Выбрать главу

Er verstand es nicht, aber solange sie nicht versuchte, ihn davon abzuhalten, die Tür zu öffnen, war es ihm gleich, warum sie wie eine ausgestopfte Vogelscheuche dasaß. Vielmehr fragte er sich, ob sich auf der anderen Seite der Tür etwas befinden könne, wovor er Angst haben sollte. Wenn sie eine von denen ist, die Egwene und die anderen fingen, dann ist es eigentlich logisch, daß sie sich hier befindet, um sie zu bewachen. Tränen drangen aus den Augenwinkeln der Frau. Nur, daß sie aussieht, als wäre da drinnen ein verfluchter Halbmensch. Doch es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Er lehnte den Stock an die Wand, drehte den Schlüssel im Schloß und warf die Tür auf, bereit, im Notfall sofort wegzurennen.

Nynaeve und Elayne knieten auf dem Fußboden und hatten eine offensichtlich schlafende Egwene zwischen sich. Er schnappte nach Luft, als er Egwenes verschwollenes Gesicht sah, und änderte seine Meinung, daß sie schlafe. Die anderen beiden Frauen wandten sich ihm zu, als er die Tür so gewaltsam öffnete. Sie wirkten fast genauso zerschlagen wie Egwene. Seng mich! Seng mich! Sie sahen ihn an und schnappten ebenfalls nach Luft.

»Matrim Cauthon«, sagte Nynaeve, und es klang erschrocken, »was beim Licht machst du denn hier?«

»Ich kam, um euch, verflucht noch mal, zu retten«, sagte er. »Seng mich, wenn ich erwartet hätte, so begrüßt zu werden, als ob ich Kuchen stehlen wolle. Ihr könnt mir später ja mal erzählen, warum ihr so ausseht, als hättet ihr mit Bären gekämpft. Wenn Egwene nicht laufen kann, trage ich sie auf dem Buckel. Es sind überall im Stein Aiel, oder jedenfalls nahe genug, und entweder bringen sie die verdammten Verteidiger um, oder die verdammten Verteidiger bringen sie um, aber wie auch immer: Wir sollten hier raus, solange wir, verdammt noch mal, können. Falls wir können!«

»Drücke dich bitte nicht so schmutzig aus«, sagte Nynaeve zu ihm, und Elayne warf ihm einen dieser mißbilligenden Blicke zu, die Frauen so unnachahmlich beherrschen. Keine aber schien ihm ihre ganze Aufmerksamkeit zu widmen. Sie begannen, Egwene zu schütteln, als sei sie nicht mit mehr Schrammen und blauen Flecken bedeckt, als er je in seinem Leben gesehen hatte. Egwenes Augenlider flatterten und öffneten sich. Sie ächzte: »Warum habt ihr mich aufgeweckt? Ich muß es erst durchschauen. Wenn ich die Bande um sie herum löse, wird sie erwachen und ich kann sie nicht mehr einfangen. Aber wenn nicht, wird sie niemals vollständig einschlafen, und... « Ihr Blick fiel auf ihn, und sie riß die Augen auf. »Matrim Cauthon, was beim Licht tust du denn hier?«

»Sag du es ihr«, sagte er zu Nynaeve. »Ich habe zuviel damit zu tun, Euch zu befreien, als daß ich auf meine Ausdrucksweise achte.« Sie blickten alle an ihm vorbei und sahen so wütend aus, als wünschten sie sich, Messer in den Händen zu halten.

Er wirbelte herum, doch alles, was er sah, war Juilin Sandar, der aussah, als habe er eine verfaulte Pflaume verschluckt.

»Sie haben einen Grund«, sagte er zu Mat. »Ich... ich habe sie verraten. Aber ich mußte.« Das galt den Frauen hinter Mat. »Die eine mit den vielen honigfarbenen Zöpfen hat mit mir gesprochen, und ich... ich mußte es tun.« Einen langen Augenblick über sahen ihn alle weiterhin an.

»Liandrin hat gemeine Tricks auf Lager, Meister Sandar«, sagte Nynaeve schließlich. »Vielleicht ist es wirklich nicht ganz Eure Schuld. Wir können die Schuld ja später aufteilen.«

»Wenn dies nun alles geklärt ist«, sagte Mat, »können wir jetzt vielleicht ja gehen?« Ihm war überhaupt nichts klar, doch in diesem Augenblick war es ihm wirklich wichtiger zu gehen.

Die drei Frauen humpelten hinter auf den Gang hinaus, aber dann blieben sie neben der Frau auf der Bank stehen. Sie rollte mit den Augen und wimmerte. »Bitte. Ich werde zum Licht zurückkehren. Ich schwöre, Euch zu gehorchen. Ich werde mit der Eidesrute in der Hand schwören. Bitte... «

Mat fuhr zusammen, als Nynaeve plötzlich ausholte und mit einem gewaltigen Faustschlag die Frau von der Bank beförderte. Sie lag da, und endlich waren ihre Augen vollständig geschlossen. Doch selbst im Liegen hatte sie dieselbe Körperhaltung wie zuvor im Sitzen auf der Bank.

»Es ist weg«, sagte Elayne aufgeregt.

Egwene beugte sich hinunter und kramte in der Gürteltasche der Frau herum. Dann zog sie etwas heraus, das Mat nicht erkennen konnte, und steckte es in die eigene Tasche. »Ja. Es ist ein wunderbares Gefühl. Etwas hat sich geändert, als du sie geschlagen hast, Nynaeve. Ich weiß nicht, was, aber ich konnte es spuren.«

Elayne nickte. »Ich auch.«

»Ich würde gern alles, aber auch alles, an ihr ändern«, sagte Nynaeve grimmig. Sie nahm Egwenes Kopf in ihre Hände, und Egwene stellte sich keuchend auf die Zehenspitzen. Als Nynaeve die Hände von ihr nahm und sich Elayne zuwandte, waren Egwenes Schrammen verschwunden. Die von Elayne verschwanden genauso schnell.

»Blut und Asche!« grollte Mat. »Wieso schlägst du eine Frau, die bloß dagesessen hat? Ich glaube, sie konnte sich überhaupt nicht rühren!« Alle drei wandten sich zu ihm um, und er gab einen erstickten Laut von sich, als sich die Luft in seiner Umgebung mit einem Mal zu dicker Gelatine verfestigte. Er schwebte in die Luft empor, bis seine Stiefel gut einen Schritt über dem Boden baumelten. Oh, seng mich, die Macht! Nun habe ich befürchtet, daß die verfluchten Aes Sedai die verfluchte Macht gegen mich einsetzen würden, und jetzt tun es die verdammten Frauen, die ich retten wollte! Seng mich!

»Du verstehst überhaupt nichts, Matrim Cauthon«, sagte Egwene mit harter Stimme.

»Und bis du verstehst«, sagte Nynaeve noch nervöser, »schlage ich vor, du behältst deine Meinung für dich.«

Elayne begnügte sich mit einem Blick, der ihn an den seiner Mutter erinnerte, wenn sie hinausging, um eine Rute vom Busch abzuschneiden.

Aus irgendeinem Grund ertappte er sich dabei, sie genauso anzugrinsen wie einst seine Mutter. Das hatte ihm dann so manches Mal eine Tracht Prügel eingebracht. Seng mich, wenn sie das fertigbringen, verstehe ich nicht, wie man sie zuerst einsperren konnte! »Was ich verstehe ist, daß ich euch aus etwas herausgeholt habe, was ihr selbst nicht schaffen konntet, und ihr zeigt soviel Dankbarkeit wie ein verfluchter Mann aus Taren-Fähre, der Zahnweh hat!«

»Du hast recht«, antwortete Nynaeve, und plötzlich knallten seine Stiefel so hart auf den Boden, daß seine Zähne aufeinanderschlugen. Aber er konnte sich wieder bewegen. »So sehr es mich schmerzt, das zugeben zu müssen, aber du hast recht, Mat.«

Er war versucht, darauf etwas Sarkastisches zu entgegnen, aber in ihrer Stimme lag gerade soviel Entschuldigung, daß er es auf sich beruhen ließ. »Können wir jetzt gehen? Da die Kämpfe überall weitergehen, glaubt Sandar, daß er und ich euch durch ein kleines Tor in der Nähe des Flusses hinausbringen können.«

»Ich gehe aber noch nicht, Mat«, sagte Nynaeve.

»Ich will Liandrin finden und ihr die Haut abziehen«, sagte Egwene, und es klang beinahe so, als meine sie das ernst.

»Alles, was ich will«, sagte Elayne, »ist Joyia Byir zu verprügeln, bis sie quiekt, aber eine der anderen tut es auch.«

»Seid ihr alle taub?« grollte er. »Dort draußen ist eine Schlacht im Gange! Ich kam her, um euch zu retten, und das werde ich auch tun!« Egwene tätschelte seine Wange, als sie an ihm vorbeiging, und Elayne tat es ihr nach. Nynaeve schniefte bloß. Er blickte ihnen mit offenem Mund nach. »Warum habt Ihr denn nichts gesagt?« fuhr er den Diebfänger an.

»Ich habe gesehen, was Euch das Reden einbrachte«, sagte Sandar schlicht. »Ich bin doch kein Narr.«

»Also, ich will nicht gerade mitten in einer Schlacht herumhocken!« schrie er den Frauen nach. Sie verschwanden eben durch eine kleine, verschlossene Tür. »Ich haue ab, versteht ihr?« Sie blickten noch nicht einmal zurück. Sie werden dort draußen wahrscheinlich umgebracht! Irgend jemand steckt ihnen ein Schwert in die Rippen, während sie gerade woanders hinschauen! Knurrend legte er sich den Bauernspieß auf die Schulter und ging ihnen hinterher. »Wollt Ihr nur hier herumstehen?« rief er dem Diebfänger zu. »Ich bin nicht von soweit hergekommen, um sie jetzt umbringen zu lassen!«