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Perrin zuckte nervös die Achseln. »Hör mal, Min. Ich tue, was ich kann, um ihm zu helfen.« Wieviel das auch sein mochte. »Das verspreche ich. Es ist wirklich das beste für dich, wenn du nach Tar Valon gehst. Dort bist du in Sicherheit.«

»Sicherheit?« Sie prüfte das Wort mit der Zunge auf seinen Geschmack hin. »Glaubst du, in Tar Valon sei man sicher?«

»Wenn man in Tar Valon keine Sicherheit findet, dann nirgends.«

Sie schniefte vernehmlich, und dann machten sie sich schweigend zu denen auf, die ihren Aufbruch vorbereiteten.

7

Der Weg aus den Bergen

Es war ein schwieriger Weg aus den Bergen hinunter, doch je tiefer sie kamen, desto weniger brauchte Perrin seinen pelzbesetzten Umhang. Stunde um Stunde entfernten sie sich von den letzten Ausläufern des Winters und ritten in den Frühling hinein. Die letzten Schneereste verschwanden. Gras und Blumen — weiße Jungfernhoffnung und rosa Springblumen — begannen die Bergwiesen zu überziehen, die sie überquerten. Bäume wurden häufiger, wie auch deren Blätter, und in den Ästen sangen Lerchen und Rotkehlchen. Und es gab Wölfe. Sie hielten sich nie in ihrer Sichtweite auf. Nicht einmal Lan erwähnte, einen gesehen zu haben. Aber Perrin wußte Bescheid. Er schloß seinen Verstand fest gegen sie ab, doch hier und da erinnerte ein federleichtes Kitzeln in seinem Kopf ihn an ihre Anwesenheit.

Lan verbrachte die meiste Zeit damit, auf seinem schwarzen Streitroß Mandarb ihren Pfad zu erkunden. Er folgte Rands Spuren, und die anderen folgten den Zeichen, die der Behüter wiederum ihnen zurückließ — einen aus Steinchen zusammengesetzten Pfeil am Boden oder einen ganz leicht eingeritzten Pfeil in einer Felswand, wo sich der Weg gabelte. Biegt hier ab. Überquert diese Paßhöhe. Nehmt diesen Hirschpfad, reitet ein Stück zurück, hier durch die Bäume und dann den kleinen Bach entlang, auch wenn es keine Anzeichen dafür gibt, daß jemals ein anderer Mensch diesen Weg genommen hat. Nichts als die von Lan hinterlassenen Zeichen. Ein Gras- oder Kräuterbüschel, zusammengebunden und an eine Seite gelegt, um zu sagen: Haltet euch links. Ein weiteres, damit sie sich rechts hielten. Ein abgeknickter Ast. Ein Häufchen Kieselsteine, das auf einen schweren Anstieg hindeutete, und zwei Blätter, die er auf einen Dorn gesteckt hatte, um sie auf einen steilen Abstieg vorzubereiten. Der Behüter hatte hundert verschiedene Zeichen, so schien es Perrin, und Moiraine kannte alle. Lan gesellte sich nur selten zu ihnen, außer, wenn sie ihr Lager aufschlugen. Dann beriet er sich leise und ein Stück vom Feuer entfernt mit Moiraine. Wenn die Sonne aufging, war er meist schon ein paar Stunden unterwegs.

Moiraine war immer die erste nach ihm, die sich in den Sattel schwang, wenn sich der Himmel im Osten gerade rosa färbte. Die Aes Sedai wäre auch nicht bei Anbruch der Dunkelheit von ihrer weißen Stute Aldieb gestiegen, wenn Lan sich nicht geweigert hätte, in der Dämmerung noch weiter nach Spuren zu suchen.

»Wir müssen noch viel langsamer reiten, falls eins unserer Pferde sich ein Bein bricht«, sagte der Behüter zu Moiraine, als sie sich darüber beschwerte.

Ihre Antwort fiel immer mehr oder weniger gleich aus: »Wenn du nicht schneller vorwärtskommst als in diesem Schneckentempo, sollte ich dich besser Myrelle abtreten, bevor du zu alt bist. Nun ja, vielleicht kann das noch warten, aber du mußt uns schneller vorwärtsbringen.«

Es klang, als sei ihre Drohung halb Scherz und halb ernsthaft. Es lag jedenfalls etwas wie eine Drohung darin oder vielleicht auch eine Warnung, da war Perrin sicher, denn Lans Mund verzog sich ärgerlich. Allerdings lächelte sie danach und klopfte ihm beruhigend auf die Schulter.

»Wer ist Myrelle?« fragte Perrin beim erstenmal mißtrauisch. Loial schüttelte den Kopf und murmelte etwas von unangenehmen Dingen, die Leuten zustießen, wenn sie ihre Nase in die Angelegenheiten von Aes Sedai steckten. Das zottige Pferd des Ogiers war so grobknochig und schwer wie ein Dhurran-Hengst, aber wenn Loials lange Beine auf beiden Seiten fast bis auf den Boden herunterhingen, wirkte es wie ein Pony.

Moiraine lächelte amüsiert und geheimnisvoll. »Nur eine Grüne Schwester. Jemand, der Lan vielleicht eines Tages ein Päckchen überbringen muß, damit sie es sicher aufbewahrt.«

»Keines nahen Tages«, sagte Lan, und überraschenderweise lag ganz offener Zorn in seiner Stimme. »Niemals, wenn es nach mir geht. Ihr werdet mich lange überleben, Moiraine Aes Sedai!«

Sie hat zu viele Geheimnisse, dachte Perrin, aber er berührte dieses Thema nicht mehr. Es war zu heiß, wenn die eiserne Beherrschung des Behüters damit zu durchbrechen war.

Die Aes Sedai hatte hinter ihren Sattel ein in Decken gewickeltes Bündel geschnallt: das Drachenbanner. Perrin fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, es dabei zu haben, aber Moiraine hatte ihn nicht nach seiner Meinung gefragt und hörte auch nicht hin, als er sie trotzdem sagte. Nicht, daß irgend jemand die Flagge erkennen könnte, so wie sie eingewickelt dort lag. Er hoffte aber, daß sie Geheimnisse vor anderen Leuten genauso gut hüten könne wie vor ihm.

Zu Anfang war es ein langweiliger Ritt. Ein wolkengekrönter Berg sah aus wie der andere, und ein Paß unterschied sich kaum vom nächsten. Zum Abendessen gab es gewöhnlich Kaninchen. Perrin jagte sie mit seiner Steinschleuder. Er hatte nicht genug Pfeile, um zu riskieren, in diesem steinigen Gebiet damit auf die Kaninchen zu schießen. Zum Frühstück gab es dann, jedenfalls meistens, kaltes Kaninchenfleisch, und das Mittagessen, das sie im Sattel verzehrten, war das gleiche.

Manchmal, wenn sie in der Nähe eines Bachs lagerten und es noch hell genug war, fingen Loial und er Bergforellen. Sie legten sich auf den Bauch, streckten die Arme bis zu den Ellbogen ins kalte Wasser und kitzelten die grüngetarnten Fische aus ihren Verstecken unter Steinen heraus. Loials Finger waren wohl dick, konnten aber auch noch schneller zupacken als Perrins Hände.

Einmal, als sie drei Tage lang unterwegs gewesen waren, schloß sich Moiraine ihnen an. Sie streckte sich am Ufer aus und öffnete erst einmal die Verschlüsse von ein paar Perlenketten, damit sie anschließend die Ärmel hochkrempeln konnte. Sie fragte, wie die beiden das machten. Perrin und Loial sahen sich überrascht an. Der Ogier zuckte die Achseln.

»Es ist wirklich nicht schwer«, sagte Perrin zu ihr. »Ihr müßt die Hand von hinten und unter ihrem Bauch hochziehen, als wolltet Ihr sie daran kitzeln. Dann zieht Ihr sie heraus. Man braucht aber schon Übung dazu. Die ersten paarmal fangt Ihr sie vielleicht noch nicht.«

»Ich habe es tagelang versucht, bevor ich endlich eine fing«, fügte Loial hinzu. Er senkte bereits wieder seine riesigen Hände ins Wasser und achtete sorgfältig darauf, daß sein Schatten die Fische nicht vertrieb.

»Tatsächlich so schwierig?« murmelte Moiraine. Ihre Hände glitten ins Wasser, und einen Augenblick später zog sie sie wieder heraus. Es klatschte und spritzte, denn sie hielt eine fette Forelle darin. Sie lachte erfreut, als sie den Fisch ans Ufer warf.

Perrin blickte verdattert drein, als der große Fisch im Schein der untergehenden Sonne zappelte. Er mußte wenigstens fünf Pfund wiegen. »Da habt Ihr aber Glück gehabt«, sagte er. »Forellen von solcher Größe verstecken sich selten unter so kleinen Steinvorsprüngen. Wir müssen ein bißchen weiter hoch gehen, gegen die Strömung, denn es wird dunkel sein, bevor sich an diesem Fleck wieder ein Fisch verbirgt.«

»Tatsächlich?« fragte Moiraine. »Dann geht ihr zwei schon mal los. Ich probiere es doch noch mal hier.«