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»Nachdem man einen Knochen gerichtet hat«, sagte Mutter Guenna, »wickelt man das gebrochene Glied in nasse Handtücher. In dem Wasser, das man in die Handtücher ziehen läßt, hat man vorher blaue Ziegenblumen ausgekocht — nur die blauen aber, das ist wichtig!« Nynaeve nickte ungeduldig. »Und der Wickel muß so heiß sein, daß es gerade noch auszuhalten ist. Ein Teil blaue Ziegenblumen auf zehn Teile Wasser. Schwächer darf es nicht sein. Sobald die Handtücher nicht mehr dampfen, muß man den Wickel erneuern, und das den ganzen Tag lang. Der Knochen wird doppelt so schnell heilen und wird auch doppelt so fest danach.«

»Das werde ich mir merken«, sagte Nynaeve. »Ihr habt erwähnt, daß Ihr Schafszungenwurz gegen Augenschmerzen verwendet. Ich habe noch nie gehört... «

Egwene hielt es nicht länger aus. »Maryim«, unterbrach sie die beiden, »glaubst du wirklich, daß du all dieses Wissen noch jemals benötigen wirst? Du bist keine Seherin mehr, oder hast du das vergessen?«

»Ich habe überhaupt nichts vergessen«, sagte Nynaeve in scharfem Ton. »Ich erinnere mich an Zeiten, wo du genauso darauf aus warst, alles Neue zu lernen, wie ich.«

»Mutter Guenna«, fragte Elayne übertrieben freundlich, »was gebt Ihr zwei Frauen, die mit dem Streiten nicht aufhören können?«

Die grauhaarige Frau spitzte die Lippen und blickte nachdenklich die Tischplatte an. »Normalerweise, ob es sich nun um Männer oder Frauen dreht, rate ich ihnen, sich voneinander fernzuhalten. Das ist am besten und am einfachsten.«

»Normalerweise?« hakte Elayne nach. »Und wenn sie einen Grund haben, warum sie sich nicht voneinander fernhalten können? Wenn sie beispielsweise Schwestern sind?«

»Ich habe schon ein Mittel, um jemanden zu bremsen, der streitsüchtig ist«, sagte die große Frau bedächtig. »Es ist nichts, was ich jemandem weiterempfehlen würde, aber manche kommen halt damit zu mir.« Egwene glaubte, die Andeutung eines Lächelns um ihre Lippen spielen zu sehen. »Ich verlange von beiden Frauen je eine Silbermark. Bei Männern zwei, denn Männer machen mehr Aufhebens. Außerdem kaufen manche Leute einfach alles, wenn der Preis hoch genug ist.«

»Aber was ist nun das Heilmittel?« fragte Elayne.

»Ich sage ihnen, daß sie ihre Kontrahentin hierher mitbringen müssen. Beide erwarten, daß ich die andere zur Ruhe bringe.« — Unwillkürlich lauschte Egwene doch. Sie bemerkte, daß auch Nynaeve ganz genau aufpaßte. »Wenn sie mich bezahlt haben«, fuhr Mutter Guenna fort, und dabei streckte sie einen kräftigen Arm aus und spannte ihre Muskeln an, »bringe ich sie hinten auf den Hof hinaus und stecke ihre Köpfe solange in meine Regentonne, bis sie sich darauf einigen, mit der Streiterei aufzuhören.«

Elayne lachte schallend los.

»Ich glaube, etwas Ähnliches hätte ich an Eurer Stelle auch getan«, sagte Nynaeve in etwas zu lockerem Tonfall. Egwene hoffte, ihr Gesichtsausdruck sähe dem Nynaeves nicht zu ähnlich.

»Das würde mich keineswegs überraschen.« Mutter Guenna grinste jetzt ganz offen. »Ich sage ihnen, wenn ich wieder höre, daß sie sich streiten, mache ich es für sie umsonst, aber ich benütze den Fluß dafür. Es ist bemerkenswert, wie gut diese Kur wirkt, besonders bei Männern. Aus irgendeinem Grund erzählt keine der Personen, die ich auf diese Art geheilt habe, anderen die Einzelheiten meiner Kur. Deshalb fragt mich alle paar Monate jemand danach. Wenn man dumm genug war, Schlammspringer zu essen, rennt man nicht herum und erzählt es allen Leuten. Ich nehme an, keine von Euch will eine Silbermark ausgeben?«

»Ich glaube nicht«, sagte Egwene, und sie blickte Elayne finster an, die schon wieder in Gelächter ausbrach.

»Gut«, sagte die grauhaarige Frau. »Diejenigen, die ich von ihrer Streitsucht kuriere, scheinen mich später zu meiden wie Nesseltang im Netz, außer, sie werden wirklich krank, und ich genieße Eure Anwesenheit. Die meisten, die zur Zeit kommen, wollen etwas haben, um ihre Alpträume zu verscheuchen, und sie werden böse, wenn ich ihnen nichts dagegen geben kann.« Einen Augenblick lang runzelte sie wieder die Stirn und rieb ihre Schläfen. »Es tut gut, drei Gesichter zu sehen, die nicht wirken, als ob alles zu spät sei und nichts anderes mehr bliebe, als ins Wasser zu gehen. Falls Ihr länger in Tear bleibt, müßt Ihr mich unbedingt wieder besuchen. Das Mädchen hat Euch Maryim genannt? Ich heiße Ailhuin. Beim nächsten Mal trinken wir einen guten Tee von den Inseln des Meervolks, wenn wir uns unterhalten, und nichts, was einem beim Trinken die Strümpfe auszieht. Licht, ich hasse den Geschmack von Sumpfweißchen; Schlammspringer schmecken da noch besser. Und falls Ihr jetzt noch Zeit habt, ein wenig zu bleiben, brühe ich uns einen Schwarzen von Tremalking. Es ist auch nicht mehr lang, bis das Essen fertig ist. Ich habe nur Brot und Suppe und Käse, aber Ihr seid herzlich willkommen.«

»Das wäre sehr schön, Ailhuin«, sagte Nynaeve. »Es ist so... Ailhuin, falls Ihr ein Zimmer übrig habt, dann würde ich das gern für uns drei mieten.«

Die große Frau sah eine nach der anderen schweigend an. Dann stand sie auf, stellte die Kanne mit dem Sumpfweißchentee in den Kräuterschrank und holte aus einem anderen eine rote Teekanne und einen Beutel heraus. Erst nachdem sie ihnen eine Kanne mit schwarzem Tee von Tremalking gebraut, vier frische Tassen und eine Schüssel Honigscheiben sowie Zinnlöffel dafür auf den Tisch gestellt und wieder Platz genommen hatte, sprach sie weiter: »Ich habe oben drei leerstehende Schlafzimmer, da meine Töchter alle verheiratet sind. Mein Mann, das Licht sei ihm gnädig, ist seit einem Sturm bei den Fingern des Drachen vor beinahe zwanzig Jahren verschollen. Ich will auch nichts von mieten hören, wenn ich Euch die Zimmer überlasse. Falls ich das mache, Maryim.« Sie verrührte Honig in ihren Tee und musterte sie wieder.

»Was kann Euch die Entscheidung erleichtern?« fragte Nynaeve leise.

Ailhuin rührte weiter, als habe sie zu Trinken vergessen. »Drei junge Frauen auf guten Pferden. Ich weiß nicht viel über Pferde, aber die hier sehen meiner Meinung nach so aus, wie die von Lords und Ladies. Ihr, Maryim, versteht genug von meinem Gewerbe, daß Ihr euch längst auch Kräuter ins Fenster hättet hängen oder zumindest überlegen sollen, wo Ihr euch selbständig macht. Ich habe noch nie gehört, daß eine Frau dieses Gewerbe sehr weit von ihrem Geburtsort entfernt betreibt, aber Eurem Akzent nach zu schließen, kommt Ihr von weit her.« Sie sah Elayne an. »Es gibt Haar von dieser Farbe nicht gerade häufig. Eurer Sprache nach würde ich auf Andor tippen. Die närrischen Männer quatschen immer davon, daß sie ein Mädchen mit gelbem Haar aus Andor haben wollen. Ich möchte gern wissen, warum Ihr hier seid? Seid Ihr vor irgend etwas weggerannt? Oder rennt Ihr hinter jemandem her? Nur, Ihr wirkt nicht gerade wie Diebinnen auf mich und ich habe auch noch nie gehört, daß drei Frauen hinter dem gleichen Mann her sind. Also nennt mir Eure Gründe, und wenn mir danach ist, habt Ihr die Zimmer. Wenn Ihr etwas bezahlen wollt, dann kauft meinetwegen hin und wieder ein Stück Fleisch. Fleisch ist teuer, seit der Handel mit Cairhien zum Erliegen kam. Aber zuerst: Warum, Maryim?«

»Wir jagen etwas, Ailhuin«, sagte Nynaeve. »Oder besser, wir verfolgen einige Leute.« Egwene zwang sich zur Ruhe und hoffte, dabei genauso erfolgreich zu sein wie Elayne, die ihren Tee schlürfte, als lausche sie einem Gespräch über Kleider. Egwene glaubte nicht, daß den dunklen Augen Ailhuin Guennas viel entging. »Sie haben Sachen gestohlen, Ailhuin«, fuhr Nynaeve fort. »Von meiner Mutter. Und sie haben gemordet. Wir sind hier, um Gerechtigkeit zu üben.«

»Seng meine Seele«, sagte die große Frau. »Habt Ihr denn keine Männer in der Familie? Männer sind wohl die meiste Zeit über zu nicht viel gut außer, schwere Sachen zu tragen und einem im Weg zu stehen, na ja, und zum Küssen und so, aber wenn es eine Schlacht zu bestehen oder einen Dieb zu fangen gilt, würde ich das ihnen überlassen. Andor ist doch genauso zivilisiert wie Tear. Ihr seid keine Aiel.«