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»Ja, Großer Meister. Es soll geschehen, wie Ihr es wünscht. Ja. Ja.«

Die Soldaten marschierten mit knirschenden Stiefeln vorbei. Sie blickten nicht zur Seite. Mat wartete nur darauf, daß sie ihm die Rücken zuwandten, und dann sprang er hoch, packte mit beiden Händen den breiten, steinernen Fenstersims und zog sich weit genug hinauf, um durchsehen zu können.

Er bemerkte den Fransenteppich aus Tarabon kaum, der allein schon eine pralle Börse voll Silber wert war. Einer der breiten, geschnitzten Torflügel schwang gerade zu. Ein hochgewachsener, breitschultriger Mann mit einem Brustkorb, der beinahe den grünen, mit Silberstickereien verzierten Seidenmantel gesprengt wäre, sah mit dunkelblauen Augen die geschlossene Tür an. Sein schwarzer Bart war kurzgeschnitten. Am Kinn zog sich ein weißer Streifen hindurch. Alles in allem wirkte er wie ein harter und befehlsgewohnter Mann.

»Ja, Großer Meister«, sagte er plötzlich, und Mat hätte beinahe seinen Halt am Fenstersims verloren. Er hatte geglaubt, das müsse der Mann mit der tiefen Stimme sein, aber nun vernahm er die unterwürfige Stimme des anderen. Jetzt klang sie wohl nicht mehr unterwürfig, aber es war die gleiche. »Es soll sein, wie Ihr wünscht, Großer Meister«, sagte der Mann in bitterem Tonfall. »Ich werde den drei Schlampen selbst die Köpfe abschneiden. Sobald ich sie finden kann!« Er schritt zur Tür, und Mat ließ sich wieder herunterfallen.

Einen Augenblick lang kauerte er noch hinter den Rosen. Jemand im Palast wollte, daß Elayne starb, und Egwene und Nynaeve hatte er ganz nebenbei auch im Visier. Was beim Licht wollen sie denn in Tear? Das mußten sie sein.

Er zog den Brief der Tochter-Erbin aus dem Futter seiner Jacke und betrachtete ihn mit gerunzelter Stirn. Vielleicht würde ihm Morgase glauben, wenn er ihr den gab. Und einen der Männer konnte er beschreiben. Aber die Zeit des Versteckspiels war vorüber. Der große Bursche konnte bereits nach Tear unterwegs sein, bevor er Morgase fand, und was immer sie dann unternehmen würde — es gäbe keine Garantie, daß man ihn noch aufhalten könne.

Mat holte tief Luft und zwängte sich um den Preis einiger weniger Kratzer zwischen zwei Rosengattern hindurch. Dann folgte er den Soldaten den Gartenweg entlang. Er hielt Elaynes Brief vor sich, so daß das Siegel mit der goldenen Lilie deutlich sichtbar war, und im Geiste wiederholte er noch einmal, was er genau sagen wollte. Solange er versäumt hatte, sich versteckt zu halten, waren ständig Wachsoldaten aufgetaucht — wie die Pilze nach dem Regen — nun aber schritt er beinahe offen durch den ganzen Garten, ohne auch nur einen einzigen zu Gesicht zu bekommen. Er kam an mehreren Türen vorbei. Es wäre aber nicht gut, den Palast ohne Genehmigung zu betreten. Vielleicht würden die Soldaten zuerst einmal einige unschöne Dinge mit ihm anstellen und anschließend zuhören. Er hatte sich trotzdem gerade dazu entschlossen, eine dieser Türen zu öffnen, da ging sie auch schon von selbst, und ein helmloser junger Offizier mit einem goldenen Knoten auf der Schulter trat heraus.

Die Hand des Mannes zuckte sofort zum Griff seines Schwertes, und er hatte es bereits einen Fuß breit herausgezogen, als Mat ihm den Brief vor die Nase hielt. »Elayne, die Tochter-Erbin, schickt diesen Brief ihrer Mutter, Königin Morgase, Hauptmann.« Er hielt den Brief so, daß das Liliensiegel nach vorn zeigte.

Der Blick aus den dunklen Augen des Offiziers zuckte kurz in die eine und dann in die andere Richtung, als wolle er sich vergewissern, daß niemand in der Nähe war. Aber Mat ließ er dabei kaum aus den Augen. »Wie kommt Ihr in diesen Garten?« Er zog sein Schwert nicht weiter heraus, schob es aber auch nicht zurück. »Elber steht am Haupttor. Er ist zwar ein Narr, aber er würde niemanden einfach so im Schloß herumlaufen lassen.«

»Ein fetter Kerl mit Augen wie eine Ratte?« Mat verfluchte seine lose Zunge, aber der Offizier nickte nur knapp. Er hätte wohl beinahe gelächelt, aber seine Wachsamkeit ließ nicht nach, genausowenig wie sein Mißtrauen. »Er ist wütend geworden, als ich ihm sagte, ich käme aus Tar Valon, und er gab mir überhaupt keine Gelegenheit, den Brief zu zeigen und den Namen der Tochter-Erbin zu erwähnen. Er sagte, er werde mich festnehmen, wenn ich nicht ginge, und so bin ich über die Mauer geklettert. Ich habe versprochen, den Brief Morgase persönlich zu übergeben, Hauptmann. Ich habe es versprochen, und ich halte meine Versprechen immer. Seht Ihr das Siegel?«

»Wieder diese verfluchte Gartenmauer«, knurrte der Offizier. »Die sollte um das Dreifache erhöht werden.« Er musterte Mat. »Gardeleutnant, nicht Hauptmann. Ich bin Gardeleutnant Tallanvor. Ich erkenne das Siegel der Tochter-Erbin.« Endlich glitt sein Schwert ganz in die Scheide zurück. Er streckte seine Hand aus, aber nicht die Schwerthand. »Gebt mir den Brief, und ich bringe ihn der Königin. Wenn ich Euch hinausgeleitet habe. Andere würden Euch nicht so sanft behandeln, nachdem sie Euch frei im Palast herumlaufend erwischt hätten.«

»Ich habe versprochen, ihn ihr nur persönlich zu übergeben«, sagte Mat. Licht, ich habe nie daran gedacht, daß sie mich ihn nicht übergeben lassen. »Ich habe mein Versprechen gegeben. Der Tochter-Erbin selbst.«

Mat sah die Bewegung von Tallanvors Hand kaum, da hatte er auch schon dessen Schwertklinge am Hals. »Ich werde Euch zur Königin bringen, Landmann«, sagte Tallanvor leise. »Aber Ihr sollt wissen, daß es Euch innerhalb eines Wimpernschlags Euren Kopf kosten kann, wenn Ihr auch nur daran denkt, der Königin etwas anzutun.«

Mat setzte sein breitestes Grinsen auf. Diese leicht gekrümmte Schwertschneide am Hals zu spüren war kein angenehmes Gefühl. »Ich bin ein loyaler Andoraner«, sagte er, »und ein treuer Untertan der Königin, das Licht sei ihr gnädig. Wenn ich schon im Winter dagewesen wäre, wäre ich sicherlich Lord Gaebril gefolgt.«

Tallanvor sah ihn mit zusammengekniffenen Lippen an und nahm schließlich sein Schwert weg. Mat schluckte und beherrschte sich gerade noch, hochzufahren und nachzuprüfen, ob sein Hals eine Schnittwunde aufwies. Diese Blöße wollte er sich nicht geben.

»Nehmt die Blume aus dem Haar«, sagte Tallanvor, als er sein Schwert in die Scheide steckte. »Glaubt Ihr, als Freier hier erscheinen zu müssen?«

Mat schnappte sich die Blüte und folgte dem Offizier. Verfluchter Narr, sich eine Blume ins Haar zu stecken. Ich muß nun langsam aufhören, den Narren zu spielen. Allerdings konnte man kaum von ›folgen‹ sprechen, denn Tallanvor behielt ihn ständig von der Seite her im Auge, während er ihn hineinführte. So stellten sie eine eigenartige Prozession dar. Der Offizier ging seitlich voraus und halb zu Mat gewandt, falls der etwas versuchen sollte. Was ihn betraf, so bemühte sich Mat, so unschuldig zu wirken, als könne er kein Wässerchen trüben.

Die farbenprächtigen Wandbehänge hatten ihren Webern bestimmt einiges an Silber eingebracht, genau wie die Läufer auf den weißen, gefliesten Fußböden, selbst hier in den Korridoren. Überall stand Gold und Silber herum: Teller und Tabletts, Schüsseln und Becher, auf Truhen oder niedrigen Kommoden aus glänzendem Holz, genauso fein wie alles, was er in der Weißen Burg gesehen hatte. Diener eilten hin und her in ihrer roten Livree mit weißem Kragen und weißen Manschetten und dem Weißen Löwen von Andor auf der Brust. Er ertappte sich bei der Frage, ob Morgase vielleicht gern mit Würfeln spiele. Was für ein wollköpfiger Gedanke. Königinnen beim Würfelspiel! Aber wenn ich ihr diesen Brief gebe und ihr sage, daß jemand hier im Palast nach dem Leben Elaynes trachtet, dann wette ich, daß sie mir eine fette Börse gibt.

Er sonnte sich kurz in der Vorstellung, geadelt zu werden. Sicher konnte doch der Mann, der eine Intrige aufdeckte, die den Mord an der Tochter-Erbin zum Ziel hatte, eine Belohnung erwarten.