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»Aber, ich bin einmal nach Jehannah gereist, guter Herr. Dort sah ich zwei... zwei Frauen wie sie. Deshalb konnte ich mich in ihr nicht täuschen.« Er senkte seine Stimme, bis er nur noch flüsterte. »Man sagt, sie könnten Tote zum Leben erwecken, guter Herr.«

»Wer weiß noch davon?« fragte Perrin in scharfem Ton, und beinahe gleichzeitig sagte Loiaclass="underline" »Wenn Euer Bruder tot ist, kann niemand mehr etwas für ihn tun.«

Der Mann mit dem Froschgesicht blickte ängstlich von einem zum anderen, und seine Worte überstürzten sich: »Keiner außer mir, guter Herr. Noam ist nicht tot, guter Ogier, nur krank. Ich schwöre, daß sonst niemand sie erkennen würde. Selbst Meister Harod ist in seinem ganzen Leben niemals weiter als zwanzig Meilen von hier fortgewesen. Er ist so krank. Ich würde sie selbst fragen, nur daß dann meine Knie so zittern und ich nicht richtig sprechen könnte. Was ist, wenn sie sich ärgert und einen Blitz auf mich schleudert? Und was, wenn ich mich irre? Es ist nicht gerade etwas, dessen man eine Frau beschuldigt, ohne... ich meine... äh...« Er hob bittend und abwehrend zugleich die Hände.

»Ich will nichts versprechen«, sagte Perrin, »aber ich rede mit ihr. Loial, warum bleibst du nicht bei Simion, bis ich mit Moiraine gesprochen habe?«

»Natürlich«, dröhnte die Stimme des Ogiers. Simion fuhr zusammen, als Loials riesige Hand seine Schulter verschlang. »Er zeigt mir mein Zimmer und wir unterhalten uns. Simion, was wißt Ihr über Bäume?«

»B-b-bäume, g-g-guter Ogier?«

Perrin wartete nicht mehr. Er eilte durch den dunklen Flur zurück und klopfte an Moiraines Tür. Er wartete kaum auf ihr »Herein«, da war er auch schon drin.

Ein halbes Dutzend Kerzen zeigte ihm, daß auch das beste Zimmer im ›Sprung‹ nicht gerade vornehm war, auch wenn das einzige Bett einen auf vier Pfosten befestigten Himmel aufwies und die Matratze nicht so schlecht aussah wie die in seinem Zimmer. Auf dem Boden lag ein Fetzen, der nach Teppich aussah, und statt der Hocker standen hier zwei Polsterstühle. Abgesehen davon sah es nicht anders aus als sein Zimmer. Moiraine und Lan standen vor dem kalten Kamin, als hätten sie ein Gespräch geführt, und die Aes Sedai wirkte nicht sehr glücklich über die Unterbrechung. Das Gesicht des Behüters war so unbeweglich wie ein Holzschnitt.

»Rand war tatsächlich hier«, begann Perrin. »Dieser Bursche Simion erinnert sich an ihn.« Moiraine zischte durch die Zähne.

»Man hat dir doch gesagt, du solltest den Mund halten«, grollte Lan.

Perrin versteifte sich und sah den Behüter an. Das war einfacher, als Moiraines wütenden Blick zu ertragen. »Wie konnten wir herausfinden, ob er hier war, ohne Fragen zu stellen? Vielleicht verratet Ihr mir das einmal. Falls es Euch interessiert: Er ritt letzte Nacht hier los und zwar nach Osten. Und er quatschte etwas von jemandem, der ihn verfolgt und versucht, ihn umzubringen.«

»Nach Osten.« Moiraine nickte. Die vollkommene Ruhe in ihrer Stimme widersprach dem Tadel in ihrem Blick. »Es ist gut, das zu wissen, obwohl es ja eigentlich klar ist, wenn er nach Tear will. Aber ich war ziemlich sicher, daß er hier war, bevor ich noch von den Weißmänteln hörte. Danach war es sowieso klar. Rand hat auf jeden Fall recht im Hinblick auf eine Sache, Perrin. Ich kann nicht glauben, daß wir die einzigen sind, die ihn verfolgen. Und falls sie etwas von uns ahnen sollten, werden sie vielleicht versuchen, uns aufzuhalten. Wir haben schon genug damit zu tun, Rand aufzuspüren. Ihr müßt lernen, Eure Zunge zu hüten, bis ich Euch sage, daß Ihr sprechen dürft.«

»Die Weißmäntel?« fragte Perrin ungläubig. Meine Zunge hüten? Seng mich, wenn ich das tue! »Wie konnten sie Euch das...? Rands Wahnsinn. Ist das ansteckend?«

»Nicht sein Wahnsinn«, sagte Moiraine, »falls er schon so weit ist, daß man ihn überhaupt verrückt nennen kann. Perrin, er ist ein stärkerer TaVeren als jeder seit dem Zeitalter der Legenden! Gestern hat sich in diesem Dorf das Muster... bewegt, sich ihm angepaßt wie Ton, den man auf eine Form preßt. Die Hochzeiten, die Weißmäntel, das war genug, um mir zu sagen: Rand war hier. Jeder hätte das gewußt, der zuhören kann.«

Perrin atmete tief ein. »Und so etwas werden wir überall vorfinden, wo er sich aufgehalten hat? Licht, wenn er Geschöpfe des Schattens auf den Fersen hat, können sie ihn dadurch genauso leicht aufspüren wie wir.«

»Vielleicht«, sagte Moiraine. »Vielleicht aber auch nicht. Niemand weiß etwas über TaVeren von Rands Ausmaßen.« Einen kurzen Moment lang schien sie sich darüber zu ärgern, daß sie etwas nicht einschätzen konnte. »Artur Falkenflügel war der stärkste Ta'veren, über den es Aufzeichnungen gibt. Und Falkenflügel war keineswegs so stark wie Rand.«

»Man sagt«, warf Lan ein, »daß es Zeiten gab, wenn Menschen, die sich im gleichen Raum wie Falkenflügel befanden, die Wahrheit sagten, obwohl sie lügen wollten, und daß sie Entschlüsse faßten, von denen sie noch nicht einmal selbst wußten, daß sie so etwas vorhatten. Zeiten, wenn jeder Würfel, jede Spielkarte zu seinen Gunsten entschied. Aber nur manchmal natürlich.«

»Das heißt, Ihr wißt es nicht«, sagte Perrin. »Er könnte eine ganze Spur von Hochzeiten und verrückt gewordenen Weißmänteln von hier bis Tear hinterlassen.«

»Ich meine, ich weiß soviel, wie man überhaupt wissen kann«, sagte Moiraine in scharfem Ton. Der Blick aus ihren dunklen Augen traf Perrin wie eine Peitsche. »Das Muster formt sich um einen Ta'veren, und andere können der Gestalt dieser Fäden folgen, wenn sie wissen, wonach sie suchen müssen. Nehmt Euch in acht, daß Eure Zunge nicht mehr zerstört, als Ihr wissen könnt.«

Unwillkürlich zog Perrin den Kopf ein, als beziehe er von ihr wirkliche Prügel. »Na ja, diesmal solltet Ihr froh sein, daß ich den Mund rechtzeitig aufgemacht habe. Simion weiß, daß Ihr eine Aes Sedai seid. Er möchte, daß Ihr seinen Bruder Noam von irgendeiner Krankheit heilt. Wenn ich nicht mit ihm gesprochen hätte, hätte er nie den Mut aufgebracht, mich darum zu bitten, sondern hätte vielleicht statt dessen herumgeklatscht.«

Lan lenkte Moiraines Aufmerksamkeit auf sich, und sie sahen sich einen Moment lang in die Augen. Der Behüter hatte etwas an sich, wie ein Wolf vor dem Sprung. Schließlich schüttelte Moiraine den Kopf. »Nein«, sagte sie.

»Wie Ihr wünscht. Es ist Eure Entscheidung.« Lans Stimme klang, als habe sie eine falsche Entscheidung getroffen, aber die Anspannung verschwand aus seiner Gestalt.

Perrin sah beide mit großen Augen an. »Ihr wolltet doch nicht etwa... Simion könnte niemandem etwas sagen, wenn er tot wäre, nicht wahr?«

»Er wird nicht durch mich sterben«, sagte Moiraine. »Aber ich kann und will nicht versprechen, daß es immer so ausgeht. Wir müssen Rand finden, und ich werde dabei nicht versagen. Ist Euch das klar genug?« In ihrem Blick gefangen, konnte Perrin nicht antworten. Sie nickte, als sei sein Schweigen Antwort genug. »Bringt mich jetzt zu Simion.«

Die Tür zu Loials Zimmer stand offen, und Kerzenschein fiel in den Flur. Man hatte die beiden Betten drin zusammengeschoben, und Loial und Simion saßen auf der Kante des einen. Der kinnlose Mann sah mit offenem Mund und erstauntem Gesicht zu Loial auf.

»O ja, die Stedding sind wunderbar«, sagte Loial gerade. »Es herrscht dort ein solcher Friede, unter den Großen Bäumen. Ihr Menschen habt Eure Kriege und Eure Rivalität, aber in einem Stedding herrscht immer Friede. Wir pflegen die Bäume und leben in Harmonie... « Er brach ab, als er Moiraine mit Lan und Perrin im Schlepptau sah.

Simion stand schnell auf, verbeugte sich und zog sich dabei zurück, bis er an die Wand stieß. »Äh... gute Frau... Äh... äh...« Selbst dabei hüpfte er noch auf und ab wie eine Marionette.