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»Es gibt zuviel, was Ihr nicht wißt«, knurrte Perrin. Er lugte in das Zimmer hinein und hätte am liebsten geweint. Zarine wirkte so klein und so hilflos, wie sie da drinnen lag. Faile. Ich schwöre, ich werde dich von nun an nur noch Faile nennen. »Warum unternehmt Ihr denn nichts?«

»Die Falle wurde ausgelöst, Perrin, aber sie wird immer noch jeden einfangen, der diesen Raum betritt. Ich käme nicht einmal an ihre Seite, bevor es auch mich erwischte. Und ich habe eine Aufgabe, die ich heute nacht erfüllen muß.«

»Seng Euch, Aes Sedai! Seng Eure Aufgabe! Diese Welt der Träume! Ist sie wie meine Wolfsträume? Ihr sagtet, daß die Träumer manchmal Wölfe dort sehen.«

»Ich habe Euch gesagt, was ich konnte«, sagte sie scharf. »Es ist Zeit für Euch, zu gehen. Lan und ich müssen uns auf den Weg zum Stein machen. Es kann jetzt kein Warten mehr geben.«

»Nein.« Er sagte es ruhig, doch als Moiraine den Mund zu einer Entgegnung öffnete, erhob er seine Stimme. »Nein! Ich werde sie nicht verlassen!«

Die Aes Sedai atmete tief durch. »Also gut, Perrin.« Ihre Stimme war aus purem Eis: ruhig, glatt, kalt. »Bleibt, wenn Ihr wünscht. Vielleicht überlebt Ihr ja diese Nacht. Lan!«

Sie und der Behüter schritten den Flur hinunter zu ihren Zimmern. Nach wenigen Augenblicken erschienen sie wieder. Lan trug seinen farbverändernden Umhang und verschwand die Treppe hinunter, ohne daß sie ihm auch nur ein Wort sagen mußte.

Er blickte durch die offene Tür Faile an. Ich muß etwas unternehmen. Wenn es so ist, wie die Wolfsträume...

»Perrin«, ertönte Loials tiefes Grollen, »was ist mit Faile?« Der Ogier kam in Hemdsärmeln über den Flur heran, Tinte an den Fingern und eine Schreibfeder in der Hand. »Lan sagte mir, ich solle gehen, und dann sagte er etwas von Faile, die in einer Falle stecke. Was hat er gemeint?«

Abgelenkt berichtete Perrin ihm, was Moiraine gesagt hatte. Es könnte klappen. Vielleicht. Es muß einfach! Er war überrascht, als Loial grollte:

»Nein! Perrin, das ist einfach nicht recht! Faile war so frei. Es ist nicht recht, sie in eine Falle zu sperren!«

Perrin blickte zu Loials Gesicht auf, und plötzlich fielen ihm die alten Geschichten ein, in denen behauptet wurde, die Ogier seien unnachgiebige Feinde. Loials Ohren lagen flach an den Seiten seines Kopfes an, und sein Gesicht war so hart wie ein Amboß.

»Loial, ich werde versuchen, Faile zu helfen. Aber währenddessen bin ich selbst völlig hilflos. Deckst du mir den Rücken?«

Loial hob diese riesigen Hände, die so vorsichtig ein Buch halten konnten, und seine dicken Finger krümmten sich, als wolle er Steine zermalmen. »Niemand kommt an mir vorbei, solange ich am Leben bin, Perrin. Nicht einmal ein Myrddraal oder der Dunkle König selbst.« Er sprach dies aus, als sei es eine Tatsache, an der nicht zu rütteln war.

Perrin nickte und blickte noch einmal durch die Tür. Es muß funktionieren. Es ist mir jetzt gleich, ob Min mich vor ihr warnte oder nicht. Mit einem Knurren sprang er auf Faile zu und streckte die Hand nach ihr aus. Er glaubte noch, ihren Knöchel berührt zu haben, bevor er das Bewußtsein verlor. Ob dieser Traum von einer Falle ihn nach Tel'aran'rhiod geführt hatte oder nicht, war Perrin nicht klar, aber er wußte, daß es ein Wolfstraum war. Grasbewachsene Hügel mit vereinzelten Dickichten umgaben ihn. Er sah Hirsche an einer Baumgruppe äsen, und über das Gras huschte eine Herde von Tieren, die wie braungestreifte Hirsche aussahen, aber lange, gerade Hörner aufwiesen, in hohen Sätzen dahin. Ihre Witterung, die der Wind zu ihm herübertrieb, sagte ihm, daß sie gut schmecken würden. Andere Düfte zeugten davon, daß hier die Jagdgründe sehr gut waren. Das war der Traum eines Wolfs.

Er trug die lange Lederweste eines Schmieds, wie er bemerkte. Seine Arme waren bloß. An seiner Seite hing etwas Schweres. Er berührte den Axtgürtel, aber nicht die Axt hing dort in ihrer Schlinge. Er ließ seine Finger über den glatten Kopf des Schmiedehammers gleiten. Es war ein gutes Gefühl.

Springer erhob sich direkt vor ihm.

Wieder kommst du wie ein Narr herbei. Der Gedanke aber zeigte das Bild eines Welpen, der ihre Nase in einen hohlen Baumstamm steckte, um den Honig aufzuschlecken, obwohl Bienen ihn in die Schnauze und in die Augen stachen. Die Gefahr ist größer denn je, Junger Bulle. Bösartige Dinge bevölkern den Traum. Die Brüder und Schwestern meiden den Steinberg, den die Zweibeiner errichtet haben. Sie fürchten sich beinahe schon davor, den anderen einen Traum zu schicken. Du mußt gehen!

»Nein«, sagte Perrin. »Faile ist hier irgendwo und steckt in einer Falle. Ich muß sie finden, Springer. Ich muß!« Er fühlte, wie sich in ihm selbst etwas verschob, etwas änderte. Er blickte auf seine zottigen Beine und seine breiten Pfoten hinunter. Er war ein noch größerer Wolf als Springer.

Du bist zu sehr hier! Jeder dieser Gedanken sandte nackte Angst. Du wirst sterben, Junger Bulle!

Wenn ich den Falken nicht befreie, ist es mir gleich, Bruder.

Dann wollen wir jagen, Bruder.

Die Schnauzen im Wind, jagten die beiden Wölfe über die Ebene, auf der Suche nach dem Falken.

54

In den Stein

Mat war sich klar darüber, daß die Dächer von Tear in der Nacht kein geeigneter Aufenthaltsort für einen vernünftigen Mann waren. Er spähte in die Schatten, die der Mondschein zurückließ. Nur etwa fünfzig Schritt Entfernung über eine breite Straße oder einen kleinen Platz hinweg trennten das Ziegeldach, auf dem er sich befand, vom Stein. Er befand sich drei Stockwerke hoch über den Pflastersteinen. Aber seit wann bin ich ein vernünftiger Mann? Die einzigen vernünftigen Leute, die ich je kennenlernte, waren so langweilig, daß man schon vom Zusehen hätte einschlafen können. Ob nun Straße oder kleiner Platz, er war jedenfalls seit Einbruch der Nacht dort unten rund um den Stein marschiert. Nur ans Flußufer konnte man nicht gelangen, da wo der Erinin genau am Fuß der Festung entlangfloß. Ansonsten war die einzige Unterbrechung die Stadtmauer gewesen. Diese Mauer befand sich nur zwei Häuserblocks zu seiner Rechten. Wie auch immer, die Mauerkrone erschien ihm als der beste Weg zum Stein, aber es war keiner, den er mit viel Vergnügen angehen würde.

Er nahm seinen Bauernspieß wieder in die Hand und dazu eine kleine Blechschachtel mit Drahtgriff, und dann schob er sich vorsichtig zu einem Backsteinschlot hinüber, der ein bißchen näher an der Mauerkrone aufragte. Die Rolle mit Feuerwerkskörpern, oder zumindest was die Rolle mit Feuerwerkskörpern gewesen war, bevor er sie in seinem Zimmer bearbeitet hatte, rutschte an seinem Rücken entlang. Jetzt war es eher zu einem Bündel geworden, in dem alles so eng zusammengepreßt war, wie er es nur geschafft hatte, aber eigentlich war es immer noch zu sperrig, um damit in der Dunkelheit über die Dächer zu klettern. Vor einiger Zeit war er deshalb ausgerutscht, und ein Dachziegel war klappernd über die Kante geglitten und hinuntergefallen. Das hatte wohl einen Mann in einem Zimmer darunter aufgeweckt. Er hatte ›Dieb‹ geschrien, und Mat war davongerannt. Er rückte das Bündel gedankenverloren wieder im Schatten des Schornsteins zurecht. Einen Augenblick später stellte er die Blechschachtel ab. Der Drahtgriff wurde allmählich unangenehm warm.

Er fühlte sich hier ein wenig sicherer, als er den Stein aus dem Schatten heraus betrachtete, aber viel ermutigender wirkte das alles nicht. Die Stadtmauer war keineswegs so dick, wie er es in anderen Städten gesehen hatte, in Caemlyn oder in Tar Valon. Sie war nicht mehr als einen Schritt breit und von großen Steinstreben gestützt, die nun in Dunkelheit gehüllt waren. Ein Schritt Breite reichte natürlich leicht, um darauf zu gehen, aber die Fallhöhe nach beiden Seiten betrug beinahe zehn Spannen. Durch das Dunkel hinunter auf das harte Pflaster. Aber ein paar von diesen blutigen Häusern sind direkt angebaut. Ich kann leicht auf die Krone kommen, und die führt verdammt geradewegs zum verfluchten Stein!