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»Bandilor hat es mir während des Kampfes erzählt«, erklärte er. »Ich hielt den Tunnel für nicht so wichtig, der Diamant hatte Vorrang.«

»Und woher weißt du, dass der Unauslöschliche ausgerechnet dorthin möchte?« Rodario rieb sich über das Kinnbärtchen. »Ich bin kein Stänkerer, sondern ein äußerst Verwunderter. Haben sie es dir gesagt, bevor sie gegangen sind?«

»Ja«, log er. »Der Unauslöschliche verriet es mir, weil er dachte, ich würde meine Verletzungen nicht überleben. Ich sollte in Verzweiflung sterben.« Er schaute sie entschlossen an. »Sie sind auf dem Weg dorthin. Wir müssen ihnen nach, ehe die Elben davon erfahren und sich an der Jagd beteiligen.« Er bewegte die Finger, und das getrocknete Elbenblut blätterte ab. Am liebsten wäre er auf der Stelle in einen Bottich mit heißem Wasser gestiegen, um sich den Schmutz abzuwaschen.

»Sie haben andere Sorgen.« Lot-Ionan winkte einen Wagen zu sich, vor den zwei Ponys gespannt worden waren. In den gesicherten Gängen kamen sie zum Einsatz, um ihnen lange Wanderungen zu ersparen. So benötigten sie bis zur Oberfläche höchstens einen halben Umlauf. »Uns erreichte die Nachricht, dass zwei Abordnungen der Elben, die Rejalin vor ihrem Tod nach Toboribor befahl, auf ihrem Weg angegriffen und vernichtet wurden.« »Die Ubariu?«

»Nein. Dein Volk«, sagte Rodario vorwurfslos. »Ein gewisser Ginsgar Ungewalt vom Stamm der Ersten hat sich dazu berufen gefühlt, den Tod des Großkönigs rächen zu müssen. Er zieht mit einem Heer gegen Älandur. Und angeblich laufen ihm die Freiwilligen aus den Zwergenreichen in Scharen zu. Die Atär ernten den Sturm, den sie gesät haben.«

Sie nahmen auf dem Karren Platz, und ihre Fahrt nach oben begann.

»Ich möchte nicht unken, Tungdil, aber wenn ihr nicht sehr aufpasst und diesem Ginsgar gelingen sollte, was er beabsichtigt, habt ihr einen neuen Großkönig, ohne dass die geschätzte Xamtys und ihre anderen herrschaftlichen Würdenträgerfreunde zu einer Wahl zusammenkommen müssen.« Rodario wartete auf eine Antwort. Lot-Ionan nickte. »Ich bin zu dem gleichen Gedanken gekommen. Und es ist nicht gut, wenn die Zwerge von einem Großkönig geführt werden, dessen Sinn nach Krieg steht. Wer weiß, vielleicht wendet er sich gegen die Freien, von denen du mir berichtet hast? Oder gegen die Dritten?«

Das war Tungdil alles zu viel. Sein Auge - oder was immer davon übrig geblieben war - schmerzte, sein bester Freund rang mit dem Tod, er hatte den Diamanten und die Axt verloren. Und dann auch noch der offene Krieg gegen Älandur...

»Gebt Ruhe«, verlangte Sirka, die seine Miene richtig gedeutet hatte. »Haltet euch etwas zurück und lasst ihn schlafen.« Sie bot ihm ihren Schoß als Kissen an.

Müde bettete er sein Haupt hinein und wünschte sich, dass bei seinem Aufwachen alles so wäre wie früher. Ganz früher, als er nichts anderes als ein Schmied in den Diensten des Magus gewesen war.

Aber Vraccas tat Tungdil den Gefallen nicht, das Rad der Zeit zurückzudrehen und ihm ein anderes, sorgenfreieres Schicksal zuzugestehen.

Er erwachte im Freien, es war später Nachmittag, und die Sonne brannte heiß vom Himmel. Das Gestirn ahnte, dass sich der Herbst näherte, und spendete noch einmal Wärme, als gäbe es sie morgen nicht mehr. Tungdil fühlte sich etwas ausgeruhter und besuchte Ingrimmsch an seinem Krankenbett. Goda saß neben ihrem Meister, die Augen waren gerötet, die Nägel hatten Spuren in den Handballen hinterlassen. Tungdil sah sie an und verstand. Weiterer Beweise für die tiefe Sorge um Boindil und dafür, dass sie mehr für ihn empfand, bedurfte es nicht.

Der Anblick des verwundeten Freundes brachte die Erinnerung an den schrecklichen Tod seines Zwillingsbruders Boendal wieder. »Vraccas, zeige Großmut mit deinen Helden«, bat er leise und legte der Dritten die Hand auf den Rücken. »Goda, verzeih mir meine harschen Worte und mein Misstrauen dir gegenüber. Ich habe keinerlei Zweifel mehr an deiner Aufrichtigkeit.« Sie hob den Kopf, schaute Tungdil an und brach in Tränen aus. »Ich fürchte um sein Leben«, weinte sie. »Ist es nicht verrückt? Ich kam einst mit der Absicht, ihn zu töten. Zu Ehren von Sanda.« Sie schluchzte, ihre geheim gehaltenen Gefühle überwältigten sie und erlaubten ihr kein Versteckspiel mehr. »Jetzt ist er dem Tode nahe, den ich ihm früher so gewünscht habe. Und das ist das Schrecklichste, was ich mir vorstellen kann.« Schüchtern berührte sie Ingrimmschs Hand und senkte den Kopf.

Schnell wischte sich Tungdil eine verstohlene Träne von der Wange. »Vraccas wird ihn nicht zu sich holen.« Seine Hand wanderte auf ihre Schulter, drückte sie. »Ich habe vorhin den leibhaftigen Tod in der Höhle gesehen. Wir sprachen miteinander, und er sagte mir nichts davon, dass er Ingrimmsch besuchen wolle.« Sie lächelte matt. »Danke, dass du deine Zuversicht mit mir teilst. Du bist nicht überrascht von dem, was ich dir eben sagte?«

»Nein. Balyndis hat mir von eurer Unterhaltung erzählt. Ich habe niemals angenommen, dass du einen von uns heimtückisch ermorden würdest.« Er wandte sich zum Ausgang. »Ich fürchtete nur um die Geheimnisse. Zu Unrecht, wie ich ein für alle Mal erkannt habe.« Er deutete auf den Zwerg. »Wenn er erwacht, werden Sirka, Rodario, Lot-Ionan und ich fort sein. Du bleibst bei ihm. Achte darauf, dass er das Bett hütet, und sage ihm, dass ich ihn brauche, wenn ich ins Jenseitige Land ziehe.« Er sah ihr erschrockenes Gesicht und lächelte beruhigend. »Nur als Eskorte und Wegbegleiter. Ich möchte ihn dir nicht auf ewig wegnehmen. Eine letzte Reise, dann ist es genug. Er hat es mehr als alle anderen verdient, eine Gefährtin zu finden.« Rasch ging er hinaus. Goda legte die Stirn gegen Ingrimmschs Handrücken, schloss die Augen und betete inbrünstig zu Vraccas, wie sie es vorher nur einmal getan hatte: als sie um den Tod des Mörders von Sanda Feuermut gefleht hatte.

»Was verlangst du von mir, Vraccas, damit dein Held Boindil überlebt?«, raunte sie unglücklich. »Ich will seinen Untergang nicht mehr, hörst du, Schöpfer aller Zwerge? Gewähre ihm sein Leben und nimm mir meines.« »Das wird Vraccas sein lassen«, ächzte Ingrimmsch leise und drückte ihre Hand. »Behalte dein Leben.« Goda riss die Augen auf und stieß einen unterdrückten Freudenschrei aus. »Meister!«, flüsterte sie überglücklich, und im nächsten Augenblick fragte sie sich, wie lange er wohl schon bei Bewusstsein war. Sie errötete, versuchte, ihre Hände von seiner zu lösen, aber er gab ihre Finger nicht frei.

»Du wolltest mich tatsächlich töten?«, fragte er sie; die Schwäche zwang ihn, langsam und gedämpft zu sprechen. Goda schluchzte. »Nein, nicht weinen... Ich verstehe, weswegen du mir nach dem Leben getrachtet hast. Und glaube mir, es gab Zeiten, in denen ich ernsthaft daran dachte, mir mein Ende selbst zu bereiten.« Er schluckte. »Vraccas weiß, wie viele Nächte ich mir Vorwürfe wegen Sandas Tod machte. Ich habe eine großartige Zwergin getötet. Wie schon einmal.« Ingrimmsch überwand sich, die alte, schmerzende Begebenheit zu erzählen. Er wollte keine Geheimnisse vor ihr haben. »Sie hieß Smeralda, war ein wenig jünger als du. Wir mochten uns sehr, aber unsere Liebe endete jäh. Ich erschlug sie in meinem Kampfwahn während eines Gefechts an der Hohen Pforte.« Nun rannen die Tränen aus seinen Augen. »Ich hielt sie in meinem Wüten für ein Ungeheuer...« Er brach ab, sammelte sich und fand erst nach einer Pause seine Stimme wieder. »Seitdem glaubte ich nicht mehr daran, eine Zwergin zu finden. Eine Gefährtin zu finden. Bis du kamst.« Er seufzte. »Ich weiß, dass wir nicht beinander sein können, Goda. Meine Schuld wiegt zu schwer.«

Goda stand auf und setzte sich auf das Bett. »Ich sehe die Qualen in deinen Augen, Meister. Und sie stammen nicht von den Wunden, sondern dem Leiden deiner Seele. Ein aufrichtigeres Bedauern wird es im gesamten Geborgenen Land nicht geben.« Sie hatte seine Hand nicht losgelassen. »Ich wollte dich nicht lieben, auch wenn du dich in meine Gedanken stahlst. Mit jedem Fluch über all die Übungen, die du mir auferlegtest, mochte ich dich mehr und wollte es mir nicht eingestehen. Ich verbot es mir selbst, den Zwerg zu lieben, der Sanda tötete. Ich tarnte mich mit Schroffheit und Ablehnung. Bis zu diesem Umlauf, an dem ich dachte, ich hätte dich verloren.« Ihre Schultern bebten. »Als ich dich von den Pfeilen durchbohrt niedersinken sah, hätte alles in mir jubeln müssen.« Sie blickte ihm fest in die Augen. »Das Gegenteil war der Fall. Ich wünschte mir, ich stünde an deiner Stelle.« Ingrimmschs Kehle zog sich vor Rührung zusammen.