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Perrin duckte sich unter dem Schlag weg und schrie, als er seinerseits mit der Axt zuschlug. Er wußte, eigentlich sollte er Angst empfinden, doch die Bedrängnis unterdrückte alle Furcht. Nur eines spielte noch eine Rolle: Er mußte Leya erreichen und in Sicherheit bringen, und der Trolloc war ihm im Weg.

Der Trolloc fiel brüllend und zuckend zu Boden. Perrin wußte nicht einmal, wo er ihn getroffen hatte und ob er starb oder lediglich verletzt war. Er sprang über ihn hinweg und rannte gebückt den Hang hinauf.

Brennende Bäume warfen fahle Schatten auf die kleine Talmulde. Ein flackernder Schatten neben Moiraines Hütte entpuppte sich plötzlich als Trolloc. Er war gehörnt und hatte die Schnauze eines Ziegenbocks. Mit beiden Händen hielt er eine mit Dornen zusätzlich bewehrte Axt. Er schien sich zuerst in das Getümmel unten stürzen zu wollen, doch dann fiel sein Blick auf Leya.

»Nein!« schrie Perrin. »Licht, nein!« Steine spritzten unter seinen bloßen Füßen weg. Er fühlte die Schrammen nicht einmal. Die Axt des Trollocs hob sich. »Leyaaaaaa!«

Im letzten Moment wirbelte der Trolloc herum, und seine Axt blitzte auf Perrin zu. Er warf sich zu Boden und schrie auf, als Stahl über seinen Rücken schrammte. Verzweifelt streckte er eine Hand aus, packte einen Bocksfuß und zog mit aller Kraft daran. Er schaffte es, dem Trolloc das Bein wegzuziehen, und er stürzte und krachte schwer auf den Boden. Doch als er weiter hangabwärts rutschte, packte er Perrin mit Händen, die doppelt so groß waren wie die des Schmieds. Er zog ihn mit, und sie überschlugen sich im Hinunterrollen. Der Gestank des Trollocs erstickte ihn fast: eine Mischung von Ziegenbock und saurem menschlichen Schweiß. Mächtige Arme umfaßten seinen Brustkorb und drückten ihm die Luft aus der Lunge. Seine Rippen waren nahe daran, zu brechen. Die Axt war dem Trolloc entfallen, aber stumpfe Bockszähne bohrten sich in Perrins Schulter. Mächtige Kiefer drückten zu. Er stöhnte, als der Schmerz seinen linken Arm durchraste. Er rang nach Luft, und seine Augen begannen zu versagen. Aber dann wurde er sich verschwommen bewußt, daß sein anderer Arm frei war und immer noch irgendwie den Schaft der Axt umklammerte. Er umfaßte ihn ganz kurz über der Schneide wie einen Hammer, und der Dorn stand gerade nach vorn ab. Mit einem Aufbrüllen, das ihm die letzte Luft raubte, rammte er dem Trolloc den Dorn in die Schläfe. Lautlos verkrampfte sich dieser, sein Griff löste sich, und er schleuderte Perrin zur Seite. Instinktiv packte er die Axt fester und riß sie heraus, als der Trolloc zuckend weiter hangabwärts rutschte.

Einen Augenblick lang lag Perrin nur da und rang nach Luft. Der Schnitt auf seinem Rücken brannte, und er fühlte die Nässe von Blut. Ein stechender Schmerz durchfuhr seine Schulter, als er sich aufrichtete. »Leya?«

Sie war immer noch da, kauerte vor der Hütte, nicht mehr als zehn Schritt weiter oben. Und sie betrachtete ihn mit einem solchen Gesichtsausdruck, daß er ihr kaum in die Augen sehen konnte. »Bemitleidet mich nicht!« grollte er. »Habt Ihr...!«

Der Sprung des Myrddraals vom Dach der Hütte herunter schien viel zu lang zu dauern, und sein stumpfschwarzer Umhang hing während des Falls um ihn, als stünde der Halbmensch bereits auf dem Boden. Sein augenloser Blick war auf Perrin gerichtet. Er roch nach Tod.

Kälte sickerte in Perrins Arme und Beine, als ihn der Myrddraal ansah. Sein Brustkorb war wie ein Eisklumpen. »Leya«, flüsterte er. Er konnte sich nur mit Mühe beherrschen, nicht davonzurennen. »Leya, versteckt Euch bitte. Bitte.«

Der Halbmensch ging langsam und selbstbewußt auf ihn zu, sicher, daß er vor Furcht gelähmt sei. Er bewegte sich schlangengleich und zog dabei ein Schwert, so schwarz, daß es nur durch die brennenden Bäume sichtbar gemacht wurde. »Trennt ein Bein eines dreibeinigen Hockers ab«, sagte er leise, »und alle fallen herunter.« Die Stimme klang wie zerfallendes, verrottetes Leder.

Plötzlich bewegte sich Leya. Sie warf sich nach vorn und versuchte, die Beine des Myrddraals mit ihren Armen zu umschlingen. Er schwang beinahe gleichgültig das dunkle Schwert rückwärts, ohne sich dabei auch nur umzublicken, und sie brach zusammen.

Tränen traten Perrin in die Augen. Ich hätte ihr helfen müssen... sie retten. Ich hätte... etwas... tun müssen! Aber solange ihn der Myrddraal mit seinem augenlosen Blick fixierte, war es schwer, auch nur zu denken.

Wir kommen, Bruder. Wir kommen, Junger Bulle.

Die Worte in seinem Kopf ließen diesen wie eine Glocke klingen. Die Schwingungen durchzitterten ihn. Mit den Worten kamen die Wölfe, ganze Rudel, und sie überfluteten seinen Geist, wie sie in die Talmulde fluteten. Bergwölfe, so groß, daß sie einem Mann bis an die Hüfte reichten, alle weiß und grau, so hetzten sie aus der Nacht heraus, um die Überraschung der Zweibeiner wohl wissend, als sie sich auf die Entstellten stürzten. Die Wölfe erfüllten ihn, bis er sich kaum noch daran erinnern konnte, ein Mensch zu sein. In seinen Augen sammelte sich das Licht, und sie leuchteten golden. Und der Halbmensch blieb mit einem Mal unsicher stehen.

»Blasser«, sagte Perrin grob, aber dann kam ihm ein anderer Name in den Sinn, der von den Wölfen stammte. Trollocs, die Entstellten, die während des Schattenkriegs aus einer Kreuzung von Mensch und Tier erschaffen worden waren, waren schlimm genug, doch die Myrddraal... »Ungeborener!« Der Junge Bulle spuckte aus. Mit gefletschten Zähnen stürzte er sich knurrend auf den Myrddraal.

Der bewegte sich elegant und tödlich wie eine Viper. Das schwarze Schwert war schnell wie der Blitz. Aber er war der Junge Bulle. So nannten ihn die Wölfe. Der Junge Bulle mit Hörnern aus Stahl, die er mit seinen Händen führte. Er war eins mit den Wölfen. Er war ein Wolf, und jeder Wolf würde mit Freude sterben, wenn er einen der Ungeborenen dadurch zu Fall bringen konnte. Der Blasse wich vor ihm zurück. Seine pfeilschnellen Schläge wurden nun zur Abwehr vor Perrins Axthieben.

Kniesehne und Kehle, das waren die Angriffsziele der Wölfe. Der Junge Bulle warf sich plötzlich zur Seite und fiel auf ein Knie nieder. Seine Axt schnitt quer über die Kniekehle des Halbmenschen. Der schrie — ein bis ins Mark durchdringender Schrei, der ihm zu jeder anderen Zeit die Haare zu Berge stehen lassen hätte —, stürzte und fing sich mit einer Hand ab. Der Halbmensch — der Ungeborene — hielt sein Schwert noch fest in der Hand, aber bevor er sich aufrappeln konnte, schlug die Axt des Jungen Bullen erneut zu. Halb abgehackt fiel der Kopf des Myrddraal nach hinten und hing ihm den Rücken hinab. Doch immer noch stützte sich der Ungeborene auf eine Hand, und sein Schwert durchschnitt wild die Luft. Die Ungeborenen brauchten lange, um zu sterben.

Durch die Augen der Wölfe und zugleich durch seine eigenen sah der Junge Bulle Bilder von Trollocs, die sich kreischend auf dem Boden wälzten, ohne von Mensch oder Wolf berührt worden zu sein. Die waren offensichtlich mit diesem Myrddraal verbunden und würden sterben, wenn er starb, falls niemand anders sie vorher tötete. Der Drang, den Hang hinunterzurennen und sich seinen Brüdern anzuschließen, mit ihnen zusammen die Entstellten und die verbliebenen Ungeborenen zu töten, war stark, aber das tief vergrabene Stück Mensch in seinem Innern erinnerte sich. Leya.

Er ließ seine Axt fallen und drehte sie sanft herum. Blut strömte über ihr Gesicht, und ihre Augen starrten ihn glasig und tot an. Es schien ihm ein anklagender Blick. »Ich habe es versucht«, sagte er ihr. »Ich habe versucht, Euch zu retten.« Ihr Blick veränderte sich nicht. »Was hätte ich sonst tun können? Er hätte Euch getötet, hätte ich ihn nicht vorher umgebracht!«

Komm, Junger Bulle. Komm, töten wir die Entstellten!

Der Wolf überrollte ihn, hüllte ihn vollständig ein. Perrin ließ Leya zu Boden sinken und nahm seine Axt. Die Schneide glänzte feucht. Seine Augen leuchteten, als er den steinigen Abhang hinunterstürmte. Er war der Junge Bulle.