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Auf der Suche nach einem Mittel

Mat hing erschöpft auf dem Hocker im Zimmer des Gauklers und verzog das Gesicht, als Thom wieder hustete. Wie sollen wir bloß weitersuchen, wenn er so krank ist, daß er nicht einmal laufen kann? Er schämte sich dieses Gedankens sofort wieder. Thom hatte genauso fleißig gesucht wie er, hatte sich Tag und Nacht zum Weitermachen gezwungen, obwohl ihm klar gewesen sein mußte, daß er zu krank dazu war. Mat war so in der Suche aufgegangen, daß er Thoms Husten zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Der Wetterumschlag vom ständigen Regen zu dieser feuchten Hitze hatte ein übriges getan.

»Komm schon, Thom«, sagte er. »Lopar sagt, daß nicht weit von hier eine Weise Frau wohnt. So nennen sie hier die Seherin — eine Weise Frau. Das würde Nynaeve vielleicht gefallen!«

»Ich brauche keinen... übelschmeckenden... Trank... in der Kehle, Junge.« Thom bemühte sich vergeblich, sein Keuchen zu unterdrücken. »Geh du mal und suche weiter. Laß mich ein paar Stunden... ausruhen... und dann komme ich wieder mit.« Er krümmte sich unter einem neuen Hustenanfall, bis sein Kopf fast auf den Knien ruhte.

»Soll ich vielleicht die ganze Arbeit tun, während du dich ausruhst?« sagte Mat leichthin. »Wie kann ich ohne dich etwas finden? Das meiste von dem, was wir erfahren, kommt von dir.« Das stimmte nicht ganz. Die Männer plauderten beim Würfelspiel genauso gern wie mit einem Gaukler über einem Glas Wein, sogar etwas freimütiger als bei einem Gaukler, der die ganze Zeit so hustete, daß sie fürchten mußten, sich anzustecken. Aber langsam wurde ihm klar, daß Thoms Husten nicht von allein vergehen würde. Wenn mir der alte Esel stirbt, mit wem spiele ich dann künftig zu Hause? fragte er sich grob. »Außerdem läßt mich dein verdammter Husten nebenan nicht einschlafen.«

Er überhörte die Proteste des weißhaarigen Mannes und zog Thom auf die Beine. Er war erschrocken darüber, wie sehr er den Gaukler stützen mußte. Trotz der feuchten Hitze bestand Thom darauf, seinen Flickenumhang umzulegen. Mat hatte seine Jacke ganz aufgeknöpft und alle drei Schnüre an seinem Hemd aufgebunden, aber er ließ dem alten Esel seinen Willen. Keiner im Schankraum blickte auch nur hoch, als er Thom hinaus in den dunstigen Nachmittag schleppte.

Der Wirt hatte ihm den Weg wohl ganz einfach erklärt, aber als sie das Tor erreichten und dem Schlamm im Mauleviertel gegenüberstanden, wäre Mat am liebsten umgekehrt und hätte nach einer anderen Weisen Frau gefragt. Es mußte in einer Stadt dieser Größe ja wohl mehrere geben. Aber Thoms Keuchen gab den Ausschlag. Mit einer Grimasse schritt Mat in den Matsch hinein und trug Thom beinahe mit sich.

Der Wegbeschreibung nach hatte er sich schon gedacht, daß sie in jener ersten Nacht auf dem Weg vom Hafen in die Stadt an dem Haus der Weisen Frau vorbeigekommen sein mußten, und als er das lange, schmale Haus mit Kräuterbündeln in den Fenstern neben einem Töpferladen stehen sah, kam ihm die Erinnerung. Lopar hatte etwas davon gesagt, er müsse zum Hintereingang gehen, aber er hatte vom Schlamm die Nase voll.

Und von dem Fischgestank, dachte er. Er blickte finster den barfüßigen Männern nach, die mit Körben auf dem Buckel vorbeischlurften. Auch die Spuren von Pferdehufen befanden sich auf der Straße, doch sie wurden langsam von Füßen und Ochsenkarren überdeckt. Pferde, die einen Wagen oder vielleicht eine Kutsche zogen. Er hatte bisher in Tear aber nur Ochsen als Zugtiere beobachtet. Die Adligen und Kaufleute waren stolz auf ihre edlen Pferde und setzten sie niemals zur Arbeit ein. Allerdings hatte er keine Kutschen mehr gesehen, seit sie das Stadttor hinter sich gelassen hatten.

Er dachte nicht mehr an Pferde und Wagenspuren, sondern brachte statt dessen Thom zum Vordereingang und klopfte. Nach einer Weile klopfte er wieder. Und dann nochmals.

Er wollte schon aufgeben und zum ›Weißen Halbmond‹ zurückkehren, obwohl Thom ständig an seiner Schulter hustete, doch da hörte er aus dem Innern schlurfende Schritte.

Die Tür öffnete sich kaum mehr als einen Spalt und eine kräftige, grauhaarige Frau spähte heraus. »Was wollt Ihr?« fragte sie mit müder Stimme.

Mat setzte sein nettestes Grinsen auf. Licht, ich werde krank davon, daß all diese Leute hier klingen, als gebe es keine blutige Hoffnung mehr. »Mutter Guenna? Ich heiße Mat Cauthon. Cavan Lopar sagte mir, daß Ihr etwas gegen den Husten meines Freundes machen könnt. Ich kann gut bezahlen.«

Sie musterte sie einen Augenblick lang, schien auch Thoms Keuchen zu lauschen und seufzte dann. »Ich denke, wenigstens das kann ich noch tun. Ihr könnt genausogut hereinkommen.« Sie öffnete die Tür und schlurfte bereits weiter ins Haus hinein, bevor Mat sich rühren konnte.

Ihr Akzent klang dem der Amyrlin so ähnlich, daß er unwillkürlich schauderte, aber er folgte ihr und schleppte Thom hinein.

»Ich brauche... das nicht«, ächzte der Gaukler. »Verdammte Mixturen... schmecken immer... wie Dung!« »Halt den Mund, Thom.«

Die kräftige Frau führte sie bis hinten in die Küche, kramte in einem der Schränke herum, nahm kleine Steinguttöpfe und Kräuterpäckchen heraus und führte derweil Selbstgespräche.

Mat setzte Thom auf einen der Stühle mit hoher Lehne und blickte durch das nächste Fenster. Draußen im Hinterhof waren drei gute Pferde angebunden. Er war überrascht, daß die Weise Frau mehr als eines besaß, oder überhaupt eines. Er hatte in Tear außer den Adligen und den Reichen noch niemand reiten sehen. Diese Tiere sahen aus, als hätten sie mehr als nur ein wenig Silber gekostet. Schon wieder Pferde. Mir sind doch jetzt die verfluchten Pferde gleichgültig!

Mutter Guenna braute so etwas wie einen starken Tee, der übel roch, und dann zwang sie Thom, ihn zu trinken. Sie hielt ihm die Nase zu, als er versuchte, sich zu beklagen. Mat stellte fest, daß sie weniger fett war, als er angenommen hatte, denn so, wie sie den Kopf des Gauklers in einer Armbeuge hielt, während sie ihm die schwarze Flüssigkeit einflößte, gleich, wie er sich zu wehren mühte, zeugte das von einiger Kraft.

Als sie die Tasse wegnahm, hustete Thom und rieb sich genauso energisch den Mund. »Gaaah! Frau... ich weiß nicht... ob Ihr... mich ertränken wollt... oder umbringen... mit diesem Geschmack! Ihr solltet... solltet ein verdammter... Schmied sein!«

»Ihr werdet das zweimal täglich zu Euch nehmen, bis dieser Husten weg ist«, sagte sie mit fester Stimme. »Und ich habe eine Salbe da, mit der Ihr euch jeden Abend die Brust einreibt.« Etwas von dieser Resignation war aus ihrer Stimme gewichen, als sie mit auf die breiten Hüften gestützten Händen vor dem Gaukler stand. »Diese Salbe stinkt genauso, wie der Tee schmeckt, aber Ihr werdet Euch damit einreiben — gründlich! —, oder ich zerre Euch hinauf wie einen alten Karpfen in einem Netz und binde Euch mit Eurem eigenen Umhang auf einem Bett fest! Es ist noch nie ein Gaukler zu mir gekommen, und ich werde den ersten sich nicht gerade zu Tode husten lassen!«

Thom kochte vor Wut und blies keuchend seine Schnurrbartenden vom Mund weg. Doch er schien die Drohung ernst zu nehmen. Zumindest sagte er nichts, wenn er auch aussah, als wolle er ihr den eigenen Tee und die eigene Salbe ins Gesicht werfen.

Je mehr diese Mutter Guenna sprach, desto ähnlicher klang sie der Amyrlin. Da Thom ein so saures Gesicht machte und sie so energisch wirkte, entschloß er sich, besser ein wenig zu vermitteln, bevor der Gaukler sich vielleicht ganz weigern würde, ihre Medikamente zu nehmen — und sie ihn dazu zwang. »Ich kannte eine Frau, die so ähnlich sprach wie Ihr«, sagte er. »Die immer Fische und Netze und so erwähnte. Klang sehr nach Euch. Der gleiche Dialekt, meine ich. Ich schätze, sie ist auch aus Tear.«