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Die anderen schienen bei dem Gedanken auch nicht gesprächiger zu werden.

Um ihr Zittern zu verbergen, beugte sie sich hinunter zu der sanft schaukelnden Trage. Mats Decken waren verrutscht und hatten den Blick auf einen gekrümmten Dolch in einer goldenen Scheide freigegeben, den er in einer Hand hielt. Der Griff war mit einem Rubin von der Größe eines Taubeneis verziert. Sie hütete sich, den Dolch zu berühren, und zog die Decken wieder zurück über seine Hand. Er war nur wenige Jahre älter als sie, aber seine eingefallenen Wangen und die fahle Haut ließen ihn viel älter erscheinen. Seine Brust hob sich kaum bei seinen rauhen Atemzügen. Zu seinen Füßen lag ein voller Ledersack. Sie zog auch über den die Decke. Wir müssen Mat in die Burg bringen, dachte sie. Und den Sack. Auch Nynaeve beugte sich hinunter und fühlte nach Mats Stirn. »Sein Fieber wird schlimmer.« Sie klang besorgt. »Wenn ich nur ein wenig Sorgenfreiwurzel dabei hätte oder Fieberbann.«

»Und wenn Verin wieder versuchte, ihn mit Hilfe der Macht zu heilen?« warf Elayne ein.

Nynaeve schüttelte den Kopf. Sie strich über Mats Haar und seufzte. Dann richtete sie sich wieder auf. »Sie sagt, sie könne nicht mehr tun, als ihn gerade noch am Leben halten, und das glaube ich ihr. Ich... ich habe gestern abend auch versucht, ihn mit Hilfe der Macht zu heilen, aber es ist nichts dabei herausgekommen.«

Elayne schnappte nach Luft. »Sheriam Sedai sagt, wir dürfen keine Heilung versuchen, bis wir jeden einzelnen Schritt hundertmal geübt haben!«

»Du hättest ihn umbringen können!« sagte Egwene scharf.

Nynaeve schniefte laut. »Ich habe schon Heilungen fertiggebracht, bevor ich je daran dachte, nach Tar Valon zu gehen. Ich wußte nicht einmal, was ich tat. Aber es scheint, daß ich meine Medikamente dazu brauche, wenn es wirken soll. Wenn ich nur etwas Fieberbann hätte. Ich glaube nicht, daß noch viel Zeit übrig bleibt. Vielleicht nur noch Stunden.«

Egwene glaubte herauszuhören, daß sie wohl genauso unglücklich darüber sei, woher sie das wußte und auf welche Art sie es festgestellt hatte, wie über Mats Zustand selbst. Sie fragte sich erneut, warum Nynaeve eigentlich beschlossen hatte, zur Ausbildung nach Tar Valon zu gehen. Sie hatte ganz unbewußt gelernt, die Macht zu lenken, auch wenn sie nicht immer alles unter Kontrolle halten konnte, und sie hatte die Krise überstanden, die drei von vier Frauen umbrachte, wenn sie ohne die Anleitung der Aes Sedai sich der Macht zu bedienen lernten. Nynaeve behauptete, sie wolle eben mehr lernen, aber sie zögerte oftmals derart und wirkte dann eher wie betäubt...

»Wir haben ihn bald in der Weißen Burg«, sagte Egwene. »Dort können sie ihn heilen. Die Amyrlin wird sich um ihn kümmern. Sie wird sich überhaupt um alles kümmern.« Sie blickte nicht zu dem Fleck hinüber, wo Mats Decken den Sack bedeckten. Die beiden anderen Frauen mieden ebenfalls bewußt jeden Blick in diese Richtung. Es gab Geheimnisse, die sie alle nur zu gern loswerden wollten.

»Reiter«, sagte Nynaeve plötzlich, aber Egwene hatte sie auch bereits gesehen. Zwei Dutzend Männer erschienen auf einer kleinen Erhebung vor ihnen. Weiße Umhänge flatterten, als sie in einem Bogen auf sie zu galoppierten.

»Kinder des Lichts«, sagte Elayne, und sie sprach es wie einen Fluch aus. »Ich denke, hier haben wir deinen Sturm und Hurins Schwierigkeiten.«

Verin hatte ihr Pferd angehalten und eine Hand auf Hurins Arm gelegt, damit er sein Schwert nicht ziehen konnte. Egwene berührte das vordere der beiden Pferde, zwischen denen die Trage hing, damit es gleich hinter der rundlichen Aes Sedai stehenblieb.

»Laßt nur mich sprechen, Kinder«, sagte die Aes Sedai gelassen. Sie schob ihre Kapuze zurück und enthüllte das Grau ihrer Haare. Egwene war nicht sicher, wie alt Verin wirklich war. Alt genug auf jeden Fall für eine Großmutter, doch die grauen Strähnen waren das einzige Anzeichen von Alter, das die Aes Sedai zeigte. »Und was ihr auch tut, gestattet es ihnen nicht, euch zu provozieren.«

Verins Gesicht blieb genauso ruhig wie ihre Stimme, aber Egwene glaubte gesehen zu haben, wie sie nach Tar Valon hinüberblickte, um die Entfernung abzuschätzen. Die Turmspitzen waren jetzt sichtbar und eine hohe Brücke, die sich über den Fluß zur Insel spannte, hoch genug, damit die Handelsschiffe unter vollen Segeln darunter hindurchfahren konnten.

Nahe genug, um es sehen zu können, dachte Egwene, doch zu fern, um uns zu helfen.

Einen Augenblick lang wußte sie nicht, ob die herankommenden Weißmäntel nicht wirklich angreifen wollten, doch dann hob ihr Anführer eine Hand, und sie hielten alle auf einmal kaum vierzig Schritt entfernt von ihnen an. Staub und Schmutz spritzte beim Anhalten vor den Hufen ihrer Pferde auf.

Nynaeve knurrte wütend etwas und Elayne setzte sich stolz kerzengerade im Sattel auf. Sie schien im nächsten Augenblick die Weißmäntel ihrer schlechten Manieren wegen beschimpfen zu wollen. Hurin hielt noch immer seinen Schwertgriff gepackt. Er schien bereit, sich zwischen die Frauen und die Weißmäntel zu werfen, gleich, was Verin gesagt hatte. Verin fächelte sich derweil milde lächelnd den Staub vor dem Gesicht weg. Die Reiter in den weißen Umhängen bildeten einen Bogen um sie und versperrten ihnen den Weg vollständig.

Ihre Brustpanzer und die kegelförmigen Helme schimmerten, so gut waren sie geputzt, und selbst die Metallschuppen an ihren Armen glänzten noch. Jeder Mann hatte auf der Brust eine strahlende goldene Sonnenscheibe. Einige legten Pfeile auf. Sie hoben wohl die Bögen nicht, hielten sie aber kampfbereit. Ihr Anführer war ein junger Mann, und doch trug er schon die beiden goldenen Knoten, die seinen hohen Rang auswiesen, unter der Sonne auf seinem Umhang.

»Zwei Hexen aus Tar Valon, wenn mich meine Augen nicht täuschen, oder?« sagte er mit einem angespannten Lächeln, das sein schmales Gesicht kaum berührte. Sein Blick war von Arroganz überschattet, als wisse er etwas, was die anderen zu sehen zu dumm waren. »Und zwei Hühnchen und ein Paar Wachhunde, einer krank und der andere alt.« Hurin schäumte, doch Verins Hand hielt ihn zurück. »Wo kommt ihr her?« wollte der Weißmantel wissen.

»Wir kommen aus dem Westen«, sagte Verin gelassen. »Geht uns aus dem Weg und laßt uns weiterreiten. Die Kinder des Lichts haben hier keine Befehlsgewalt.«

»Die Kinder haben überall Befehlsgewalt, wo das Licht ist, und wo kein Licht ist, bringen wir es hin. Beantwortet meine Fragen! Oder muß ich Euch in mein Lager und zu den Zweiflern bringen lassen, damit die Euch befragen?«

Sie konnten sich Mats wegen keine weitere Verzögerung leisten. Ihm mußte in der Weißen Burg geholfen werden. Und was noch wichtiger war, obwohl Egwene bei dem Gedanken innerlich zusammenzuckte, daß es wichtiger sei als Mat: Sie konnten den Inhalt des Sacks nicht in die Hände der Weißmäntel fallen lassen.

»Ich habe Euch geantwortet«, sagte Verin immer noch in ruhigem Tonfall, »und höflicher, als Ihr verdient.

Glaubt Ihr wirklich, Ihr könntet uns aufhalten?« Einige der Weißmäntel hoben erzürnt ihre Bögen, als habe sie eine Drohung geäußert, doch sie fuhr mit gleichmäßiger Stimme fort: »In einigen Ländern gibt man vielleicht Eurer Drohungen wegen nach, aber nicht hier in Sichtweite von Tar Valon. Glaubt Ihr im Ernst, daß man Euch an diesem Ort gestatten wird, Aes Sedai zu entführen?«