Выбрать главу

Bevor noch die ersten Worte ausgesprochen waren, griff Egwene wieder nach Saidar, webte das komplizierte Muster des Elements Geist, so wie es gegen sie verwandt worden war und blockierte Joyias Verbindung zu der Wahren Quelle. Die Dienerin des Schattens riß die Augen auf, diese grausamen Augen, die so wenig in dieses schöne, freundliche Gesicht paßten. Doch Egwene webte bereits ein Muster aus purer Luft um sie. Die Gestalt der anderen Frau war wohl durchscheinend wie feiner Dunst, aber die Bande hielten sie fest. Es schien Egwene, als mache es überhaupt keine Mühe, beide Ströme in ihrem Muster zu halten und zu kontrollieren. Auf der Stirn Joyia Byirs stand Schweiß, als sie näher trat.

»Ihr habt einen Ter'Angreal !« Dem Gesicht der Frau war deutlich die Angst anzusehen, aber sie war bemüht, das durch ihre Stimme zu überspielen. »Das muß es sein. Ein Ter'Angreal , der uns entging und bei dem Ihr die Macht nicht braucht. Glaubt Ihr, daß Euch das irgendwie helfen wird, Mädchen? Was immer Ihr auch hier tut, wird die Ereignisse in der wirklichen Welt nicht beeinflussen. Tel'aran'rhiod ist ein Traum! Wenn ich aufwache, nehme ich Euch persönlich den Ter'Angreal ab. Überlegt Euch gut, was Ihr hier tut, damit ich keinen Grund habe, Euch böse zu sein, wenn ich in Eure Zelle komme!«

Egwene lächelte sie an. »Seid Ihr sicher, daß Ihr aufwachen werdet, Schattenfreundin? Wenn Euer Ter'Angreal mit Hilfe der Macht funktioniert, warum seid Ihr dann nicht sofort erwacht, als ich Euch abgeschirmt habe? Vielleicht könnt Ihr gar nicht erwachen, solange Ihr hier abgeschirmt seid?« Ihr Lächeln verflog. Es machte mehr Mühe, diese Frau anzulächeln, als sie aufbringen konnte. »Eine Frau hat mir einst eine Narbe gezeigt, die sie in Tel'aran'rhiod empfangen hatte, Schattenfreundin. Was hier geschieht, ist immer noch Wirklichkeit, wenn Ihr erwacht!«

Jetzt rollten Schweißtropfen über das glatte, alterslose Gesicht der Schwarzen Schwester. Egwene fragte sich, ob sie fürchte, sterben zu müssen. Sie wünschte sich beinahe, sie könne genug Grausamkeit aufbringen, um sie zu töten. Die meisten der unsichtbaren Schläge, die sie empfangen hatte, waren von dieser Frau gekommen. Fäuste hatten auf sie eingetrommelt, als sie lediglich versucht hatte wegzukriechen, also nur, weil sie nicht aufgegeben hatte.

»Eine Frau, die eine andere so schlagen kann«, sagte sie, »sollte nichts dagegen haben, selbst ein wenig abzubekommen.« Sie webte schnell ein weiteres Muster aus reiner Luft. Joyia Byirs Augen quollen ungläubig heraus, als der erste Schlag ihre Hüfte traf. Egwene sah nun auch, wie sie das Gewebe einrichten mußte, um es erst gar nicht weiter bewußt aufrechterhalten zu müssen. »Das wird Euch eine Lehre sein und Ihr werdet es noch spüren, wenn Ihr erwacht. Wenn ich Euch das Erwachen gestatte! Erinnert Euch auch daran. Wenn Ihr jemals wieder auch nur versucht, mich zu schlagen, werde ich Euch hierher zurückschicken, und Ihr werdet den Rest Eures Lebens hier verbringen!« Die Augen der Schwarzen Schwester starrten sie haßerfüllt an, aber nun stand auch bereits eine Andeutung von Tränen darin.

Einen Moment lang schämte sich Egwene. Allerdings nicht dessentwegen, was sie Joyia antat — die Frau hatte jeden Schlag verdient und wenn nicht deshalb, weil sie sie selbst geschlagen hatte, dann wegen der Morde in der Weißen Burg. Nein, sie schämte sich, weil sie hier Zeit für ihre eigene Rache verschwendete, während Nynaeve und Elayne in einer Zelle saßen und trotz aller Aussichtslosigkeit einen Funken Hoffnung bewahrten, daß sie etwas zu ihrer Rettung unternehmen könne. Sie verknotete ihre Gewebe, bevor ihr selbst klar war, was sie tat, und dann hielt sie inne und betrachtete die Wirkung ihrer Handlungen. Es waren drei separate Gewebe, und es war nicht nur ganz leicht gewesen, sie alle gleichzeitig aufrechtzuerhalten, sondern sie hatte nun auch fertiggebracht, daß sie sich selbst erhielten. Sie glaubte auch, daß sie in der Lage sein werde, das später zu wiederholen. Es könnte einmal nützlich sein.

Einen Augenblick später löste sie eines der Gewebe wieder, und die Schwarze Schwester schluchzte auf, vor Erleichterung ebenso wie der Schmerzen wegen. »Ich bin nicht wie Ihr«, sagte Egwene. »Dies ist das zweite Mal, daß ich so etwas getan habe, und es gefällt mir nicht. Ich werde wohl lernen müssen, statt dessen Kehlen durchzuschneiden.« Ihrem Gesichtsausdruck nach glaubte die Schwarze Schwester, Egwene wolle gleich mit ihr beginnen.

Egwene gab einen angeekelten Laut von sich und ließ sie an diesem Fleck gefangen und abgeschirmt zurück. Dann eilte sie in den Wald der glänzenden Sandsteinsäulen hinein. Es mußte irgendwo einen Weg hinunter zu den Gefängniszellen geben.

Es wurde still in dem steinernen Korridor, als der letzte Todesschrei unter den mächtigen Kiefern des Jungen Bullen erstarb, die sich um den Hals des Zweibeiners schlossen. Das Blut schmeckte bitter auf seiner Zunge.

Er wußte, daß dies der Stein von Tear war, obwohl er nicht sagen konnte, woher dieses Wissen stammte. Die Zweibeiner, die um sie herum lagen — einer zuckte noch einmal mit dem Bein, als sich Springers Zähne in seinen Hals bohrten —, hatten beim Kampf nach Furcht gestunken. Und verwirrt. Er glaubte, daß sie noch nicht einmal gewußt hatten, wo sie sich befanden. Sie gehörten auch sicher nicht in einen Wolfstraum. Doch man hatte sie ausgesandt, um ihn von der hohen Tür mit dem Eisenschloß fernzuhalten oder es zumindest zu verteidigen. Sie schienen überrascht gewesen zu sein, daß Wölfe ihre Gegner waren. Er glaubte auch, sie waren überhaupt überrascht gewesen, sich selbst hier wiederzufinden.

Er wischte sich den Mund ab und betrachtete dann seine Hand einen Moment lang verständnislos. Er war wieder ein Mann. Er war Perrin. Wieder in seinem eigenen Körper, angetan mit der Lederweste des Schmieds, und an seiner Seite hing der schwere Hammer.

Wir müssen uns beeilen, Junger Bulle. Etwas Böses nähert sich.

Perrin zog den Hammer aus der Gürtelschlaufe, während er zur Tür ging. »Faile muß hier drinnen sein.«

Ein harter Schlag zerschmetterte das Schloß. Er trat die Tür auf.

Der Raum war leer bis auf einen langen Steinblock in der Mitte. Darauf lag Faile, als schliefe sie. Ihr schwarzes Haar war ausgebreitet und ihr Körper so von Ketten bedeckt, daß er einen Augenblick brauchte, um zu erkennen, daß sie unbekleidet war. Jede Kette war mit einem dicken Bolzen am Stein befestigt.

Er war sich kaum bewußt, daß er den Raum durchquerte, bis seine Hand ihr Gesicht berührte und er mit einem Finger ihren Backenknochen streichelte.

Sie öffnete die Augen und lächelte zu ihm hoch. »Ich habe geträumt, daß du kommen würdest, Schmied.«

»Ich werde dich sofort befreien, Faile.« Er hob den Hammer und zerschmetterte einen der Bolzen, als bestünde er nur aus Holz.

»Ich habe nicht daran gezweifelt, Perrin.«

Als sein Name verklang, wurde auch sie durchscheinend und verschwand. Klappernd fielen die Ketten auf den Stein, wo sie sich befunden hatte.

»Nein!« schrie er. »Ich habe sie doch gefunden!«

Der Traum ist nicht wie die Welt des Fleisches, Junger Bulle. Hier kann die gleiche Jagd auf viele verschiedene Arten enden.

Er drehte sich nicht zu Springer um. Er wußte, daß dieser die Zähne gefletscht hatte. Wieder hob er den Hammer und ließ ihn mit aller Kraft auf die Ketten niedersausen, die Faile gefesselt hatten. Unter seinem Schlag zerbrach der Steinblock in zwei Teile. Der Stein von Tear aber dröhnte wie eine Glocke.

»Dann werde ich wieder jagen«, grollte er.