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Mutter Guenna legte ihm eine Hand auf die Schulter und drückte ihn so leicht wie ein Kind wieder auf den Stuhl hinunter. Der Gaukler blickte sie überrascht an. »Ich pflege ihn gesund, Mat Cauthon«, sagte sie.

»Nein!« rief Thom. »Das kannst du mir... nicht antun! Du kannst... mich nicht bei... dieser alten... « Nur ihre Hand an seiner Schulter verhinderte, daß er vornüberfiel.

Mat grinste den weißhaarigen Mann an. »Es war mir ein Vergnügen, dich kennengelernt zu haben, Thom.«

Als er auf die Straße hinauseilte, fragte er sich selbst, warum er das eigentlich gesagt hatte. Er wird schließlich nicht, verdammt noch mal, sterben. Diese Frau hält ihn am Leben, und wenn sie ihn am Schnurrbart wieder aus dem Grab herausziehen muß. Ja, aber wer hält mich am Leben?

Vor ihm ragte der Stein von Tear über der Stadt auf, unbezwingbar, eine Festung, die man hundertmal belagert hatte, ein Stein, an dem sich hundert Heere die Zähne ausgebissen hatten. Und irgendwie mußte er hineinkommen. Und drei Frauen herausholen. Irgendwie.

Er lachte auf, so daß sich sogar die mürrischen Bewohner dieses Viertels nach ihm umdrehten. Dann ging er zum ›Weißen Halbmond‹ zurück, ohne auf den Schlamm oder die feuchte Hitze zu achten. Er spürte, wie in seinem Kopf die Würfel umeinander purzelten.

53

Eine Falle schnappt zu

Perrin zog sich den Mantel über, als er durch die abendlichen Schatten zurück zum ›Stern‹ schritt. Eine zufriedene Erschöpfung hatte seine Arme und Schultern erfaßt. Außer einigen kleineren Arbeiten hatte Meister Ajala ihn an einem großen, kunstvoll verzierten Eisentor arbeiten lassen, das den Eingang zum Grundstück irgendeines Landadligen schmücken sollte. Er hatte es richtig genossen, etwas so Hübsches unter seinen Händen entstehen zu sehen.

»Ich glaubte, die Augen würden ihm aus dem Kopf fallen, Schmied, als du sagtest, du würdest dieses Ding nicht bearbeiten, falls es für einen Hochlord bestimmt sei.«

Er warf Zarine einen Seitenblick zu. Die Schatten ließen ihr Gesicht zur Maske erstarren. Selbst für seine Augen waren diese Schatten überall, wenn auch ein wenig blasser als für die Augen anderer Menschen. Sie betonten ihre hohen Backenknochen und ließen ihren scharfen Nasenrücken weicher erscheinen. Er wurde einfach nicht schlau aus ihr. Obwohl Moiraine und Lan darauf bestanden, daß sie sich nahe der Schenke aufhalten sollten, wünschte er, sie fände etwas anderes zu tun, als ihm die ganze Zeit bei der Arbeit zuzusehen. Aus irgendeinem Grund wurde er immer ganz ungeschickt, wenn er sich ihres auf ihm ruhenden Blickes bewußt wurde. Mehr als einmal hatte er mit dem Hammer danebengeschlagen, bis Meister Ajala erstaunt die Stirn runzelte. Mädchen hatten ihn schon immer nervös gemacht, besonders wenn sie ihn anlächelten, aber Zarine mußte nicht einmal lächeln. Nur herschauen. Er fragte sich wieder, ob sie die schöne Frau sei, vor der ihn Min gewarnt hatte. Besser, wenn sie der Falke ist. Dieser Gedanke kam so überraschend, daß er stolperte.

»Ich wollte nicht, daß irgend etwas, was ich herstelle, in die Hände eines der Verlorenen fällt.« Seine Augen glühten golden, als er sie anblickte. »Falls es für einen Hochlord bestimmt war, wie hätte ich dann feststellen können, bei wem es landet?« Sie schauderte. »Ich wollte dich nicht ängstigen, Fai... , Zarine.«

Sie lächelte breit. Wahrscheinlich glaubte sie, er könne das im Schatten nicht sehen. »Du wirst noch aufgeben, Bauernjunge. Hast du jemals daran gedacht, einen Bart zu tragen?«

Es ist schlimm genug, daß sie mich ständig auf den Arm nimmt, aber die Hälfte der Zeit über verstehe ich sie nicht einmal!

Als sie den Vordereingang der Schenke erreichten, trafen sie Moiraine und Lan, die aus der entgegengesetzten Richtung kamen. Moiraine trug diesen Leinenumhang, dessen breite, tiefe Kapuze ihr Gesicht vollständig verbarg. Lichtschein aus den Fenstern des Schankraumes malte gelbe Flecken auf die Pflastersteine. Zwei oder drei Kutschen rumpelten vorbei, und vielleicht ein Dutzend Personen befanden sich in Sichtweite. Sie eilten wohl zum Essen nach Hause. Der größere Teil der Straße wurde aber von den Schatten beherrscht. Der Weberladen war dicht verrammelt. Die Stille wirkte betäubend.

»Rand ist in Tear.« Die Stimme der Aes Sedai ertönte aus den Tiefen ihrer Kapuze wie aus einer Höhle.

»Seid Ihr sicher?« fragte Perrin. »Ich habe nichts davon gehört, daß etwas Eigenartiges passiert sei. Keine Hochzeiten, keine ausgetrockneten Brunnen.« Er sah, wie Zarine verwirrt die Stirn runzelte. Moiraine war ihr gegenüber nicht gerade freigebig mit Informationen gewesen und er auch nicht. Loial zum Schweigen zu bringen war schwieriger gewesen.

»Hört Ihr denn keine Gerüchte, Schmied?« fragte der Behüter. »Es hat Hochzeiten gegeben, und zwar in den letzten vier Tagen genauso viele wie in dem halben Jahr zuvor. Und so viele Morde, wie sonst in einem ganzen Jahr. Heute ist ein Kind vom Balkon eines Palastes gestürzt. Hundert Schritt tief auf das Straßenpflaster. Es ist aufgestanden und ohne einen Kratzer heim zu seiner Mutter gelaufen. Die Erste von Mayene, die seit dem Herbst als ›Gast‹ im Stein festgehalten wird, verkündete heute, daß sie sich dem Willen der Hochlords beugen wird, nachdem sie gestern noch behauptete, sie würde lieber Mayene und all seine Schiffe verbrennen, als daß sie auch nur einem Landadligen aus Tear gestattete, die Stadt zu betreten. Sie haben sie bisher nicht gefoltert, und die junge Frau hat einen eisernen Willen. Also sagt mir, ob Ihr es für möglich haltet, daß Rand der Auslöser dieser Sinneswandlung ist. Schmied, Tear kocht von vorn bis hinten wie ein Wasserkessel.«

»Diese Dinge mußte man mir nicht einmal erzählen«, sagte Moiraine. »Perrin, habt Ihr letzte Nacht von Rand geträumt?«

»Ja«, gab er zu. »Er befand sich im Herzen des Steins und hielt dieses Schwert« — er fühlte, wie sich Zarine neben ihm rührte —, »aber ich habe mir schon so viele Gedanken darüber gemacht, daß es kein Wunder ist, wenn ich davon träume. Ich hatte letzte Nacht überhaupt nur Alpträume.«

»Ein hochgewachsener Mann?« fragte Zarine. »Rötliches Haar und graue Augen? Er hielt etwas in Händen, das so hell leuchtet, daß es den Augen weh tut? An einem Ort mit mächtigen Sandsteinsäulen überall? Schmied, sag mir, daß dies nicht dein Traum war.«

»Seht Ihr?« sagte Moiraine. »Ich habe heute diesen Traum hundertmal geschildert bekommen. Alle sprechen von Alpträumen. Besonders Be'lal denkt nicht daran, seine Träume abzuschirmen. Aber dieser war der häufigste.« Sie lachte mit einemmal. Es klang kalt wie das leise Klingeln metallener Glöckchen. »Die Menschen sagen, er sei der Wiedergeborene Drache. Sie sagen, er käme. Sie flüstern ängstlich an den Ecken davon, aber sie behaupten es steif und fest.«

»Und was ist mit Be'lal?« fragte Perrin.

Moiraines Antwort besaß die Schärfe einer Stahlklinge: »Ich werde mich heute abend um ihn kümmern.« Von ihr ging kein Geruch nach Angst aus.

»Wir werden uns heute nacht um ihn kümmern«, sagte Lan zu ihr.

»Ja, mein Gaidin. Wir werden uns um ihn kümmern.«

»Und was sollen wir tun? Hier herumsitzen und warten? Ich habe in den Bergen genug gewartet, daß es für mein ganzes Leben ausreicht, Moiraine.«

»Ihr und Loial — und Zarine — geht nach Tar Valon«, sagte sie zu ihm. »Bis alles vorbei ist. Das ist für Euch der sicherste Ort.«

»Wo ist der Ogier?« fragte Lan. »Ich will, daß Ihr drei Euch so schnell wie möglich auf den Weg nach Norden macht.«

»Oben, denke ich«, sagte Perrin. »In seinem Zimmer, oder vielleicht im Speisezimmer. Die Fenster dort oben sind beleuchtet. Er arbeitet doch immer an seinen Aufzeichnungen. Ich schätze, wenn wir davonlaufen, wird er in seinem Buch eine Menge darüber zu sagen haben.« Die Bitterkeit in seiner eigenen Stimme überraschte ihn. Licht, Narr, willst du dich einem der Verlorenen entgegenstellen? Nein. Nein, aber ich habe die Nase voll vom Weglaufen. Ich erinnere mich daran, daß ich ein Mal nicht weggelaufen bin. Ich erinnere mich daran, daß ich gekämpft habe, und das war besser. Obwohl ich glaubte, ich würde sterben, war es besser.