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»Nein!« Die Schienarer schienen überrascht, mit welcher Vehemenz Perrin das herausschrie. »Sie haben für uns gekämpft, und wir begraben sie zusammen mit unseren Toten.«

Uno runzelte die Stirn und öffnete den Mund, als wolle er etwas entgegnen, aber Perrin sah ihn durchdringend mit seinen gelben Augen an. Der Schienarer senkte den Blick zuerst und nickte.

Perrin räusperte sich verlegen, als Uno den Schienarern, die noch gut genug auf den Beinen waren, die Anweisung gab, die toten Wölfe zusammenzutragen. Min kniff die Augen zusammen und sah ihn an, als sehe sie Dinge um ihn herum, die er nicht wahrnehmen konnte. »Wo ist Rand?« fragte er sie.

»Draußen im Dunklen«, sagte sie und nickte in Richtung nach oben, ohne von ihm wegzublicken. »Er will mit niemandem sprechen. Er sitzt nur herum und faucht jeden an, der sich ihm nähert.«

»Mit mir wird er sprechen«, sagte Perrin. Sie folgte ihm und drang auf ihn ein, er müsse erst seine Verwundungen von Moiraine behandeln lassen. Licht, was sieht sie, wenn sie mich so anblickt? Ich will es lieber nicht wissen.

Rand saß auf dem Boden gerade außerhalb des Lichtscheins der brennenden Bäume und lehnte sich mit dem Rücken an den Stamm einer abgebrochenen Eiche. Er blickte ins Leere und hatte die Arme um seinen Oberkörper geschlungen und die Hände unter den roten Mantel gesteckt, als fühle er den Biß der Kälte. Er schien ihr Näherkommen nicht zu bemerken. Min setzte sich neben ihn, aber er rührte sich nicht, selbst als sie ihm eine Hand auf den Arm legte. Selbst hier roch Perrin Blut und nicht nur sein eigenes.

»Rand«, fing Perrin an, aber Rand ließ ihn nicht zu Wort kommen.

»Weißt du, was ich während des Kampfes gemacht habe?« Rand blickte immer noch ins Leere und richtete seine Worte an die Nacht. »Nichts! Nichts Nützliches! Zuerst habe ich die Wahre Quelle zu berühren versucht und konnte nicht, konnte sie nicht fassen. Sie ist mir immer wieder entglitten. Dann, als ich sie schließlich im Griff hatte, wollte ich sie alle verbrennen, die Trollocs und die Blassen. Aber alles, was ich fertigbrachte, war, ein paar Bäume in Brand zu setzen.« Er schüttelte sich in lautlosem Lachen und beruhigte sich dann wieder mit schmerzvoll verzogenem Gesicht. »Saidin erfüllte mich, bis ich glaubte, wie ein Feuerwerkskörper explodieren zu müssen. Ich mußte es irgendwohin ableiten, es loswerden, bevor es mich verbrannte, und ich ertappte mich dabei, daß ich überlegte, den Berg herabstürzen zu lassen, um die Trollocs darunter zu begraben. Beinahe hätte ich es versucht. Das war mein ganzer Kampf. Nicht gegen die Trollocs. Gegen mich selbst. Um mich davon abzuhalten, uns alle unter einem Berg zu begraben.«

Min warf Perrin einen verzweifelten und hilfesuchenden Blick zu.

»Wir... sind mit ihnen fertiggeworden, Rand«, sagte Perrin. Er schauderte, als er an all die Verwundeten unten dachte. Und die Toten. Besser das, als den ganzen Berg über uns einstürzen zu lassen. »Wir haben dich nicht dazu gebraucht.«

Rand ließ den Kopf gegen den Baumstamm fallen und schloß die Augen. »Ich habe sie kommen gefühlt«, sagte er, und er flüsterte die Worte beinahe. »Aber ich wußte nicht, was es war. Sie fühlten sich an wie das Verderben auf Saidin. Und Saidin ist immerzu da, ruft mich, singt zu mir. Als mir schließlich der Unterschied klar wurde, hat Lan bereits Alarm gegeben. Wenn ich es nur kontrollieren könnte! Ich hätte das Lager warnen können, bevor sie auch nur in der Nähe waren. Aber einen großen Teil der Zeit über, wenn ich Saidin berühre, weiß ich überhaupt nicht, was ich tue. Der Strom schwemmt mich einfach mit fort. Aber ich hätte euch warnen können.«

Perrin bewegte nervös seine geschundenen Füße. »Wir sind zur Genüge gewarnt worden.« Er wußte, es klang, als wolle er sich das einreden. Ich hätte sie auch warnen können, wenn ich mit den Wölfen gesprochen hätte. Sie wußten, daß sich Trollocs und Blasse in den Bergen befanden. Sie versuchten, es mir mitzuteilen. Aber er fragte sich auch: Wenn er die Wölfe nicht aus seinem Geist ferngehalten hätte, würde er dann nicht jetzt bereits mit dem Rudel rennen? Da war ein Mann gewesen, Elyas Machera, der ebenfalls mit den Wölfen sprechen konnte. Elyas hielt sich die ganze Zeit bei ihnen auf, schien sich aber gut daran zu erinnern, daß er ein Mensch war. Er hatte Perrin nie gesagt, wie er das machte, und Perrin hatte ihn schon lange nicht mehr getroffen.

Das Knirschen von Stiefeln auf dem steinigen Boden verriet die Ankunft zweier weiterer Leute. Ein Luftzug brachte ihre Witterung bis zu Perrin. Er hütete sich jedoch, ihre Namen auszusprechen, bis Moiraine und Lan nahe genug waren, um auch von einem gewöhnlichen Auge ausgemacht zu werden.

Der Behüter hatte eine Hand unter Moiraines Arm, als bemühe er sich, sie zu stützen, ohne es sie wissen zu lassen. Moiraines Augen wirkten vollkommen erschöpft, und in der Hand trug sie eine kleine, uralte Elfenbeinfigur, die eine Frau darstellte. Perrin wußte, daß es ein Angreal war, ein Überbleibsel aus dem Zeitalter der Legenden, das einer Aes Sedai half, ohne Risiko mehr Macht, als es ihr allein möglich gewesen wäre, zu lenken. Es war ein deutliches Zeichen ihrer Erschöpfung, daß sie ihn zum Heilen benützte.

Min stand auf, um Moiraine zu helfen, doch die Aes Sedai winkte ab. »Ich habe mich um alle anderen gekümmert«, sagte sie zu Min. »Wenn ich hier fertig bin, kann ich mich ausruhen.« Sie schüttelte auch Lans Hand ab, und auf ihrem Gesicht lag wieder höchste Konzentration, als sie mit einer kühlen Hand über Perrins blutende Schulter und die Wunde auf dem Rücken strich. Bei ihrer Berührung bekam er eine Gänsehaut. »Das ist nicht zu schlimm«, meinte sie. »Die Quetschung an Eurer Schulter ist tief, doch die Schnitte sind nur oberflächlich. Beißt die Zähne zusammen. Es wird nicht weh tun, aber... «

Ihm war es immer schon unangenehm gewesen, jemandem nahe zu sein, die die Eine Macht lenkte, und noch mehr, wenn es ihn selbst direkt betraf. Es war aber ein- oder zweimal notwendig gewesen, und so glaubte er zu wissen, was das bedeutete. Allerdings waren das ganz geringe Verwundungen gewesen, und Moiraine hatte ihm mehr oder weniger nur die Erschöpfung nehmen wollen, wenn er unbedingt ausgeruht sein mußte. Es war ganz anders gewesen als jetzt.

Plötzlich schienen die Augen der Aes Sedai in sein Inneres und durch ihn hindurch blicken zu können. Er keuchte und ließ beinahe die Axt fallen. Die Haut an seinem Rücken kribbelte, und seine Muskulatur verhärtete und entspannte sich dann endlich. Seine Schulter bebte unkontrollierbar, und alles verschwamm ihm vor den Augen. Kälte schnitt bis auf die Knochen und noch tiefer. Er hatte den Eindruck von Bewegung, Fallen, Fliegen; er wußte nicht, was, doch es war ein Gefühl, als rase er irgendwie irgendwohin, und zwar mit wahnwitziger Geschwindigkeit und endlos lange. Nach einer Ewigkeit klärte sich die Welt um ihn herum wieder auf. Moiraine trat zurück. Sie taumelte, bis Lan sie am Arm nahm.

Staunend betrachtete Perrin seine Schulter. Die Risse und Quetschungen waren verschwunden, und nicht einmal ein leichtes Zwicken war mehr zu spüren. Er drehte seinen Oberkörper vorsichtig, aber der Schmerz in seinem Rücken war auch verschwunden. Und seine Füße taten nicht mehr weh. Er mußte nicht erst hinuntersehen, um zu wissen, daß die Kratzer und Abschürfungen ebenfalls weg waren. Sein Magen knurrte laut.