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»Frau... äh... Frau Maryim«, stotterte Sandar, als er das Gleichgewicht wiedergewonnen hatte. »Ich habe... nach Euch gesucht.« Er lächelte sie nervös an. »Seid Ihr zornig? Warum seht Ihr mich so finster an?«

Sie glättete die Falten auf ihrer Stirn. »Ich habe nicht Euretwegen so finster geschaut, Meister Sandar. Dieser Metzger... Na ja, es spielt keine Rolle. Warum habt Ihr mich gesucht?« Ihr stockte der Atem. »Habt Ihr sie gefunden?«

Er sah sich um, als verdächtige er jeden Passanten, ihr Gespräch zu belauschen. »Ja. Ja, Ihr müßt mit mir zurückkommen. Die anderen warten schon. Die anderen. Und Mutter Guenna.«

»Warum seid Ihr so nervös? Euer Interesse an ihnen ist doch wohl hoffentlich nicht bemerkt worden?« fragte sie in scharfem Ton. »Was hat Euch solche Angst eingejagt?«

»Nein! Nein, Frau Maryim, ich — ich habe mich nicht verraten.« Sein Blick blieb unstet. Er trat näher zu ihr heran, und seine Stimme wurde zu einem heiseren, eindringlichen Flüstern: »Diese Frauen, die Ihr sucht, sind im Stein! Gäste eines Hochlords! Des Hochlords Samon! Warum habt Ihr sie als Diebinnen bezeichnet? Gäste des Hochlords Samon!« preßte er entsetzt hervor. Auf seinem Gesicht stand der Schweiß.

Im Stein! Bei einem Hochlord! Licht, wie können wir dort an sie herankommen? Sie unterdrückte mit einer Gewaltanstrengung ihre Ungeduld. »Entspannt Euch«, sagte sie in beruhigendem Ton. »Beruhigt Euch, Meister Sandar. Wir können Euch alles erklären.« Hoffentlich können wir das wirklich. Licht, wenn er zum Stein rennt und diesem Hochlord berichtet, daß wir nach ihnen suchen... »Kommt mit mir zu Mutter Guennas Haus. Joslyn, Caryla und ich werden Euch alles erklären. Bestimmt. Kommt!«

Er nickte kurz, fast niedergeschlagen, und ging dann neben ihr her. Er mußte seinen Schritt dem ihren mit den ungewohnten Klogs anpassen. Es schien, als wäre er lieber gerannt.

Am Haus der Weisen Frau angekommen, eilte sie gleich nach hinten. Niemand benutzte je die Vordertür, das hatte sie schon bemerkt — nicht einmal Mutter Guenna selbst. Die Pferde waren jetzt an eine Bambusstange angebunden und weit genug von Ailhuins jungen Feigen und ihren Kräutern entfernt. Die Sättel waren im Haus verstaut. Ausnahmsweise blieb sie nicht stehen, um Gaidins Nase zu tätscheln und ihm zu sagen, er sei ein guter Junge und vernünftiger als sein Namensvetter. Sandar blieb dagegen stehen und kratzte mit dem Ende seines Stocks den Schlamm von seinen Klogs. Sie eilte hinein.

Ailhuin Guenna saß mit steifen Armen auf einem ihrer Lehnstühle, der mitten im Raum stand. Die Augen quollen der grauhaarigen Frau vor Zorn und Angst beinahe heraus und sie kämpfte offenbar verzweifelt, ohne einen Muskel zu rühren. Nynaeve mußte das feine Gewebe aus dem Element Luft gar nicht erst fühlen, um zu wissen, was geschehen war. Licht, sie haben uns gefunden! Seng dich, Sandar!

Heiße Wut stieg in ihr auf und schwemmte die Sperren in ihrem Innern weg, die sie normalerweise davon abhielten, die Macht zu gebrauchen. Als der Korb aus ihren Händen fiel, war sie bereits eine weiße Blüte an einem Schlehenbusch, öffnete sich Saidar, öffnete... Es war, als sei sie gegen eine andere Wand gerannt, eine Wand aus durchsichtigem Glas. Sie konnte die Wahre Quelle fühlen, aber die Wand ließ nichts durch außer der Sehnsucht, sich von der Einen Macht erfüllen zu lassen.

Der Korb schlug auf dem Boden auf, und als er aufsprang, öffnete sich die Tür hinter ihr, und Liandrin trat ein, gefolgt von einer schwarzhaarigen Frau mit einer weißen Strähne über dem linken Ohr. Sie trugen lange, bunte Seidengewänder, die ihre Schultern unbedeckt ließen, und das Glühen Saidars umgab sie.

Liandrin strich sich das rote Kleid glatt und lächelte mit diesem Rosenknospen-Schmollmund. Ihr Puppengesicht strahlte triumphierend. »Siehst du jetzt, Wilde«, begann sie, »du hast keine... «

Nynaeve schlug ihr mit aller Kraft ins Gesicht. Licht, ich muß entkommen. Sie knallte Rianna den Handrücken mit solcher Gewalt gegen den Kopf, daß die schwarzhaarige Frau mit einem Ächzen auf ihr in Seide gehülltes Hinterteil fiel. Sie haben bestimmt die anderen gefangen, aber wenn ich aus der Tür komme, wenn ich weit genug wegkomme, daß sie mich nicht mehr abschirmen können, kann ich etwas unternehmen. Sie schob Liandrin mit Macht von der Tür weg. Laß mich nur aus dieser Abschirmung entkommen, und ich werde...

Von allen Seiten prasselten Schläge auf sie ein, wie mit Fäusten und Stöcken. Weder Liandrin, aus deren nicht mehr lächelndem Mundwinkel Blut rann, noch Rianna, deren Haar genauso verwirrt war wie ihr Kleid, hoben auch nur eine Hand. Nynaeve fühlte die Ströme, die mit Hilfe des Elements Luft um sie gewoben wurden, genauso wie die Schläge selbst. Sie kämpfte immer noch, zur Tür zu kommen, aber ihr wurde schlagartig klar, daß sie nun auf den Knien lag. Die Schläge hörten nicht auf. Unsichtbare Stöcke und Fäuste trommelten auf ihren Rücken, in ihren Magen, auf ihren Kopf und die Hüften, die Schultern, die Brüste, die Beine... Ächzend sackte sie zur Seite und rollte sich zusammen, um sich vor den Schlägen zu schützen. O Licht, ich habe es versucht. Egwene! Elayne! Ich habe mich bemüht. Ich werde nicht weinen! Seng mich, ihr könnt mich zu Tode prügeln, aber ich werde nicht weinen!

Die Schläge endeten aber Nynaeve konnte nicht aufhören zu zittern. Sie fühlte sich von Kopf bis Fuß zerschlagen und erledigt.

Liandrin hockte neben ihr und hatte ihre Arme um ihre Knie gelegt. Seide raschelte auf Seide. Sie hatte sich das Blut vom Mund gewischt. Ihre dunklen Augen blickten hart, und auf ihrem Gesicht lag nun kein Triumph mehr. »Vielleicht bist du zu dumm, um zu erkennen, wann du geschlagen bist, Wilde. Du hast beinahe genauso wild gekämpft wie dieses andere idiotische Mädchen, diese Egwene. Sie ist beinahe verrückt geworden. Ihr müßt alle Unterwerfung lernen. Du wirst es lernen, dich zu unterwerfen!«

Nynaeve schauderte und faßte wieder nach Saidar. Sie hatte wohl nicht viel Hoffnung, aber irgend etwas mußte sie unternehmen. Sie zwang sich trotz der Schmerzen dazu... und stieß wieder auf diese unsichtbare Wand. Nun amüsierte sich Liandrin offensichtlich wieder. Es glich dem grimmigen Vergnügen böser Kinder, die einer Fliege die Flügel ausreißen.

»Die hier brauchen wir aber bestimmt nicht mehr«, sagte Rianna, die neben Ailhuin stand. »Ich werde ihr Herz zum Stillstand bringen.« Ailhuin quollen beinahe die Augen aus dem Kopf.

»Nein!« Liandrins kurze, honigfarbene Zöpfe flogen herum, als sie sich zu Rianna umwandte. »Ihr tötet immer vorschnell, und nur der Große Herr kann mit den Toten noch etwas anfangen.« Sie lächelte die Frau an, die von unsichtbaren Banden auf ihrem Stuhl festgehalten wurde. »Ihr habt die Soldaten gesehen, die mit uns kamen, alte Frau. Ihr wißt, wer im Stein auf uns wartet: Hochlord Samon. Es wird ihm nicht gefallen, wenn Ihr von dem erzählt, was sich heute in Eurem Haus abgespielt hat. Wenn Ihr eure Zunge hütet, werdet Ihr weiterleben. Vielleicht könnt Ihr ihm eines Tages wieder einen Gefallen tun. Wenn Ihr plaudert, werdet Ihr dem Großen Herrn der Dunkelheit dienen, und zwar jenseits des Grabes. Was ist Euch lieber?«

Plötzlich konnte Ailhuin ihren Kopf wieder bewegen. Sie schüttelte die grauen Locken, und ihr Mund bewegte sich lautlos. »Ich... ich halte den Mund«, brachte sie schließlich niedergeschlagen heraus, wobei sie Nynaeve einen beschämten Blick zuwarf. »Wenn ich spreche, wem nützt das dann? Ein Hochlord kann mich köpfen lassen, indem er nur eine Augenbraue hochzieht. Was könnte ich Euch nützen, Mädchen? Was?«

»Es ist schon gut«, sagte Nynaeve erschöpft. Wem könnte sie es sagen? Alles, was sie damit erreichen würde, wäre, zu sterben. »Ich weiß, daß Ihr helfen würdet, wenn Ihr könntet.« Rianna warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend. Ailhuin sackte in sich zusammen, als sie endgültig freigegeben wurde, doch sie blieb einfach sitzen und starrte ihre Hände auf ihrem Schoß an.