Выбрать главу

»Wie gut, dass mich diese verfluchte Waffe nicht im Gesicht traf. Meine Schönheit wäre dahin.« »Gut gemacht.« Tungdil spähte nach unten ins Wasser; rechts und links von ihm gesellten sich die Ubariu dazu, die Hellebarden zum Wurf erhoben, um die Spitzen sofort in das auftauchende Monstrum schleudern zu können. Luftblasen stiegen empor, und ein Leuchten drang aus der Tiefe.

»Sirka«, rief Tungdil und deutete auf den großen, schweren Anker eines Schiffes, der an der Vorderseite des Bugs hing. Er schwebte genau über der Stelle, an der das Wasser brodelte. »Runter damit. Rasch!« Sie nahm eine Planke und legte sie an, rannte hinauf und weiter an den Bug des Schiffes. Dann löste sie die Sperre der Kette und gab den Anker ruckartig frei. Gleich einem Fallbeil rauschte er hinab und schoss durch die Oberfläche; Wasser spritzte hoch, es plumpste laut. Mit den nächsten Blasen kam schwarze Flüssigkeit nach oben.

»Los, hinauf!«, sagte Tungdil zu den wartenden Ubariu. »Zieht den Anker noch einmal hoch und lasst ihn wieder zustoßen.«

Sie taten, was er von ihnen verlangte. Alle sahen, dass verbogene Eisenbänder und Hautfetzen an der Spitze des Ankers hingen, ehe er wieder nach unten schnellte. Dieses Mal färbte sich das Wasser schlagartig, als sei eine Gewitterwolke unter der Oberfläche gefangen.

Sie wiederholten die Prozedur noch mehrere Male, bis sie sich sicher waren, dass das Wesen kein Leben mehr in sich trug. Selbst wenn die Verletzungen durch den Anker nicht ausgereicht hatten, wäre es mit Sicherheit ertrunken.

Inzwischen fanden sich noch mehr Gardisten ein; auch der Hauptmann erschien und bekam von Lot-Ionan erklärt, was sich abgespielt hatte. Er war fassungslos beim Anblick seiner Leute, die ebenso gut von einem Mühlstein hätten überrollt sein können.

Auch für den Runenmeister der Ubariu bedeutete das Zusammentreffen mit dem Monstrum das Ende. Damit war Lot-Ionan das einzige Wesen, das dem Unauslöschlichen magisch die Stirn bieten konnte.

»Holt Netze und fischt den Grund ab«, befahl der Hauptmann seinen Leuten.

Tungdil schüttelte Rodario die Hand. »Hervorragend gemacht, Unglaublicher. Ohne dich wäre es nicht gut ausgegangen.«

»Ein vergleichsweise bescheidener Beitrag. Und eine geringe Wunde«, sein Blick wanderte zu den Leichen, »im Vergleich zu ihrem Opfer.«

Lot-Ionan richtete sich auf. »Wir müssen uns beeilen. Ich denke, dass der Unauslöschliche bereits auf dem Weg zur Insel ist.« Tungdil half Rodario aufzustehen. »Wird es gehen?« »Es muss«, entgegnete er mit zusammengebissenen Zähnen. »Wer von euch erbrächte sonst derartige Darbietungen, wie ihr sie eben gesehen habt?« Gemeinsam gingen sie die Planke hinauf und betraten das Schiff.

Sirka übernahm kurzerhand das Kommando. Die Seeleute staunten nicht schlecht, gehorchten aber, weil außer den Ubariu noch vierzig Gardisten mit an Bord gingen und der Hauptmann die Wogenschwinge im Namen der Königin beschlagnahmte. Befehlsverweigerung konnte nun mit dem Tode bestraft werden. »Hier«, rief einer der Soldaten, die in einem Ruderboot an der Stelle fuhren, wo sie das Scheusal vermuteten. Sie hatten kleine Wurfhaken nach unten gelassen und damit etwas gefangen.

Es war ein abgerissenes Stück Arm. Die eisenverkleideten Finger bewegten sich klickend, dünne Bolzen und schmale Nieten waren durch das Fleisch gebohrt und verbanden das Eisen mit dem Gliedmaß. Vor Schreck und Ekel aufschreiend, warf der Gardist seinen Fang zurück ins Wasser. Ein anderer zog den verbogenen, eisernen Rucksack hervor; an den langen Streben, die einmal im Leib des Scheusals gesteckt hatten, hingen blutige Fleischklumpen. Auch dieser Fang flog zurück ins Hafenbecken.

Sirka befahl, die Leinen des Schiffes zu lösen und alle Segel zu setzen. Man nahm Fahrt auf, der Rudermann wusste, wo sich die Insel befand und legte den Kurs an. »Es ist tot«, seufzte Rodario erleichtert. »Noch eines weniger.«

»Bleiben noch mindestens eines und ein Unauslöschlicher.« Tungdil setzte sich auf die Planken, bekam etwas zu essen und zu trinken gereicht. Er war unglaublich müde, Kampf und Reise forderten ihren Tribut. Zu allem Überfluss brannte seine Augenwunde heiß wie glühende Kohle.

Nachdem ihm Sirka wieder etwas von dem schmerzstillenden Pulver überlassen hatte, döste er ein. Die Nebel narrten ihn, bevor seine Lider schwer wurden, und gaukelten ihm vor, dass Bramdal am Steg stand.

Das Geborgene Land, Königinnenreich Weyurn, 20 Meilen nordöstlich von Mifurdania, 6241. Sonnenzyklus, Spätsommer.

Der Nebel lichtete sich nicht. Ganz im Gegenteil, er schien den Unauslöschlichen schützen zu wollen. Es war im Grunde sträflich leichtsinnig, mit Vollzeug über den See zu gleiten. Ein treibender Baumstamm oder ein Felsen hätten genügt, um den hölzernen Bauch des Seglers auf der Stelle aufzuschlitzen. Dennoch gingen sie das Wagnis ein, da sie nicht wussten, wie groß der Vorsprung ihrer Feinde war.

»Wenn ich nur wüsste, wie es ihnen gelungen ist, schneller zu sein als wir«, ärgerte sich Flagur. »Ihr habt gesehen, welche Kräfte diese Kreaturen besitzen. Und die Macht eines Unauslöschlichen ist kaum bekannt«, tröstete ihn Lot-Ionan. Ihm bereitete es Sorge, dass er sich dem magischen Widersacher allein stellen musste. Es gab keinen Dergard mehr, der ihm beistand, oder einen Runenmeister. »Ist es Euch überhaupt noch möglich, den Stein in das Artefakt einzusetzen?«

»Wie meint Ihr das, ehrenwerter Magus?« Flagur sah, dass Sirka die Segel reffen ließ. Der Steuermann hatte ihr gesagt, dass sie bald die Stelle erreichen würden, an der sich die Insel befunden hatte. Bis vor kurzem jedenfalls. »Euer Runenmeister ist tot. Hättet Ihr ihn nicht benötigt, um das Artefakt in Gang zu setzen?« »Ganz recht, unser Runenmeister ist tot. Aber es gibt noch einen Runenmeister. Bei den Acronta. Es wird nur sehr schwierig, ihn dazu zu bewegen, uns mit seinem Wissen zu helfen.« Der Ubari verzog das Gesicht, was ihn äußerst missgelaunt wirken ließ. »Sie sehen es als Herausforderung an, gegen die Bestien zu kämpfen, die in der Schwarzen Schlucht lauern. Es wäre so, als wolle man einem Kind verbieten, sich mit einem Stärkeren zu messen. Sie verstehen nicht, dass sie niemals siegen würden, sondern auf Dauer unterliegen.« Er betrachtete Lot-Ionan. »Ihr seid ein Magus. Für Euch wäre es sicherlich eine Kleinigkeit, den Stein einzusetzen.«

»Mit solchen Artefakten kenne ich mich nicht aus«, gestand er ein. »Doch bevor es zu spät für Eure und meine Heimat ist, werde ich Euch sicherlich folgen.«

Ein warnender Ruf von der Nebelwache am Bug ertönte, schon prallte ein schwerer Gegenstand rumpelnd gegen den Bug des Seglers.

»Was war das?«, rief Sirka. »Sind die Planken heil geblieben?«

»Ja«, bekam sie die erleichterte Antwort. »Es war Treibgut. Sah aus wie das Stück eines anderen Schiffes, ein Teil einer Bordwand oder etwas in der Art.«

Tungdil dankte Vraccas, dass Sirka die Fahrt verlangsamt hatte. Bei voller Geschwindigkeit wären ein Loch und Wassereinbruch sicher gewesen.

Bald schlugen immer mehr Trümmer gegen die Wogenschwinge, je weiter sie sich der Insel näherte. Tungdil kam ein schrecklicher Gedanke, was da anklopfte.

»Wo sind eigentlich die Kriegsschiffe, die Königin Wey zum Schutz der Insel ausgesandt hat?«, fragte Rodario besorgt. »Sie hätten uns schon lange...« Er schwieg. »Oh, verfluchter Alb!«, meinte er, als er Tungdils Blicke sah. »Er hat sie versenkt?«

»Hast du eine andere Erklärung, Unglaublicher?« Aus dem Nebel tauchten die Umrisse der Insel auf. »Aber sie ist noch da. Wir...«

Eine grelle Flammensäule schoss aus einer Bergflanke und stach fünfzig Schritt in den Dunst hinein, dann fauchte eine zweite ihr helles Feuer in die Nacht; die Wärme rollte über sie hinweg, obwohl sie noch einhundert Schritte von dem Strand entfernt waren. Aus den großen Lohen wurden viele kleine Flämmchen, welche die Spitze der Insel wie eine Krone umspielten. Das Schauspiel erregte die Aufmerksamkeit aller an Bord. »Sie taucht!« Tungdil verstand, was vor sich ging. Der Unaus löschliche verbrannte das leichte Gas in den Kammern und flutete sie, um auf den Grund zu sinken. Damit wäre er für niemanden mehr zu erreichen. Ob es Lot-Ionan mit seiner Magie gelingen könnte, nach unten zu gelangen, und ihn und den Bastard allein zu überwinden, hielt der Zwerg zumindest für fraglich. »Wir müssen sie erreichen, ehe sie verschwindet. Sirka, Vollzeug! Keine Rücksicht auf das Schiff.«