Выбрать главу

Thom nahm die Pfeife aus dem Mund und strich sich über den Schnurrbart. »Ziemlich lange schon nicht mehr. Morgase hat mich damals ungefähr jedes zweite Mal geschlagen. Man sagt ja, gute Offiziere und gute Spieler des Großen Spiels seien auch gut bei solchen Brettspielen. Das trifft alles auf sie zu, und ich wette, sie könnte auch ein Heer in der Schlacht führen.«

»Möchtest du nicht lieber noch ein wenig würfeln? Das hier dauert immer so lange.«

»Ich suche lieber hier meine Gelegenheit zu gewinnen. Beim Würfeln würde ich vielleicht einmal bei neun oder zehn Würfen gewinnen«, sagte der weißhaarige Mann trocken.

Mat sprang hastig auf, als die Tür aufschlug und Kapitän Derne hereinkam. Der Mann mit dem kantigen Gesicht riß sich den Umhang von den Schultern und schüttelte erst einmal das Wasser heraus. Er fluchte leise in sich hinein. »Das Licht soll meine Knochen versengen, aber ich weiß nicht, wieso ich Euch jemals die Segler chartern ließ. Immer wollt Ihr noch schneller vorankommen, ob in der dunkelsten Nacht oder bei schwerstem Regen. Schneller. Immer noch schneller! Wir hätten schon hundertmal auf eine blutige Schlammbank laufen können!«

»Ihr wolltet das Gold haben«, sagte Mat grob. »Ihr habt behauptet, dieser alte Holzhaufen sei schnell, Derne. Wann erreichen wir Tear?«

Der Kapitän lächelte verkrampft. »Wir machen gerade eben am Kai von Tear fest. Und ich will ein verdammter Bauer sein, wenn ich mich jemals wieder zu so etwas überreden lasse! Also, wo ist der Rest von meinem Gold?«

Mat eilte zu einem der kleinen Fenster und spähte hinaus. Im grellen Licht der Blitze konnte er eine nasse Hafenmauer erkennen und sonst nichts. Er zog den zweiten Beutel mit Gold aus der Tasche und warf ihn Derne zu. Wer hat je von einem Flußschiffer gehört, der nicht würfeln wollte? »Wird auch Zeit«, grollte er. Licht, gib, daß es nicht zu spät ist.

Er hatte seine gesamte Ersatzkleidung mitsamt den Decken in die Ledertasche gestopft, und die hängte er sich um. Auf die andere Seite kam die Rolle mit Feuerwerkskörpern, an der er einfach eine Schnur befestigt hatte. Sein Umhang kam über alles drüber, auch wenn er vorn ein Stückchen offenstand. Besser, er wurde naß, als die Feuerwerkskörper. Er würde wieder trocknen, ohne Schaden zu erleiden, doch ein Versuch mit einem Eimer hatte bewiesen, daß die Feuerwerkskörper Nässe nicht überstanden. Ich schätze, Rands Pa hat recht gehabt. Mat hatte immer geglaubt, der Gemeinderat habe das Feuerwerk nicht im Regen hochgehen lassen, weil es an einem klaren Abend viel besser sichtbar sein würde.

»Bist du nicht langsam soweit, die Dinger zu verkaufen?« Thom legte sich den Gauklerumhang um. Er bedeckte seine Instrumente in ihren Lederbehältern, aber das Bündel mit Kleidung und Decken hängte er obendrauf über seinen Rücken.

»Erst, wenn ich herausbekommen habe, wie sie funktionieren, Thom. Außerdem, denk mal, was für ein Spaß das wird, wenn ich sie alle loslasse.«

Der Gaukler schauderte. »Solange du nicht alle auf einmal abschießt, Junge. Solange du sie nicht beim Abendessen in den Kamin wirfst. Das traue ich dir zu, so, wie du dich seither benommen hast. Du hattest Glück, daß uns der Kapitän vor zwei Tagen nicht vom Schiff geworfen hat.«

»Das hätte er nicht«, lachte Mat. »Nicht, solange er noch einen Beutel Gold zu bekommen hatte. Ja, Derne?«

Derne ließ den Beutel in seiner Hand hüpfen. »Ich habe zuvor nicht danach gefragt, aber jetzt habt Ihr mir das Gold gegeben und nehmt es auch nicht mehr zurück. Worum geht es hier eigentlich? Warum diese verfluchte Eile?«

»Eine Wette, Derne.« Gähnend nahm Mat seinen Bauernspieß in die Hand und war landfertig. »Eine Wette.«

»Eine Wette?« Derne sah den schweren Beutel an. Der andere, genauso schwere, war in seiner Geldtruhe verstaut. »Da muß aber ein verdammtes Königreich auf dem Spiel stehen!«

»Mehr als das«, sagte Mat.

Der Regen prasselte so stark auf das Deck nieder, daß Mat nicht einmal die Laufplanke sehen konnte, außer, wenn gerade ein neuer Blitz über die Stadt hinwegzuckte.

Das Trommeln und Rauschen des Wolkenbruchs ließ ihn keinen klaren Gedanken fassen. Aber wenigstens konnte er Lichter in Fenstern ein Stück die Straße hinunter erkennen. Dort würde es sicherlich Schenken geben. Der Kapitän war nicht mehr mit an Deck gekommen, um sie zu verabschieden, und auch niemand von der Besatzung war draußen im Regen geblieben. Mat und Thom marschierten allein zum Kai hinüber.

Mat fluchte, als seine Stiefel in den Schlamm der Straße einsanken, aber das half nun nichts. Also ging er mühsam weiter, so schnell er konnte. Das Ende seines Stocks blieb bei jedem Schritt im Matsch stecken. Die Luft roch trotz des Regens nach Fisch und Fäule. »Wir suchen uns eine Schenke«, sagte er laut, daß man ihn hören konnte, »und dann mache ich mich auf die Suche.«

»Bei diesem Wetter?« schrie Thom zurück. Regen rann ihm über das Gesicht, aber es war ihm wichtiger, daß seine Instrumentenbehälter trocken blieben, als sein Gesicht.

»Comar hat Caemlyn vielleicht schon vor uns verlassen. Wenn er ein gutes Pferd hatte und nicht solche lahmen Krähen wie wir, kann er sich einen ganzen Tag vor uns in Aringill eingeschifft haben. Ich weiß nicht, wieviel von diesem Vorsprung wir durch diesen Idioten Derne aufgeholt haben.«

»Es war eine schnelle Fahrt«, räumte Thom ein. »Die Segler hat ihrem Namen alle Ehre gemacht.«

»Wie auch immer, Thom, Regen oder nicht: Ich muß ihn finden, bevor er Egwene und Nynaeve und Elayne findet.«

»Ein paar Stunden mehr machen auch keinen Unterschied, Junge. In einer Stadt von der Größe Tears gibt es Hunderte von Schenken. Außerhalb der Mauer stehen vielleicht noch mal hundert mehr, und manche davon werden klein sein und kaum mehr als ein Dutzend Zimmer vermieten. So klein jedenfalls, daß wir an ihnen vorbeilaufen und gar nicht merken würden, daß sie da sind.« Der Gaukler zog die Kapuze an seinem Umhang noch ein wenig weiter nach vorn und knurrte in sich hinein: »Es wird Wochen dauern, um alle abzusuchen. Aber Comar wird genauso Wochen brauchen. Wir können die Nacht in Sicherheit vor dem Regen verbringen. Du kannst jede übriggebliebene Münze darauf verwetten, daß Comar nicht hier draußen ist.«

Mat schüttelte den Kopf. Eine winzige Schenke mit einem Dutzend Zimmer. Bevor er Emondsfeld verlassen hatte, war die Schenke ›Zur Weinquelle‹ das größte Gebäude gewesen, das er jemals gesehen hatte. Er zweifelte daran, daß Bran al'Vere mehr als ein Dutzend Zimmer zu vermieten hatte. Egwene hatte mit ihren Eltern und ihren Schwestern in den vorderen Zimmern im zweiten Stock gewohnt. Seng mich, manchmal glaube ich, keiner von uns hätte Emondsfeld verlassen sollen. Aber Rand hatte wohl nicht anders gekonnt, und Egwene wäre möglicherweise gestorben, wenn sie nicht nach Tar Valon gekommen wäre. Und jetzt stirbt sie vielleicht, weil sie dorthin ging. Er glaubte nicht, sich noch einmal an das Bauernleben gewöhnen zu können. Kühe und Schafe konnten ganz gewiß nicht Zocken. Aber Perrin hatte noch eine Möglichkeit, nach Hause zu gehen. Geh heim, Perrin, dachte er unwillkürlich. Geh heim, solange du noch kannst. Er schüttelte sich. Narr! Warum sollte er? Er dachte an ein Bett, schob den Gedanken aber beiseite. Noch nicht.

Blitze zuckten über den Himmel, gleich drei gezackte Lichtspuren auf einmal, und sie warfen ihr grelles Licht auf ein schmales Haus, bei dem in den Fenstern Kräuterbündel zu hängen schienen. Daneben befand sich ein Laden, dicht verrammelt natürlich, aber es war anscheinend ein Töpfergeschäft, dem Schild mit den Schüsseln und Tellern nach zu schließen. Gähnend zog er die Schultern des Regens wegen noch mehr ein und bemühte sich, die Stiefel etwas schneller aus dem Matsch der Straße zu ziehen.