gestalten, die durch die Dunkelheit hetzten, zwischen den einzeln stehenden Bäumen hindurchfegten, und er zog einen Pfeil mit breiter Spitze aus dem Köcher und legte ihn auf. Aber er spannte die Sehne nicht. Er war keineswegs der beste Bogenschütze in Emondsfeld gewesen, doch unter den jüngeren Männern war nur Rand besser.

Bei dreihundert Schritt Entfernung würde er schießen, entschied er. Narr! Auf die Entfernung triffst du doch kaum ein stehendes Ziel. Aber wenn ich warte, wo sie sich doch so schnell bewegen... Er trat neben Moiraine und hob den Bogen. Ich muß mir nur vorstellen, dieser huschende Schatten sei ein großer Hund. Dann zog er die Gänsefedern des Pfeilendes bis an sein Ohr und ließ los. Er war sicher, daß der Pfeil mit der nächsten Schattengestalt verschmolz, aber das einzige Ergebnis war ein Knurren. Das hat keinen Zweck. Sie sind zu schnell! Er zog bereits einen weiteren Pfeil heraus. Warum unternimmst du denn nichts, Moiraine? Er konnte ihre Augen erkennen, wie Silber glänzend, und ihre Zähne schimmerten wie polierter Stahl. Schwarz wie die Nacht und so groß wie kleine Ponies, so hetzten sie auf ihn zu, stumm, voller Mordlust. Der Wind trieb den Gestank nach brennendem Schwefel heran. Die Pferde wieherten angstgepeinigt, selbst Lans Streitroß. Seng dich, Aes Sedai, tu irgend etwas! Er schoß erneut. Der führende Schattenhund zauderte, jagte aber dann weiter. Sie können sterben! Er schoß wieder, und der vorderste Schattenhund strauchelte, kam taumelnd wieder auf die Beine und fiel dann. Und doch hätte er in diesem Moment beinahe verzweifeln können. Einer weg, und die anderen neun hatten bereits zwei Drittel der Entfernung bis zu ihnen hinter sich gebracht. Sie schienen nun noch schneller zu werden — wie Schatten, die über den Boden flogen. Noch mal ein Pfeil. Vielleicht genug Zeit für einen letzten dann, und anschließend die Axt. Seng dich, Aes Sedai! Er zog wieder durch.

»Jetzt«, sagte Moiraine, als sein Pfeil die Sehne verließ. Die Luft zwischen ihren Händen fing Feuer, und das fauchte auf die Schattenhunde zu und besiegte die Nacht. Die Pferde wieherten schrill und bäumten sich auf.

Perrin hielt sich einen Arm vor das Gesicht, um die Augen vor diesem weißen Glühen zu schützen, vor einer Hitze, als sei ein Rennofen aufgeplatzt. Ein plötzlicher Mittag flammte durch die Dunkelheit und war verschwunden. Als er den Arm wegzog, sah er zunächst nur tanzende Lichtflecke und das ferne, verblassende Abbild dieses Feuerstroms. Wo sich die Schattenhunde befunden hatten, war nun nichts als der nachtbedeckte Boden und der sanfte Nieselregen. Die einzigen Schatten, die sich bewegten, waren die von Wolken, die vor dem Mond vorbeiflogen.

Ich dachte, sie wurde Feuerbälle auf sie schleudern oder Blitze, aber das... »Was war das?« fragte er heiser.

Moiraine spähte schon wieder in Richtung Illian, als könne sie durch diese meilenweite Dunkelheit hindurchblicken. »Vielleicht hat er es nicht gesehen«, sagte sie mehr zu sich gewandt. »Es ist weit, und falls er nicht gerade hierhergeschaut hat, hat er es vielleicht nicht bemerkt.«

»Wer?« wollte Zarine wissen. »Sammael?« Ihre Stimme bebte ein wenig. »Ihr habt gesagt, er sei in Illian. Wie kann er irgend etwas von dort aus sehen? Was habt Ihr getan?«

»Etwas Verbotenes«, sagte Moiraine kühl. »Verboten durch Eide, die beinahe so stark sind wie die Drei.« Sie nahm Aldiebs Zügel dem Mädchen aus der Hand und tätschelte den Hals der Stute, um sie zu beruhigen. »Etwas, das fast zweitausend Jahre lang nicht mehr benützt wurde. Man könnte mich schon für das Wissen darüber einer Dämpfung unterziehen.«

»Vielleicht...?« Loials Stimme war wie ein schwächliches Grollen. »Vielleicht sollten wir jetzt gehen? Es könnte noch mehr davon geben.«

»Ich glaube nicht«, sagte die Aes Sedai, stieg aber dabei auf. »Er würde nicht gleichzeitig zwei Rudel riskieren, falls er überhaupt zwei besitzt. Außerdem würden sie untereinander kämpfen, statt ihre Beute zu reißen. Und ich glaube nicht, daß wir sein eigentliches Angriffsziel darstellen. Sonst wäre er selbst gekommen. Wir waren... ein Störfaktor, mehr nicht, glaube ich« — ihre Stimme klang ruhig, aber es war doch klar, daß sie es haßte, so geringgeschätzt zu werden —, »und vielleicht eine kleine Zusatzbeute für seinen Jagdbeutel, falls es nicht zuviel Mühe macht. Trotzdem bringt es nichts, ihm näher zu bleiben als unbedingt notwendig.«

»Rand?« fragte Perrin. Er konnte fast spüren, wie sich Zarine vorbeugte, um zu lauschen. »Wenn er nicht uns sucht, dann vielleicht Rand?«

»Möglicherweise«, sagte Moiraine. »Oder vielleicht Mat. Denkt daran, daß auch er ta'veren ist, und er blies das Horn von Valere.«

Zarine gab einen erstickten Laut von sich. »Er blies es? Jemand hat es bereits gefunden?«

Die Aes Sedai beachtete sie nicht. Sie beugte sich aus dem Sattel und sah ihm aus der Nähe in die Augen, die wie mattes Gold schimmerten. »Wieder einmal sind die Ereignisse schneller als ich. Das gefällt mir nicht. Und Euch sollte es auch nicht gefallen. Wenn mir die Ereignisse davonlaufen, überrollen sie Euch möglicherweise und den Rest der Welt gleich mit.«

»Es sind noch viele Wegstunden bis Tear«, sagte Lan. »Der Vorschlag des Ogiers war gut.« Er saß auch schon im Sattel.