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Nur wenn Nynaeve recht hat, gab sie dann aber widerstrebend zu. Hier würde man eine Frau sehr genau beobachten, die den Ring trug oder auch nur mit Tar Valon in Verbindung gebracht wurde. Die barfüßigen Schauerleute in ihren Lederwesten achteten nicht auf die drei Frauen, als sie ihrer Arbeit nachgingen: Ballen oder Kisten auf dem Rücken schleppen oder auf Karren verladen. Der starke Geruch nach Fisch lag in der Luft. An den nächsten drei Kais lagen Dutzende kleiner Fischerboote, so, wie auf jener Zeichnung im Arbeitszimmer der Amyrlin. Männer mit nacktem Oberkörper und barfüßige Frauen hievten Körbe voll mit Fischen aus den Booten, Haufen von Silber und Bronze und Grün und anderen Farben, die sie bei Fischen niemals vermutet hätte — Hochrot und Dunkelblau, leuchtendes Gelb, ja, und manche hatten sogar Streifen oder weiße Flecken und ähnliche Muster.

Sie senkte die Stimme, so daß nur Elayne sie hören konnte: »Sie hat recht. Caryla. Denk daran, warum du Caryla bist.« Sie wollte nicht, daß Nynaeve dieses Eingeständnis hörte, denn wenn ihr so etwas zu Ohren kam, änderte sich ihr Gesichtsausdruck wohl nicht, aber Egwene spürte, wie eine Welle der Befriedigung von ihr ausging.

Gerade wurde Nynaeves schwarzer Hengst auf den Kai heruntergelassen. Die Seeleute hatten das Pferdefutter bereits herübergebracht und einfach auf das nasse Pflaster geworfen. Nynaeve sah die Pferde an und öffnete den Mund. Egwene war sicher, daß sie befehlen wollte, die Pferde zu satteln. Dann schloß sie ihn aber wieder und preßte lediglich die Lippen aufeinander, als habe sie das einige Mühe gekostet. Sie riß wieder einmal an ihrem Zopf. Bevor man noch die Segeltuchschlinge ganz entfernt hatte, warf sie bereits die blaugestreifte Satteldecke auf den Rücken des Schwarzen und hob ihren hochbordigen Sattel nach oben. Sie sah sich nicht einmal nach den anderen beiden Frauen um.

Egwene war in diesem Augenblick keineswegs erpicht darauf zu reiten. Die Bewegungen des Pferdes würden möglicherweise ihren Magen an das Schaukeln des Schiffes erinnern. Doch ein Blick auf die schlammigen Straßen überzeugte sie. Ihre Schuhe waren wohl fest, aber sie versank damit nicht gern im Schlamm oder hielt die ganze Zeit den Rock hochgerafft, um überhaupt richtig laufen zu können. So sattelte sie Nebel schnell, saß auf und strich ihren Rock glatt. Sie mußte sich selbst überrumpeln, sonst hätte sie vielleicht doch die Straßen gar nicht so schlimm gefunden... Auf dem Pelikan hatte diesmal Elayne ein wenig genäht. Die Tochter-Erbin konnte sehr präzise nähen. Sie hatte ihre Röcke alle geteilt und zu Hosenröcken abgenäht, damit sie richtig auf den Pferden sitzen konnte.

Nynaeve erbleichte, als sie sich in den Sattel schwang und der Hengst zur Seite tänzelte. Doch sie beherrschte sich mit zusammengepreßten Lippen, nahm die Zügel fest in die Hände und hatte ihn schnell unter Kontrolle. Als sie schließlich an den Lagerhäusern vorbeigeritten waren, war sie wieder in der Lage, zu sprechen. »Wir müssen Liandrin und die anderen aufspüren, ohne sie erfahren zu lassen, daß wir nach ihnen fragen. Sie wissen sicherlich, daß wir kommen, oder zumindest, daß jemand kommt, aber ich möchte sie nichts von unserer Ankunft wissen lassen, bis es zu spät für sie ist.« Sie holte tief Luft. »Ich gebe zu, mir ist noch nicht eingefallen, wie wir das anstellen sollen. Bisher. Hat eine von euch einen Vorschlag?«

»Ein Diebfänger«, sagte Elayne ohne zu zögern. Nynaeve runzelte die Stirn.

»Meinst du einen wie Hurin?« fragte Egwene. »Aber Hurin handelte im Dienst seines Königs. Jeder Diebfänger hier wird doch sicherlich im Dienst der Hochlords stehen?«

Elayne nickte, und einen Augenblick lang beneidete Egwene die Tochter-Erbin um ihren guten Magen. »Ja, schon. Aber die Diebfänger sind nicht dasselbe wie die Königliche Garde oder in Tear die Verteidiger des Steins. Sie dienen dem Herrscher, aber Leute, die bestohlen wurden, zahlen ihnen manchmal dafür, daß sie ihre gestohlenen Güter wieder besorgen. Und manchmal werden sie auch dafür bezahlt, bestimmte Leute zu suchen. Zumindest ist das in Caemlyn der Fall. Ich glaube nicht, daß es in Tear anders sein wird.«

»Dann nehmen wir uns Zimmer in einer Schenke«, sagte Egwene, »und bitten den Wirt, einen Diebfänger für uns aufzuspüren.«

»Keine Schenke«, sagte Nynaeve so entschlossen, wie sie auch ihren Hengst lenkte. Sie schien das Tier immer vollkommen unter Kontrolle zu haben. Einen Moment später mäßigte sie aber ihren Tonfalclass="underline" »Zumindest Liandrin kennt uns, und wir müssen annehmen, daß uns auch die anderen kennen. Sie werden mit Sicherheit die Schenken überwachen, um zu sehen, wer der Spur folgt, die sie ausgelegt haben. Ich will ihre Falle zum Zuschnappen bringen, aber wir sollten nicht gerade drinstecken. Wir bleiben nicht in einer Schenke.«

Egwene verzichtete auf weitere Fragen.

»Wo dann?« Elayne runzelte die Stirn und dachte angestrengt nach. »Wenn ich mich zu erkennen geben würde, falls mir das überhaupt jemand abnimmt, bei dieser Kleidung und ohne Eskorte, wären wir den meisten Adelshäusern und sogar im Stein selbst willkommene Gäste. Caemlyn und Tear haben sehr gute Beziehungen zueinander. Aber an Geheimhaltung wäre dann nicht zu denken. Es wäre noch am gleichen Abend in der ganzen Stadt bekannt. Mir fällt nichts anderes ein als eben eine Schenke, Nynaeve. Außer, du willst hinaus aufs Land und einen Bauernhof suchen, auf dem wir unterkommen können. Aber vom Land aus finden wir sie nie.«

Nynaeve sah Egwene an. »Ich werde es wissen, wenn ich es sehe. Laßt mich nur machen.«

Elaynes verfinsterte Miene wandte sich erst Nynaeve und dann Egwene zu, und dann wieder der ersten. »Man sollte nicht gerade seine eigenen Ohren abschneiden, weil einem die Ohrringe nicht gefallen«, knurrte sie.

Egwene konzentrierte sich entschlossen auf die Straße, die sie hinabritten. Seng mich, wenn ich zugebe, daß ich keine Ahnung habe!

Es waren, verglichen mit Tar Valon, gar nicht so viele Menschen unterwegs. Vielleicht wurden sie von dem tiefen Schlamm auf den Straßen abgeschreckt. Karren und Wagen rumpelten an ihnen vorbei, die meist von Ochsen mit ausladenden Hörnern gezogen wurden. Die Treiber liefen nebenher und schwenkten lange Stöcke aus irgendeinem hellen, gefurchten Holz. Diese Straßen wurden offensichtlich nicht von Kutschen oder Sänften benützt. Auch hier hing der Geruch nach Fisch in der Luft, und nicht wenige der Männer, die an ihnen vorbeieilten, trugen große Körbe mit Fischen auf dem Rücken. Die Läden wirkten keineswegs wohlhabend. Nirgends lagen Waren aus, und Egwene sah nur wenige Kunden hineingehen. Über den Läden hingen Schilder — Nadel und Tuchballen bei einem Schneider, Messer und Schere bei einem Messerschmied, Webstuhl und ähnliches —, aber bei den meisten blätterte schon die Farbe ab. Auch die Schilder über den wenigen Schenken sahen genauso aus, und Gäste gab es wohl nicht viele. Bei den kleinen Häuschen, die sich zwischen die Schenken und Läden zwängten, fehlten Dachplatten oder Ziegel. Zumindest dieser Teil Tears wirkte arm. Und den Gesichtern nach zu schließen, war es den Menschen gleichgültig. Sie bewegten sich, arbeiteten, aber die meisten hatten wohl aufgegeben. Wenige nur warfen den drei Frauen überhaupt einen Blick zu, die ritten, wo alle anderen zu Fuß gehen mußten.

Die Männer trugen Pumphosen, die gewöhnlich am Knöchel zugeschnürt waren. Nur einige von ihnen trugen Jacken. Die waren lang und dunkel, saßen oben herum eng und wurden nach unten zu weiter. Man sah zwar Männer in Halbschuhen, kaum welche, die Stiefel trugen, doch die meisten gingen barfuß durch den Schlamm. Viele trugen auch weder Jacke noch Hemd. Die Hosen wurden gewöhnlich von einer breiten, meist bunten und oftmals schmutzigen Schärpe gehalten. Einige hatten sich nach oben spitz zulaufende Strohhüte aufgesetzt, während andere Stoffkappen trugen, die ihnen auf einer Seite über das Gesicht herunterhingen. Die Frauenkleider wiesen hohe Krägen auf, die bis zum Kinn reichten, und die Röcke gingen bis zum Fußknöchel. Viele der Frauen hatten Schürzen in blassen Farbtönen darübergebunden, manchmal sogar zwei oder drei, die obere immer etwas kleiner als die darunter. Dazu trugen auch sie die gleichen Strohhüte wie die Männer. Sie hatten sie allerdings gefärbt, damit sie zu den Schürzen paßten.