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»Ein Mann sollte sein Schicksal in beide Hände nehmen«, sagte sie lächelnd. Dieses Lächeln reichte beinahe aus, um ihm warm werden zu lassen. Sie war hochgewachsen, und nur eine Handbreit fehlte, um ihm direkt in die Augen blicken zu können. Silberne Kämme steckten in rabenschwarzem Haar. Ein breiter Gürtel aus silbernen Einzelgliedern umspannte eine Taille, die er mit seinen Händen hätte umfassen können.

»Ja«, flüsterte er. In seinem Innern stritt Überraschung gegen Zustimmung. Er brauchte keinen Ruhm. Aber wenn sie es sagte, gab es nichts Erstrebenswerteres. »Ich meine...« Das Gemurmel bohrte in seinem Kopf. »Nein!« Es war weg, und genauso war für den Moment jedenfalls alle Zustimmung verflogen. Beinahe. Er hob eine Hand zum Kopf und berührte den Helm. Er nahm ihn ab. »Ich... glaube nicht, daß ich das brauche. Es gehört mir nicht.«

»Ihr wollt es nicht?« Sie lachte. »Welcher Mann, in dessen Adern Blut strömt, wollte keinen Ruhm? Genausoviel Ruhm, als hättet Ihr das Horn von Valere geblasen.«

»Ich nicht«, sagte er, und ein Teil von ihm schrie auf und bezichtigte ihn der Lüge. Das Horn von Valere. Das Horn erklang, und der wilde Angriff begann. Der Tod ritt neben ihm, und trotzdem wartete auch sie dort auf ihn. Seine Geliebte. Sein Verhängnis. »Nein! Ich bin ein Schmied.«

Ihr Lächeln war mitleidig. »Was für ein bescheidener Wunsch. Ihr müßt denen nicht gehorchen, die Euch von Eurem Schicksal abbringen wollen. Sie würden Euch erniedrigen, demütigen, Euch zerstören. Sich dem Schicksal entgegenzustemmen bringt nur Schmerz. Warum den Schmerz suchen, wenn Ihr den Ruhm haben könnt? Wenn Euer Name neben denen aller Helden der Legende erklingen kann?« »Ich bin kein Held.«

»Ihr wißt nicht einmal die Hälfte darüber, was Ihr seid. Oder was Ihr sein könntet. Kommt, trinkt einen Becher mit mir auf das Schicksal und den Ruhm.« In der Hand hielt sie einen glänzenden Silberbecher, der mit blutrotem Wein gefüllt war. »Trinkt!«

Er sah den Becher mit gerunzelter Stirn an. Es war etwas... Vertrautes daran. Ein Knurren nagte an seinem Gehirn. »Nein!« Er kämpfte sich davon frei, wollte nicht hinhören. »Nein!«

Sie hielt ihm den goldenen Becher hin. »Trinkt!«

Golden? Ich dachte, der Becher sei... Er war... Der Rest des Gedankens entglitt ihm. Doch in seine Verwirrung hinein erklang der Laut in seinem Kopf erneut, nagend, auffordernd. »Nein«, sagte er. »Nein!« Er sah den goldenen Helm in seinen Händen an und warf ihn weg. »Ich bin Schmied. Ich bin... « Der Laut in seinem Kopf kämpfte gegen ihn an, näherte sich der Stärke, mit der er hörbar wurde. Er wickelte die Arme um den Kopf, um ihn auszusperren, und sperrte ihn damit nur ein. »Ich-bin-ein-Mensch!« schrie er.

Dunkelheit umgab ihn, doch ihre Stimme folgte ihm und flüsterte: »Die Nacht ist immer da, und alle Menschen träumen. Besonders Ihr, mein Wilder. Und ich werde immer in Euren Träumen sein.«

Stille.

Er senkte die Arme. Er war wieder in seinen eigenen Mantel und seine Hosen gekleidet, fest und von gutem Stoff, wenn auch einfach. Passende Kleidung für einen Schmied oder jeden Landmann. Doch er bemerkte sie kaum.

Er stand auf einer Steinbrücke mit niedrigem Geländer, die sich von einer oben abgeflachten Säule zu einer anderen schwang. Die Säulen erhoben sich aus einem Abgrund, dessen Boden er nicht erkennen konnte. Der Lichtschein wäre für andere Augen sowieso schon zu trüb gewesen, und selbst er konnte nicht erkennen, woher er kam. Er war einfach da. Wohin er auch blickte, nach links oder rechts, nach oben oder unten, überall sah er weitere Brücken, weitere Säulen und Rampen ganz ohne Geländer. Es schien kein Ende zu geben und kein feststellbares Muster. Noch schlimmer: Einige der Rampen schwangen sich hoch zu den Spitzen von Säulen, die sich genau über denen befinden mußten, von denen die Rampen ausgingen. Tropfendes Wasser warf Echos in diesen riesigen Raum. Der Laut schien von überall her gleichzeitig zu kommen. Er zitterte vor Kälte.

Plötzlich nahm er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr, und automatisch duckte er sich hinter das Steingeländer. Es lag eine Gefahr darin, gesehen zu werden. Er wußte nicht, warum, nur, daß es stimmte. Er wußte es eben.

Vorsichtig spähte er über das Geländer und suchte nach dem Ursprung der Bewegung. Auf einer fernen Rampe blitzte es weiß auf. Eine Frau, da war er sicher, aber er konnte sie nicht recht erkennen. Eine Frau in einem weißen Kleid, die irgendwohin eilte.

Plötzlich erschien auf einer Brücke gleich unter ihm und damit viel näher, als sich die Frau befunden hatte, ein Mann, groß und dunkel und schlank. Das Silber in seinem schwarzen Haar ließ ihn würdevoll wirken. Sein dunkelgrüner Mantel war überall mit goldenen Blättern bestickt. Goldzierat bedeckte seinen Gürtel und die Börse, und auf der Scheide seines Dolches schimmerten Edelsteine. Seine Stiefelschäfte hatten oben einen goldenen Rand. Wo war er hergekommen?

Ein weiterer Mann betrat von der anderen Seite her die Brücke, genauso überraschend wie der erste. Schwarze Streifen zogen sich durch die bauschigen Ärmel seines roten Mantels, und an Kragen und Manschetten hingen dichte, blasse Spitzen herunter. Seine Stiefel waren so mit Silber verziert, daß man kaum noch Leder sah. Er war kleiner als der Mann, dem er entgegenging, breitschultriger, und sein kurzgeschnittenes Haar war so weiß wie die Spitzen, die er trug. Das Alter machte ihn aber keineswegs gebrechlich. Er schritt mit dem gleichen Ausdruck arroganter Kraft dahin wie der andere Mann. Die beiden näherten sich einander sehr vorsichtig. Wie zwei Pferdehändler, die wissen, daß einer dem anderen eine lahme Stute andrehen will, dachte Perrin.

Die Männer begannen, miteinander zu sprechen. Perrin spitzte die Ohren, aber über all das Klatschen der Wassertropfen hinweg konnte er nur ein Gemurmel hören. Düstere und gar zornige Blicke und abrupte Bewegungen, als wollten sie zuschlagen. Sie trauten einander nicht. Er glaubte sogar, daß sie einander haßten.

Er blickte hoch und suchte nach der Frau, doch sie war verschwunden. Als er wieder hinuntersah, hatte sich ein weiterer Mann zu den beiden anderen gesellt. Und irgendwie, irgendwoher, kannte ihn Perrin. Es war wie eine Erinnerung an etwas lange Vergangenes. Ein gutaussehender Mann von mittleren Jahren, in beinahe schwarzen Samt mit weißen Spitzen gekleidet. Eine Schenke, dachte Perrin. Und noch etwas davor. Etwas... Vor langer, langer Zeit schien das alles gewesen zu sein. Aber die Erinnerung stellte sich nicht ein.

Die beiden ersten Männer standen nun Seite an Seite, als habe die Gegenwart des Neuankömmlings sie zu unfreiwillig Verbündeten gemacht. Er schrie sie an und drohte mit der Faust, während sie nervös von einem Fuß auf den anderen traten und seinen Blick mieden. Wenn die beiden sich auch haßten, so fürchteten sie ihn noch mehr.

Seine Augen, dachte Perrin. Was ist so seltsam an seinen Augen?

Der große, dunkelhaarige Mann begann zu widersprechen; zuerst zögernd und dann immer heftiger. Der Weißhaarige schloß sich ihm an, und plötzlich zerbrach ihr zeitweiliges Bündnis. Alle drei schrien sich gleichzeitig an — jeder die beiden anderen. Mit einem Mal breitete der Mann in dunklem Samt die Arme aus, als wolle er den Streit abbrechen. Und ein sich ausdehnender Feuerball hüllte sie ein, verbarg sie, wuchs und wuchs.

Perrin wickelte die Arme schützend um seinen Kopf und ließ sich hinter das Steingeländer fallen. Dort kauerte er, während der Wind ihn zauste und an seiner Kleidung riß. Der Wind war heiß wie Feuer. Der Wind war Feuer. Selbst mit geschlossenen Augen konnte er es sehen. Flammen umschlossen alles, drangen durch alles hindurch. Der Feuersturm durchraste auch ihn. Er konnte ihn fühlen, wie er brannte und zog und versuchte, ihn zu verschlingen und die Asche zu verstreuen. Er schrie, klammerte sich an sein Leben und wußte doch, daß es nicht reichte.