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Bei einer Frau sah sie dann auch zum erstenmal, wie man hier trotz Schuhen mit dem Schlamm fertig wurde. Die Frau hatte sich kleine Holzklötze unter die Schuhsohlen geschnallt, so daß diese sich zwei Handbreit aus dem Schlamm hoben. Sie lief auf die Art ganz sicher und mit festen Schritten einher. Danach bemerkte Egwene andere, die ebenfalls solche Holzklötze trugen, Männer genau wie Frauen. Auch einige Frauen liefen barfuß, aber nicht so viele wie Männer. Sie fragte sich, in welchen Geschäften man wohl diese Holzklötze kaufen könne, doch dann bog Nynaeve mit ihrem Schwarzen plötzlich in eine Gasse zwischen einem langen, schmalen, zweistöckigen Gebäude und einem von Mauern geschützten Töpferladen ein. Egwene tauschte einen Blick mit Elayne. Die TochterErbin zuckte die Achseln, und so folgten sie ihr. Egwene hatte keine Ahnung, wohin Nynaeve wollte und wieso. Sie würde wohl mit Nynaeve ein ernstes Wörtchen reden müssen. Aber natürlich wollte sie auch nicht von den anderen getrennt werden.

Die Gasse endete plötzlich in einem kleinen Hinterhof, der eingezwängt zwischen den umstehenden Gebäuden lag. Nynaeve war bereits abgestiegen und hatte die Zügel an einen Feigenbaum gebunden, so daß ihr Hengst nicht an das Grünzeug gelangen konnte, das in einem kleinen Gemüsegarten wuchs, der etwa die halbe Fläche des Hinterhofs einnahm. Eine saubere Reihe von Steinen wies den Weg zum Hintereingang. Nynaeve ging zur Tür und klopfte an.

»Was ist los?« fragte Egwene unwillkürlich. »Warum halten wir hier an?«

»Habt ihr die Kräuter im Vorderfenster gesehen?« Nynaeve klopfte noch mal an.

»Kräuter?« fragte Elayne.

»Eine Seherin«, sagte Egwene zu ihr, und sie stieg ab und band Nebel neben Nynaeves Schwarzem an. Gaidin ist kein schöner Name für ein Pferd. Glaubt sie, ich wüßte nicht, wen sie damit meint? »Nynaeve hat eine Seherin oder Sucherin, oder wie sie das hier nennen, aufgespürt.«

Eine Frau öffnete die Tür einen Spaltbreit und blickte mißtrauisch hinaus. Zuerst glaubte Egwene, sie sei mager, aber dann machte die Frau die Tür vollends auf. Sie war recht gut gepolstert, wie sich jetzt zeigte, aber ihre Bewegungen zeugten von beachtlichen Muskeln. Sie wirkte genauso kräftig wie Frau Luhhan, und ein paar Leute in Emondsfeld behaupteten ja, Alsbet Luhhan sei fast genauso stark wie ihr Mann. Es stimmte wohl nicht, war aber doch auch nicht so weit von der Wahrheit entfernt.

»Wie kann ich Euch helfen?« fragte die Frau in einem Akzent ähnlich dem der Amyrlin. Ihr graues Haar hing ihr in dichten Locken fast bis auf die Schultern, und ihre drei Schürzen waren grün, jede etwas dunkler als die darunter, doch selbst die oberste nur blaßgrün. »Welche von Euch braucht mich?«

»Ich«, sagte Nynaeve. »Ich brauche etwas gegen Übelkeit. Und eine meiner Begleiterinnen möglicherweise auch. Falls wir hier überhaupt richtig sind?«

»Ihr kommt nicht aus Tear«, sagte die Frau. »Das hätte ich eigentlich schon an Eurer Kleidung sehen müssen, bevor ich Euch sprechen hörte. Man nennt mich Mutter Guenna. Man bezeichnet mich auch als Weise Frau, aber ich bin alt genug, um auf solche Schmeicheleien nichts zu geben. Kommt herein, und ich gebe Euch etwas für Euren Magen.«

Es war eine saubere, ordentliche Küche, in die sie geführt wurden. Sie war nicht groß, an der Wand hingen Kupfertöpfe, und an der Decke waren getrocknete Kräuter und Würste aufgehängt. Die Türen mehrerer großer Schränke aus hellem Holz trugen Schnitzereien, die irgendeine Art von hohem Gras darstellten. Die Tischfläche war fast weiß vom Scheuern. Die Stuhlrücken waren mit Blumenmustern verziert. Ein Topf mit einer nach Fisch riechenden Suppe köchelte auf dem Herd vor sich hin und dazu ein geschlossener Kessel mit einem Stutzen zum Ausgießen, der gerade zu dampfen begann. Im gemauerten Kamin brannte kein Feuer, und dafür war Egwene mehr als dankbar. Der Herd gab schon genug Hitze ab. Mutter Guenna schien das allerdings gar nicht zu bemerken. Auf dem Sims stand Geschirr und weiteres in den Regalen zu beiden Seiten. Der Fußboden sah aus, als sei er frisch gefegt worden.

Mutter Guenna schloß die Tür hinter ihnen, und während sie durch die Küche zu einem ihrer Schränke ging, fragte Nynaeve: »Welchen Tee wollt Ihr mir geben?

Kettenblatt? Oder Blauwarz?«

»Würde ich schon, wenn ich eines davon hätte.« Mutter Guenna kramte einen Augenblick lang in dem Schrank und holte dann ein Steingefäß heraus. »Da ich in letzter Zeit keine Gelegenheit hatte, etwas zu sammeln, werde ich Euch einen Aufguß von Sumpfweißchenblättern geben.«

»Das kenne ich nicht«, sagte Nynaeve bedächtig.

»Es wirkt genauso gut wie Kettenblatt, aber der Geschmack ist ein wenig beißend, und das mögen halt viele nicht.« Die große Frau zerbröselte getrocknete und zerteilte Blätter in eine blaue Teekanne hinein und trug sie zum Herd hinüber, um das Gemisch mit heißem Wasser aufzugießen. »Seid Ihr denn auch auf diesem Gebiet tätig? Setzt Euch.« Sie deutete mit einer Hand, in der sie zwei blauglasierte Teetassen hielt, die sie vom Kaminsims genommen hatte, auf den Tisch. »Setzt Euch, und wir unterhalten uns. Welcher von Euch ist es auch übel?«

»Mir geht's gut«, sagte Egwene leichthin, als sie sich einen Stuhl heranholte. »Ist dir schlecht, Caryla?« Die Tochter-Erbin schüttelte unwillig den Kopf.

»Spielt keine Rolle.« Die grauhaarige Frau goß Nynaeve eine Tasse der dunklen Flüssigkeit ein und setzte sich dann ihr gegenüber an den Tisch. »Ich habe genug für zwei gemacht, aber Tee aus Sumpfweißchenblättern hält sich länger als Stockfisch. Er wirkt auch besser, wenn er abgestanden ist, wenn er auch dabei ein wenig bitterer wird. Die Frage ist: Wieviel braucht Ihr, um Euren Magen zu beruhigen, und wieviel könnt Ihr eurer Zunge zumuten? Trinkt, Mädchen.« Einen Augenblick später goß sie die zweite Tasse ein und nippte selbst daran. »Seht Ihr? Es tut nicht weh.«

Nynaeve hob ihre Tasse, und beim ersten Schluck seufzte sie angewidert. Als sie die Tasse wieder abstellte, sah man ihr aber nichts mehr an. »Es schmeckt halt nur ein wenig bitter. Sagt mir, Mutter Guenna, wird es noch lange andauern, daß wir diesen Regen und Matsch ertragen müssen?«

Die alte Frau runzelte die Stirn und verteilte dann wenig erfreute Blicke an alle drei Frauen. Schließlich sah sie wieder Nynaeve an. »Ich bin kein Windsucher des Meervolks, Mädchen«, sagte sie ruhig. »Wenn ich das Wetter vorhersagen könnte, würde ich mir lieber lebendige Hechte ins Kleid stecken, als es zugeben. Die Verteidiger betrachten diese Art von Dingen als beinahe so schlimm wie das, was die Aes Sedai tun. Also, seid Ihr im gleichen Gewerbe tätig oder nicht? Ihr seht aus, als wärt Ihr weit gereist. Was ist gut gegen Erschöpfung?« fuhr sie plötzlich Nynaeve an.

»Plattwurztee«, antwortete Nynaeve gelassen, »oder Andilay-Wurzel. Da Ihr schon fragt, was würdet Ihr denn tun, um eine Geburt zu erleichtern?«

Mutter Guenna schnaubte: »Gewärmte Handtücher auflegen, Kind, und vielleicht ein wenig Weißfenchel geben, falls die Geburt außergewöhnlich schwer ist. Mehr braucht eine Frau nicht, außer einer lindernden Hand. Könnt Ihr euch nicht eine Frage ausdenken, die nicht jede Bauersfrau beantworten kann? Was gebt Ihr bei Herzschmerzen? Bei den wirklich tödlichen?«

»Zerstoßene Gheandin-Blüte auf die Zunge«, sagte Nynaeve knapp. »Wenn eine Frau stechende Magenschmerzen hat und Blut im Speichel, was tut Ihr dann?«

So überprüfte nun jede die andere. Schneller und schneller jagten sich Fragen und Antworten. Manchmal wurde das Frage-und-Antwort-Spiel kurz unterbrochen, wenn eine von einer Pflanze sprach, die die andere nur unter einem anderen Namen kannte, aber dann wurden sie wieder schneller, erörterten die Vorteile von Tinkturen gegenüber Aufgüssen, Salben gegenüber Packungen, und wann das eine oder das andere besser sei. Langsam häuften sich die Fragen zu Kräutern und Wurzeln, die einer bekannt und der anderen unbekannt waren. Beide waren äußerst lernbegierig. Egwene wurde beim Zuhören ganz kribbelig.