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Einen Moment später richtete sich Moiraine auf und berührte die Rippen der Stute mit ihren Fersen. Sie war schon halb den Abhang hinunter, als er endlich seinen Bogen abgespannt und verstaut hatte und Loial Trabers Zügel aus der Hand nahm. Seng dich, Moiraine! Irgendwo finde ich schon noch meine Antworten!

Mat genoß die Wärme des Lagerfeuers. Er lehnte sich an einen umgestürzten Baumstamm. Vor drei Tagen hatte sich der Regen nach Süden verzogen, aber er spürte immer noch die Nässe. Und doch war er sich in diesem Moment der tanzenden Flammen kaum bewußt. Er betrachtete nachdenklich den kleinen, mit Wachs überzogenen Zylinder in seiner Hand. Thom war damit beschäftigt, seine Harfe zu stimmen, und knurrte etwas von Regen und Feuchtigkeit in seinen Bart. Er sah überhaupt nicht zu Mat herüber. Grillen zirpten in den dunklen Büschen in ihrer Umgebung. Der Sonnenuntergang hatte sie zwischen den Dörfern erreicht, und so hatten sie dieses Gehölz ein Stück von der Straße entfernt ausgewählt, um zu lagern. Zwei Abende lang hatten sie versucht, ein Zimmer für die Nacht zu finden, und zweimal hatte ein Bauer seine Hunde auf sie gehetzt.

Mat zog sein Messer aus der Gürtelscheide und zögerte dann. Glück. Es explodiert nur manchmal, sagte sie. Glück. So vorsichtig er konnte, schlitzte er den Zylinder der Länge nach auf. Es war ein Papierzylinder, wie er gedacht hatte. Nach dem Feuerwerk hatte er damals, zu Hause, Papierfetzen auf dem Boden gefunden. Mehrere Papierschichten, aber alles, was sich drinnen befand, sah aus wie Schmutz oder vielleicht wie mit Staub vermischte, winzige, grauschwarze Steinchen. Er hielt den Inhalt auf der Handfläche und stocherte mit einem Finger darin herum. Wie beim Licht können Steinchen explodieren?

»Licht seng mich!« brüllte Thom. Er steckte rasch seine Harfe in den Behälter, als könne er sie damit vor dem Inhalt von Mats Hand schützen. »Probierst du aus, ob du uns umbringen kannst, Junge? Hast du nicht gehört, daß die Dinger an der Luft zehnmal so stark explodieren als durch Feuer? Feuerwerk ist das, was den Aes Sedai am nächsten kommt, Junge.«

»Vielleicht«, sagte Mat. »Aber Aludra hat nicht wie eine Aes Sedai auf mich gewirkt. Ich habe das gleiche immer von der Uhr Meister al'Veres geglaubt — daß sie ein Werk der Aes Sedai sein müsse —, aber sobald ich einmal den Kasten geöffnet hatte, sah ich, daß er voll kleiner Metallteilchen war.« Ihm war bei der Erinnerung noch mulmig zumute. Frau al'Vere hatte ihn damals als erste erreicht. Die Seherin, sein Vater und der Bürgermeister waren aber gleich hinterhergekommen, und keiner glaubte ihm, daß er lediglich hineinschauen wollte. Ich hätte alles wieder zusammensetzen können. »Ich glaube, Perrin könnte auch eine machen, wenn er all diese kleinen Rädchen und Federn und was weiß ich sähe.«

»Du wärst überrascht, Junge«, sagte Thom trocken. »Selbst ein schlechter Uhrmacher ist noch halbwegs reich, und sie verdienen das auch. Aber eine Uhr explodiert wenigstens nicht gleich!«

»Das auch nicht. Na ja, jetzt ist es nutzlos.« Er warf die Handvoll Papier und die keinen Steinchen ins Feuer, worauf Thom kreischte. Die Steinchen sprühten Funken und gaben kleine Lichtblitze von sich, und alles roch plötzlich beißend.

»Du versuchst wirklich, uns umzubringen.« Thoms Stimme klang schwankend, und sein Tonfall wurde immer eindringlicher und lauter. »Wenn ich mich zum Sterben entschließe, gehe ich zum königlichen Palast in Caemlyn und kneife Morgase!« Sein langer Schnurrbart bebte. »Tu so was nicht noch einmal!«

»Es ist doch nicht explodiert«, sagte Mat, und er sah mit gerunzelter Stirn das Feuer an. Er faßte in die Rolle aus Ölzeug, die auf der anderen Seite des Baumstamms lag, und holte einen Feuerwerkskörper der nächstgrößeren Sorte heraus. »Ich frage mich, warum es nicht geknallt hat.«

»Es ist mir gleich, warum es nicht geknallt hat! Tu das nicht wieder!«

Mat sah ihn an und lachte. »Hör auf zu zittern, Thom. Es gibt keinen Grund zur Furcht. Ich weiß jetzt, was da drinnen ist. Endlich weiß ich, wie es aussieht, aber... Sag es nicht. Ich schneide keines mehr auf, Thom. Es ist ohnehin lustiger, sie in die Luft zu jagen.«

»Ich fürchte mich nicht, du dreckbespritzter Schweinehirt«, sagte Thom mit größtmöglicher Würde. »Ich zittere vor Wut, weil ich zusammen mit einem ziegenhirnigen Idioten durch die Weltgeschichte reise, der uns vielleicht noch beide umbringen wird, weil er nicht über seine eigenen Nasenspitze hinaus... «

»He, Ihr da am Feuer!«

Mat tauschte einen schnellen Blick mit Thom, als sich das Klappern von Pferdehufen näherte. Es war zu spät, um noch einen ehrlichen Menschen auf der Straße zu erwarten. Aber so nah bei Caemlyn bewachte die königliche Garde die Straße doch gut, und die vier, die nun in den Feuerschein ritten, wirkten auch nicht wie Räuber. Eines davon war eine Frau. Die Männer trugen allesamt lange Umhänge und schienen ihre Diener zu sein. Sie war hübsch, hatte blaue Augen, trug eine goldene Halskette, ein grauseidenes Kleid und einen Samtumhang mit weiter Kapuze. Die Männer stiegen ab. Einer hielt ihr die Zügel und ein anderer den Steigbügel. Sie lächelte Mat an und zog die Handschuhe aus, als sie sich dem Feuer näherte.

»Ich fürchte, die Dunkelheit hat uns hier draußen überrascht, junger Herr«, sagte sie, »und ich würde Euch gern fragen, ob Ihr hier in der Gegend eine Schenke wißt und uns den Weg weisen könnt.«

Er grinste und wollte sich erheben. Er schaffte es bis zu einer gebückten Haltung, als er hörte, wie einer der Männer etwas sagte, während ein anderer eine gespannte Armbrust unter dem Umhang vorzog, die nur von einer Klammer am Abschuß des Bolzens gehindert wurde.

»Töte ihn, du Narr!« rief die Frau, und Mat warf den Feuerwerkskörper in die Flammen und sich selbst in Richtung seines Kampfstocks. Es gab einen lauten Knall und einen Lichtblitz. »Aes Sedai!« schrie ein Mann. »Feuerwerk, du Narr!« rief die Frau. Mat rollte sich herum und kam wieder auf die Beine, den Bauernspieß in der Hand. Er sah den Bolzen der Armbrust im Baumstamm stecken, vor dem er gesessen hatte. Der Schütze stürzte gerade mit einem von Thoms Messern in der Brust zu Boden.

Das war alles, was zu sehen er Zeit hatte, denn die anderen beiden Männer rannten um das Feuer herum auf ihn zu und zogen dabei ihre Schwerter. Einer davon stolperte mit einemmal und fiel auf die Knie. Er ließ sein Schwert fallen und griff nach dem Messer in seinem Rücken. Dann stürzte er mit dem Gesicht nach unten auf den Boden. Der letzte Mann sah nicht, wie sein Kumpan fiel. Offensichtlich glaubte er immer noch, daß sie paarweise kämpften und daß so ihr Opfer seine Aufmerksamkeit teilen müsse. Er stach mit seiner Klinge nach Mats Unterleib. Beinahe verächtlich brach Mat dem Burschen mit einem Ende seines Stocks das Handgelenk, worauf ihm das Schwert aus der Hand flog, und mit dem anderen Ende traf Mat seine Stirn. Die Augäpfel des Mannes rollten hoch, und er brach zusammen.

Aus dem Augenwinkel sah Mat die Frau auf sich zukommen. Er streckte ihr einen Finger wie ein Messer entgegen. »Schöne Kleider für eine Diebin wie Euch, Frau! Ihr setzt Euch jetzt hin, bis ich entscheide, was mit Euch geschieht, oder ich... «

Sie blickte genauso überrascht drein wie Mat, als plötzlich ein Messer in ihrem Hals steckte und eine rote Blume sich ausbreitenden Bluts erblühen ließ. Er tat einen halben Schritt vorwärts, als wolle er sie auffangen, obwohl er wußte, daß es nichts mehr nützen würde. Ihr langer Umhang fiel über sie und bedeckte alles bis auf ihr Gesicht und den Griff von Thoms Messer.

»Seng dich«, knurrte Mat. »Seng dich, Thom Merrilin! Eine Frau! Licht, wir hätten sie fesseln können und sie der königlichen Garde morgen in Caemlyn übergeben! Licht, vielleicht hätte ich sie sogar laufen lassen. Ohne diese drei hätte sie niemanden mehr beraubt, und der einzige von ihnen, der noch am Leben ist, wird Tage brauchen, bis er wieder richtig sehen kann, und Monate, bis er wieder ein Schwert hält. Seng dich, Thom, es war nicht nötig, sie zu töten!«