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Er richtete den Oberkörper auf und drückte sie nach unten, dann legte er sein Ohr auf ihre Brust. Ihr aufregender Geruch stieg in seine Nase, er fühlte die Wärme ihrer braunen Haut auf seiner Wange.

»Und was hörst du?«

»Das gleiche wie bei allen Zwergen«, sagte er und küsste ihren Hals, dann gab es einen stechenden Schmerz in seiner Augenhöhle, und er krümmte sich. Jeglicher Anflug von Begierde erlosch abrupt. »Verdammte Atär«, fluchte er und presste die Hand gegen die Augenhöhle, nur um es damit noch schlimmer zu machen. »Fast möchte ich Ginsgar alles Gute bei seinem Tun wünschen.«

»Es ist das Beste, was man mit den Broka machen kann«, nickte Sirka ernst. »Niemand weint ihnen bei uns eine Träne nach. Und die Eintracht zwischen den Völkern in Letefora ist größer als jemals zuvor. Es gibt keinen, der sich für besser als den anderen hält. Es gibt nur Feinde und Freunde. Aber keine falschen Freunde mehr.« Sie stand auf und kontrollierte den Fang. »Komm, Tungdil. Wir bringen den Befüns ihr Futter, ehe sie Geschmack an Rodario finden.«

In Säcken schleppten sie die erste Ladung Fische zum Lager, ließen das Netz aber im Bach, um noch mehr zu fangen. Später schlüpften sie unter eine Decke und schliefen eng umschlungen neben dem Lagerfeuer ein. »Da haben sich zwei gefunden«, meinte Rodario gähnend. »Ach, was wohl meine Liebste macht?« Flagur schaute ihn an. »Ihr habt ein Mädchen?«

»Ja.«

»Und wie viele Nachkommen habt Ihr mit ihr gezeugt?«

»Mit ihr? Ich glaube, noch keines.« Er grinste dreckig. »Aber im übrigen Geborgenen Land dürfte es ein paar Jungen und Mädchen geben, die eines Tages gute Schauspieler sein werden.« Er wackelte mit den Augenbrauen. »Ich bin ein Freund der Frauen, und Frauen wiederum lieben mich einfach. Ich bin unglaublich unwiderstehlich.«

»Und was sagt Euer Mädchen dazu?«

»Nun: viel Vergnügen«, lachte er. »Sie ist genauso wie ich.«

»Dann haben wir mit den Menschen mehr gemeinsam als mit den Zwergen«, stellte der Ubari fest. »Keine falschen Schlüsse, werter Flagur. Die meisten Menschen des Geborgenen Landes sind der Tradition sehr verbunden und leben in Ehen.« Er lächelte. »Und ich sorge dafür, dass sich junge Eheweiber nicht zu sehr langweilen, oder bereite die Töchter auf die Liebe vor.« Er nahm sich einen Fisch und röstete ihn auf einem Stock über dem Feuer. »Es ist schade, dass uns kaum Gelegenheit bleibt, mehr von Eurer Heimat zu erfahren. Ein oder zwei Geschichten zu hören wäre sehr aufschlussreich.« Er blinzelte. »Aber ich bin einfach zu müde, um noch etwas niederzuschreiben.«

»Warum begleitet Ihr nicht den Zug mit dem Diamanten und seht Euch meine Heimat an?«, unterbreitete Flagur ihm den Gegenvorschlag.

»Oh, mag Euer Volk denn die Schauspielerkunst? Mein Repertoire ist unendlich groß, wenn es um die Darstellung von Helden und ihren Taten geht. Ich habe die besten Requisiten...« Er wurde leiser. »Nein, ich hatte die besten Requisiten, die man benötigte. Magister Furgas hat sie mir gemacht.« Er richtete den Blick auf die Flammen. »Mein Freund ist tot. Unfassbar, oder? Da finde ich ihn nach fünf Zyklen wieder und befreie ihn aus den Händen seiner Entführer, und dann schmilzt er in glühendem Eisen zu nichts. Getötet von den verräterischen Dritten.«

Flagur hörte aufmerksam zu. »Aber Ihr habt ihn nicht vergessen.«

»Nein, ich habe und ich werde ihn nicht vergessen. Niemals.« Er zupfte die garen Fleischstücke von den Gräten und aß sie nachdenklich. Zwischendurch schaute er zu Lot-Ionan, der abseits des Feuers mit dem Runenmeister der Ubariu im Gras hockte und sich leise unterhielt. »Was sie wohl bereden?«

»Ich vermute, sie versuchen zu erkunden, wo die Unterschiede in der Nutzung von Magie liegen.« Flagur nahm seinen Fisch aus dem Feuer, streute ein Pulver darüber, das er aus einem Säckchen nahm, und ließ ihn sich schmecken.

»Darf ich?«, fragte Rodario und deutete auf das hellgelbe Gewürz.

»Sicher.«

Vorsichtig gab der Schauspieler etwas davon auf seinen Fisch, roch daran und kostete behutsam, dann hellte sich sein skeptisches Gesicht auf. »Ich glaube, ich werde Händler«, sagte er be geistert. »Diese Mischung ist... einzigartig! So etwas habe ich noch niemals versucht.«

»Freut mich, dass es Euch schmeckt. Früher haben wir deswegen Kriege geführt.«

»Sehr verständlich«, meinte Rodario. »Und wie hat man sich geeinigt?«

»Wir haben das andere Volk vernichtet.« Flagur hielt ihm das Säckchen hin. »Es wird aus einem besonderen Stein gewonnen, er wird gemahlen, dreimal mit Salzwasser gewässert und zerrieben.«

»Ihr habt ein Volk vernichtet, um an das Gewürz zu kommen?«, fragte er ungläubig.

»Es waren hirnlose Phottör. Es gibt keinen Grund, ihnen nachzutrauern«, beruhigte ihn der Ubari. »Aber sie saßen auf dem größten Vorkommen, und da verband sich das Gute mit dem Besten. Gewürz und Fleisch.« Rodario senkte seinen Fisch. »Ihr wollt mir nicht sagen, dass Ihr Orks verspeist?«

»Sicher. Sie schmecken ausgezeichnet, obwohl die Orks, die einst im Geborgenen Land lebten, noch besser mundeten. Ich habe einen von ihnen gekostet, als er sich zu uns verirrte, und ich versichere Euch, einen solch einzigartigen Geschmack habe ich seitdem niemals mehr wieder auf der Zunge gespürt.« Er schloss die Augen. »Mh, ich kann es mir immer noch vorstellen.«

Nun nahm das Gespräch eine beängstigende Wendung. Es gab nicht viele Gelegenheiten, bei denen es den Orks gelungen war, aus dem Geborgenen Land ins Jenseitige zu wandern. »Wann war das, und wo traft Ihr auf ihn?«, erkundigte Rodario sich.

»Das ist schon lange her. Es war auf der anderen Seite der Gipfel, die Ihr Graues Gebirge nennt. Er wollte uns überreden, gegen die Ubariu... also, Eure Zwerge zu ziehen.« Er lachte. »Ein zäher Bursche. Er faselte etwas von Unsterblichkeit, die er aus einer kleinen Flasche trinken konnte.«

Rodario zählte eins und eins zusammen. Es konnte sich nur um eine der Kreaturen des Orkfürsten Ushnotz gehandelt haben, irgendeine versprengte Einheit, der es gelungen war, durch das anfangs nicht gesicherte, leer stehende Reich der Fünften zum Steinernen Torweg zu gelangen.

Bei Palandiell, das Schwarze Wasser, dachte er erschrocken und musterte Flagur unauffällig. Ushnotzs Krieger hatten das Schwarze Wasser getrunken und waren unsterblich geworden. Wurde man durch den Verzehr des Orkfleisches, das mit der Schlechtigkeit durchsetzt war, vielleicht ebenfalls auf die Seite des Bösen gezogen? Täuschte Flagur etwa nur vor, ein Freund zu sein, und wollte in Wirklichkeit den Diamanten für seinen Runenmeister? Plante er mit seinem einhunderttausend Mann starken Heer die Eroberung des Geborgenen Landes, sobald er den Stein besaß?

Der Ubari betrachtete ihn. »Was ist mit Euch, Rodario? Ihr seid so schweigsam geworden?« »Ich bin... müde«, wich er aus. »Verzeiht meine Wortkargheit. Das geschieht immer, wenn... ich Fisch esse.« Er verschlang rasch sein Mahl und verabschiedete sich. Wie durch einen Zufall legte er sich neben Tungdil zur Ruhe und weckte ihn unauffällig.

»Was ist, Unglaublicher?«, murmelte der Zwerg verschlafen.

»Du wirst es nicht glauben, aber...«

»Dann erspare es mir«, unterbrach er ihn und wollte sich umdrehen. »Ich habe Schmerzen.« »Unser Verbündeter hat ein Geheimnis. Er hat einen Ork gefressen, der von dem Schwarzen Wasser trank«, raunte er eindringlich.

Jetzt war Tungdil wach. »Was redest du da? Wieso sollte er das tun?«

»Weil sie gut schmecken. Angeblich.« Rodario schüttelte sich.

Tungdil nahm die Neuigkeit hin und spann den Gedanken weiter. »Aber selbst wenn es so ist, Ushnotz und seine Orkmeute sind schon lange tot.«

»Aber vorher hat Flagur einen gefressen. Er kam aus dem Grauen Gebirge, sagte er«, beharrte der Mime aufgeregt.

Tungdil konnte sich zusammenreimen, unter welchen Umständen das passiert sein mochte. Er hatte damals mit Ingrimmsch einige Kundschafter der Orks am Torweg angegriffen und drei von ihnen bis ins Jenseitige Land verfolgt. Der eine Ork, der ihnen entkommen war, war wohl Flagur in die Arme gelaufen. »Sie verspeisen Orks?«