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»Was ich mit Euch vorhabe, Kind? Ich muß Euch und Elayne dafür bestrafen, daß Ihr die Burg ohne Erlaubnis verlassen habt, und Nynaeve dafür, daß sie sich ohne Genehmigung aus der Stadt entfernte. Zuerst wird jede von euch in Sheriam Sedais Arbeitszimmer bestellt. Ich habe ihr gesagt, sie solle euch mit der Rute bearbeiten, bis ihr euch wünscht, eine ganze Woche lang nur noch auf einem Kissen sitzen zu können. Ich habe das bereits den anderen Novizinnen und Aufgenommenen mitteilen lassen.«

Egwene riß überrascht die Augen auf. Elayne stöhnte hörbar, machte ein steifes Kreuz und knurrte etwas in sich hinein. Nynaeve war die einzige, die es scheinbar gelassen hinnahm. Eine Strafe, ob es sich nun um Sonderarbeiten oder etwas anderes handelte, war immer zu erwarten, wenn man zur Oberin der Novizinnen gerufen wurde. Manchmal allerdings waren es auch Aufgenommene, die irgendwelche Regeln übertreten hatten. Sheriam behält das aber immer für sich, dachte Egwene betrübt. Sie kann es doch nicht allen erzählt haben. Aber es ist immer noch besser, als eingesperrt oder gar einer Dämpfung unterzogen zu werden.

»Die Verkündigung ist natürlich auch ein Teil der Strafe«, fuhr die Amyrlin fort, als habe sie Egwenes Gedanken gelesen. »Ich habe auch verkünden lassen, daß ihr drei zum Küchendienst eingeteilt seid, um bis auf weiteres mit den Mägden zusammen zu arbeiten. Und ich habe auch durchklingen lassen, ›bis auf weiteres‹ könne den Rest eures Lebens bedeuten. Höre ich irgendwelche Einwände?«

»Nein, Mutter«, sagte Egwene schnell. Nynaeve würde die Topfschrubberei noch mehr hassen als die anderen. Es hätte schlimmer kommen können, Nynaeve. Licht, es hätte viel schlimmer kommen können. Nynaeves Nasenflügel blähten sich, doch sie schüttelte verkrampft den Kopf.

»Und Ihr, Elayne?« fragte die Amyrlin. »Die TochterErbin von Andor ist an eine bessere Behandlung gewöhnt.«

»Ich will Aes Sedai werden, Mutter«, sagte Elayne mit fester Stimme.

Die Amyrlin nahm ein Blatt Papier vom Schreibtisch und schien es einen Augenblick lang zu betrachten. Als sie den Kopf wieder hob, wirkte ihr Lächeln nicht gerade angenehm. »Wäre eine von euch dumm genug gewesen, etwas anderes zu antworten, hätte ich zu dieser Strafe noch etwas hinzugefügt, was euch dazu gebracht hätte, den Moment zu verfluchen, in dem euer Vater eurer Mutter den ersten Kuß stahl. Ihr wärt wie gedankenlose Kinder aus der Burg geworfen worden. Doch selbst ein Kind wäre nicht in diese Falle getappt. Ich werde euch jedenfalls beibringen, zu denken, bevor ihr handelt, sonst benütze ich euch, um unter Wasser Risse in den Flußtoren zu stopfen!«

Egwene ertappte sich dabei, wie sie ihr insgeheim dankte. Sie bekam eine Gänsehaut, als die Amyrlin fortfuhr.

»Jetzt zu dem, was ich noch mit euch vorhabe. Es scheint, ihr alle habt eure Fähigkeiten, mit der Macht umzugehen, während eurer Abwesenheit ganz erstaunlich ausgebaut. Ihr habt viel gelernt. Darunter sind einige Dinge«, fügte sie in scharfem Ton hinzu, »die ich euch wieder abgewöhnen werde!«

Nynaeve überraschte Egwene damit, daß sie sagte: »Ich weiß, daß wir... Dinge... getan haben, die wir nicht tun sollten, Mutter. Ich versichere euch, wir werden unser Bestes geben, um so zu leben, als hätten wir bereits die Drei Eide abgelegt.«

Die Amyrlin knurrte. »Schaut zu, daß ihr euch daran haltet«, sagte sie dann trocken. »Wenn ich könnte, würde ich euch heute abend noch die Eidesrute in die Hand drücken, aber das muß ich mir für diejenigen aufsparen, die zu Aes Sedai erhoben werden. So muß ich mich auf eure Vernunft verlassen — falls ihr genug besitzt —, die euch bei der Stange halten sollte. Auf jeden Fall werdet Ihr, Egwene, und Ihr, Elayne, zu Aufgenommenen ernannt.«

Elayne schnappte nach Luft und Egwene stammelte: »Danke, Mutter.« Leane verlagerte im Stehen ihr Gewicht. Egwene glaubte, die Behüterin der Chronik wirke nicht sehr glücklich. Nicht überrascht — sie hatte offensichtlich gewußt, was kommen würde —, aber doch nicht gerade erfreut.

»Dankt mir lieber nicht. Eure Fähigkeiten sind zu schnell gewachsen, als daß ihr Novizinnen bleiben könntet. Einige werden denken, daß ihr die Ringe nicht bekommen solltet, nicht nach dem, was ihr getan habt, aber der Anblick, wie ihr die Arme bis zur Schulter in schmierigen Töpfen stecken habt, sollte die Kritiker beruhigen. Und damit ihr nicht glaubt, es sei eine Art von Belohnung, denkt daran, daß die ersten paar Wochen als Aufgenommene dazu benützt werden, um die verdorbenen Fische aus einem Korb mit frischem Fang herauszupicken. Eure schlimmsten Tage als Novizinnen werden euch wie ein schöner Traum vorkommen, wenn ihr ihn auch nur mit den geringsten Aufgaben vergleicht, die ihr während der nächsten Wochen zu erledigen habt. Ich schätze, einige der Schwestern, die euch unterrichten, werden euch ein wenig härter behandeln, als es eigentlich sein müßte, aber ich glaube nicht, daß ihr euch beklagen werdet. Oder?«

Ich kann lernen, dachte Egwene. Meine eigenen Studiengebiete wählen. Ich kann etwas über die Träume in Erfahrung bringen, und...

Das Lächeln der Amyrlin unterbrach ihren Gedankengang. Dieses Lächeln sagte ihnen, daß nichts von all dem schlimmer als unbedingt notwendig sein würde, falls sie das überlebten. Nynaeves Gesicht zeigte eine Mischung von tiefer Anteilnahme und der erschreckenden Erinnerung an ihre eigenen ersten Wochen als Aufgenommene. Diese Mischung ließ Egwene dann doch schwer schlucken. »Nein, Mutter«, sagte sie mit versagender Stimme. Elaynes Antwort kam als heiseres Flüstern.

»Dann wäre das also erledigt. Eure Mutter war nicht gerade über Euer Verschwinden erfreut, Elayne.«

»Weiß sie davon?« quiekte Elayne.

Leane schniefte, und die Amyrlin zog eine Augenbraue hoch. Dann sagte sie: »Ich konnte es wohl kaum vor ihr verbergen. Ihr habt sie um weniger als einen Monat verfehlt, was vielleicht auch besser für Euch war. Dieses Zusammentreffen hättet Ihr möglicherweise nicht überlebt. Sie war wütend genug auf mich, auf Euch, auf die Weiße Burg, um ein Ruder durchzubeißen.«

»Ich kann es mir vorstellen, Mutter«, sagte Elayne mit schwacher Stimme.

»Das glaube ich nicht, Kind. Ihr habt vielleicht eine Tradition beendet, die schon da war, bevor es Andor überhaupt gab. Eine Sitte, die stärker als jedes Gesetz war. Morgase weigerte sich, Elaida mit zurückzunehmen. Zum erstenmal überhaupt hat die Königin von Andor keine Ratgeberin aus den Reihen der Aes Sedai. Sie verlangte, daß man Euch bei Eurem Auftauchen umgehend nach Caemlyn zurückbringt. Ich überzeugte sie, daß es ein wenig sicherer sei, Euch hier noch ein bißchen länger auszubilden. Sie war auch bereit, Eure beiden Brüder aus ihrer Ausbildung bei den Behütern abzuziehen. Sie haben sie aber selbst von deren Notwendigkeit überzeugt. Ich weiß noch immer nicht, wie sie das angestellt haben.«

Elayne schien in sich hineinzulauschen. Sie stellte sich vielleicht Morgase in all ihrer Wut vor. Sie schauderte. »Gawyn ist mein Bruder«, sagte sie abwesend. »Galad nicht.«

»Seid nicht so kindisch«, sagte die Amyrlin zu ihr. »Wenn Ihr denselben Vater habt, seid Ihr auch Geschwister, ob Ihr ihn leiden könnt oder nicht. Ich werde solche kindischen Anwandlungen bei Euch nicht zulassen, Mädchen. Ein gewisses Maß an Dummheit kann ja von einer Novizin erwartet werden, aber bei einer Aufgenommenen nicht mehr.«

»Ja, Mutter«, antwortete Elayne niedergeschlagen.

»Die Königin hat bei Sheriam einen Brief für Euch hinterlassen. Davon abgesehen, daß sie Euch die Meinung sagen wird, dürfte sie wohl auch ihre Absicht kundtun, Euch so schnell wie möglich nach Hause zu bringen, jedenfalls, sobald es sicher genug ist. Sie glaubt, daß Ihr in längstens ein paar Monaten in der Lage seid, die Macht zu lenken, ohne Euch dabei umzubringen.«