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Nynaeves Lippen zitterten. Schließlich aber schüttelte sie sich leicht und atmete tief ein. Als sie weitersprach, klang ihre Stimme immer noch ein wenig herausfordernd, aber eben nur noch ein wenig. »Vergebt mir, Mutter. Aber Ihr solltet nicht... wir sind keine... wir würden so etwas nie tun.«

Mit unterdrücktem Lächeln lehnte sich die Aes Sedai auf ihrem Stuhl zurück. »Also könnt Ihr euer Temperament zügeln, wenn es sein muß. Das wollte ich wissen.« Egwene fragte sich, wieviel von alledem nur eine Prüfung gewesen war. Die Augenpartie der Amyrlin war so angespannt, daß sie wohl wirklich keine Geduld mehr hatte. »Ich wünschte, ich hätte eine Möglichkeit gefunden, Euch die Stola zu verschaffen, Tochter. Verin sagt, daß Ihr bereits ebenso stark seid wie die stärksten Frauen in der Burg.«

»Die Stola!« Nun schnappte Nynaeve nach Luft. »Aes Sedai? Ich?«

Die Amyrlin tat so, als werfe sie etwas weg, und gleichzeitig wirkte sie, als bedaure sie es. »Es hat keinen Zweck, sich etwas zu wünschen, was nicht sein kann. Ich könnte Euch wohl kaum zur Aes Sedai erheben und gleichzeitig losschicken, Töpfe zu schrubben. Und Verin sagt, daß Ihr außerdem noch nicht bewußt die Macht lenken könnt, außer Ihr seid wütend. Ich war bereit, Euch von der Wahren Quelle abzuschirmen, wenn Ihr auch nur versucht hättet, nach Saidar zu greifen. Die letzten Prüfungen für die Stola werden Euch abverlangen, die Macht zu lenken, während Ihr unter größtem Druck absolute Ruhe bewahren müßt. Unter extremem Druck. Selbst ich könnte und würde diese Anforderung nicht weglassen.«

Nynaeve schien wie betäubt. Sie starrte die Amyrlin mit offenem Mund an.

»Ich verstehe nicht, Mutter«, sagte Egwene nach einem Augenblick.

»Ja, das glaube ich. Ihr beiden seid die einzigen Frauen in der Burg, von denen ich absolut sicher bin, daß sie keine Schwarzen Ajah sind.« Der Mund der Amyrlin verzog sich bei dieser Bezeichnung immer noch. »Liandrin und ihre Zwölf flohen, doch waren das alle? Haben sie vielleicht welche zurückgelassen, wie einen Stumpf in seichtem Wasser, den man erst sieht, wenn er ein Leck ins Boot stößt? Möglicherweise finde ich das erst heraus, wenn es zu spät ist, aber ich lasse nicht zu, daß Liandrin und die anderen mit dem davonkommen, was sie taten. Nicht mit dem Diebstahl und schon gar nicht mit den Morden. Keiner tötet meine Leute und kommt ungeschoren davon. Und ich werde keine dreizehn ausgebildeten Aes Sedai dem Schatten dienen lassen. Ich werde sie finden und einer Dämpfung unterziehen!«

»Ich weiß nicht, was das mit uns zu tun hat«, sagte Nynaeve bedächtig. Sie wirkte nicht, als gefielen ihr die eigenen Gedankengänge.

»Nur soviel, Kind: Ihr beide werdet meine Jagdhunde sein und die Schwarzen Ajah zur Strecke bringen. Keiner wird das von euch vermuten — nicht von einem Paar halb ausgebildeter Aufgenommener, die ich öffentlich gedemütigt habe.«

»Das ist verrückt!« Nynaeve hatte die Augen weit aufgerissen, als die Amyrlin die Schwarzen Ajah erwähnt hatte, und ihre Knöchel waren weiß vor Anstrengung, so verkrampfte sie ihre Hände in den Zopf. Sie sagte verbissen: »Das sind alles volle Aes Sedai. Egwene wurde noch nicht einmal zur Aufgenommenen erhoben, und Ihr wißt, daß ich nicht einmal eine Kerze anzünden kann, wenn ich nicht zornig bin — jedenfalls nicht frei willig. Welche Chance hätten wir da?«

Egwene nickte zustimmend. Ihre Zunge klebte am Gaumen. Die Schwarzen Ajah jagen? Da würde ich lieber einen Bären mit der Rute jagen. Sie will uns doch nur Angst einjagen und uns noch weiter bestrafen. Das muß es sein! Wenn es das war, was die Amyrlin versuchte, dann hatte sie nur zuviel Erfolg damit.

Die Amyrlin nickte ebenfalls. »Alles, was Ihr sagt, stimmt. Aber jede von euch ist Liandrin mehr als nur gewachsen, was die reine Geisteskraft anbelangt, und sie ist die stärkste von ihnen. Natürlich sind sie ausgebildet und Ihr nicht, und Ihr, Nynaeve, leidet im Moment noch unter weiteren Einschränkungen. Aber wenn man kein Ruder hat, Kind, dann muß eben eine Planke genügen, um das Boot ans Ufer zu paddeln.«

»Aber ich wäre doch nutzlos!« platzte Egwene heraus. Ihre Stimme überschlug sich beim Sprechen, doch sie hatte zuviel Angst, um sich zu schämen. Sie meint das wirklich so! O Licht, das war ernst gemeint! Liandrin hat mich den Seanchan übergeben, und nun will sie, daß wir dreizehn von der Sorte jagen! »Meine Studien, die Unterrichtsstunden, die Arbeit in der Küche! Anaiya Sedai wird sicher noch weiter mit mir arbeiten wollen, um herauszubekommen, ob ich zu den Träumern gehöre. Ich werde kaum Zeit zum Schlafen und Essen übrig haben. Wie kann ich da noch irgendwen jagen?«

»Ihr werdet die Zeit dazu finden müssen«, sagte die Amyrlin, die nun wieder kühl und ernst wirkte, als wäre die Jagd nach Schwarzen Ajah nicht schlimmer, als den Fußboden zu fegen. »Als Aufgenommene wählt Ihr Eure eigenen Studiengebiete aus, innerhalb gewisser Grenzen natürlich, und auch die Unterrichtszeiten. Und die Regeln sind bei den Aufgenommenen ein wenig lockerer. Ein wenig. Sie müssen aufgespürt werden, Kind.«

Egwene sah Nynaeve an, doch alles, was die sagte, war: »Warum schließt Ihr Elayne nicht hierbei mit ein? Es kann ja wohl nicht sein, daß Ihr glaubt, sie sei eine Schwarze Ajah! Hat es damit zu tun, daß sie die TochterErbin von Andor ist?«

»Schon beim ersten Wurf ein volles Netz, Kind. Wenn ich könnte, würde ich sie bei euch lassen, aber im Moment macht mir Morgase schon genug Ärger. Wenn ich sie bearbeitet und auf den rechten Pfad zurückgeführt habe, wird Elayne sich euch möglicherweise anschließen. Vielleicht.«

»Dann haltet doch auch Egwene heraus«, sagte Nynaeve. »Sie ist ja kaum alt genug, um eine Frau genannt zu werden. Ich werde schon für euch jagen.« Egwene gab einen protestierenden Laut von sich — Ich bin eine Frau! —, doch die Amyrlin kam ihr zuvor.

»Ich will euch nicht als Köder benützen, Kind. Wenn ich hundert von euch hätte, wäre ich immer noch nicht glücklich, aber da ihr nur zu zweit seid, muß es eben so gehen.«

»Nynaeve«, sagte Egwene, »ich verstehe dich nicht. Meinst du damit, daß du das wirklich tun willst?«

»Es ist nicht gerade das, was ich tun möchte«, sagte Nynaeve müde, »aber ich mache mich lieber auf die Jagd nach ihnen, als hier herumzusitzen und mich zu fragen, ob die Aes Sedai, die mich gerade unterrichtet, vielleicht ein Schattenfreund ist. Und was immer sie vorhaben: Ich werde nicht darauf warten, bis sie soweit sind.«

Egwene verursachte ihre eigene Entscheidung Magenschmerzen, aber sie sagte tapfer: »Dann mache ich mit. Ich will genausowenig wie du herumsitzen und warten.« Nynaeve öffnete den Mund und Egwene fühlte einen Moment lang Zorn in sich aufsteigen. Das war aber nach all der Angst wie eine Erleichterung. »Und wage ja nicht wieder, zu sagen, ich sei zu jung. Wenigstens kann ich die Macht benützen, wann immer ich will. Die meiste Zeit über. Ich bin kein kleines Kind mehr, Nynaeve.«

Nynaeve stand da, zog an ihrem Zopf und sagte kein Wort. Schließlich jedoch lockerte sich ihre Haltung. »Du bist keines mehr, ja? Ich habe mir eingeredet, daß du eine Frau seist, aber ich glaube, ich habe es innerlich einfach nicht begreifen wollen. Mädchen, ich... Nein. Frau. Frau, ich hoffe, dir ist klar, daß du mit mir zusammen in einen Kochtopf gehüpft bist, unter dem das Feuer vielleicht schon brennt.«

»Das weiß ich.« Egwene war stolz darauf, daß ihre Stimme bei diesen Worten kaum noch bebte.

Die Amyrlin lächelte erfreut, doch in dem Blick aus ihren blauen Augen lag etwas, das Egwene vermuten ließ, sie habe die ganze Zeit über mit dieser Entscheidung gerechnet. In diesem Moment spürte sie die Fäden des Puppenspielers wieder an Händen und Füßen.