Sie gelangten zu dem Eisenblock, den sie für den Antrieb hielten. Die Ketten sirrten mit derart hoher Geschwindigkeit an ihnen vorbei, dass sie vor ihren Augen verwischten und undeutlich wurden. Sie entfachten einen öligen Wind. Tungdil sah, dass sie straff gespannt waren und sich nicht so ohne weiteres zum Stehen bringen lassen würden. Blieben nur noch die Umlenkrollen.
Bevor er ihnen sagen konnte, was er beabsichtigte, tauchte der Alb wieder auf. Er hatte sich Flagur auserkoren, aber dieses Mal traf er auf einen vorbereiteten Widersacher.
Flagur parierte die erste Klinge mit seinem Schwert und fing den Arm ab, der die zweite Waffe führte. Dann trat er dem Unaus löschlichen gegen die Brust und schleuderte ihn nach hinten, ohne den Arm loszulassen. Der Knochen würde brechen.
Wie eine Puppe schnellte der Alb nach hinten, drückte sich aber an der Wand ab und kehrte mit zweifacher Wucht zu Flagur zurück. Er schlug mit dem Schwert nach ihm. Der Ubari musste den Arm des Albs loslassen, ohne ihn verletzt zu haben.
Seine Soldaten eilten heran und setzten dem Unauslöschlichen mit schnellen Hieben zu.
Der Unauslöschliche erkannte seinen Fehler. Bei diesen Gegnern handelte es sich nicht um die meist starken, aber dafür sehr behäbigen Orks. Er musste einstecken; nach zwei Treffern gegen seine Brust und seinen linken Oberschenkel versuchte er erneut, sich in die Dunkelheit zurückzuziehen, um seine heimtückischen Angriffe von dort fortzusetzen.
Einen Ubari stach er nieder, den Schlag eines zweiten fälschte er ab, sodass der Oberkörper des Soldaten gefährlich nahe an eine Kette geriet. Nach einer zweiten, blitzschnellen Attacke, erfassten die Glieder den Ubari und rissen ihn fort. Seine Schreie verstummten bald. Irgendwo in der Maschine ertönte ein lautes Scheppern, und die umlaufende Kette färbte sich dunkelrot von seinem Blut.
»Greift ihn!« Lot-Ionan hatte die Gelegenheit genutzt, um einen Fesselzauber zu weben, den er über den Unauslöschlichen warf.
Die Runen auf der schwarzen Rüstung schimmerten auflehnend, doch sie bewahrten den Träger nicht vor der Wirkung der Magie. Wie eine Statue verharrte er, wütende Schreie drangen hinter dem Helm hervor. »Ringt ihn nieder!« Tungdil warf sich gegen den Alb, Flagur kam ihm zu Hilfe und entriss dem Gegner die beiden Schwerter.
»Macht ruhig, Freunde.« Rodario fühlte wenig Verlangen, sich dem Unauslöschlichen zu nähern, sondern kümmerte sich stattdessen um den Antrieb. »Ich lege die Maschine lahm.« Er hatte eine Klappe gefunden, die sich öffnen ließ, und dahinter sah er ein Zahnrad neben dem anderen und mehrere dicke Eisenfedern, die sich unablässig ab- und aufwickelten.
Darunter stand eine Wanne voller Öl. Kleine Schöpflöffel tauchten darin ein, luden sich voll und übergössen die schnell laufenden Teile damit; die schwarze Flüssigkeit rann an den Gestängen hinab zurück in die Wanne. »Na, da weiß selbst ich, was zu tun ist«, lachte er. Mit seinem Schwert bohrte er ein breites Loch in die Wanne; das Öl rann heraus, und die Schöpflöffel griffen bald ins Leere.
Aber noch tat sich nichts. Die Maschine lief weiterhin wie geschmiert.
»Das dauert zu lange.« Um den Vorgang zu beschleunigen, schleuderte Rodario den Gesteinsstaub, den er fand, durch die Klappe. Die Löffel förderten ihn nach oben und berieselten die kreiselnden Teile. Kurz darauf erklangen die ersten reißenden Geräusche, Metall rieb sich heiß und verbreitete einen stechenden Geruch. Es würde nicht mehr lange dauern, bis der Antrieb zum Stillstand kam.
»Und wieder einmal hatte der Unglaubliche eine unglaubliche Eingebung.« Er schloss die Klappe und sah zu, was Tungdil und die Ubariu mit dem Unauslöschlichen anstellten.
Ächzend blieb das erste Rad stehen. Einige der mit höchster Geschwindigkeit laufenden Teile wurden abrupt abgebremst, während andere weiterliefen und sich die Kraft nicht mehr übertragen ließ. Hell klirrend barst Eisen, mit Wucht durchschlugen Trümmer der Zahnräder die Hülle und sirrten als Geschosse davon.
XVIII
Das Geborgene Land, Königinnenreich Weyurn, Nordgrenze des Roten Gebirges, 6241. Sonnenzyklus, Spätsommer.
»Lass einmal sehen, was sich unter deinem Helm verbirgt«, sagte Tungdil und fasste unter den Rand, um den Kinnriemen zu lösen, als warnender Lärm ertönte und die ersten Bruchstücke der Zahnräder an ihm vorbeiflogen. Er wandte erschrocken den Kopf zu Rodario. »Was hast du getan, Unglaublicher?« »Den Antrieb zerstört, wie du es wolltest«, gab er beleidigt zurück. »Es wird gleich vorüber sein.« Die Geräusche sprachen eine ganz andere Sprache. Ketten und Antriebsbänder zerrissen, und das Unheil pflanzte sich durch den Innenraum der Maschine fort. Aus allen Richtungen dröhnte die Sinfonie des Untergangs, und noch mehr Splitter schössen umher. Auf einem Schlachtfeld, das von eintausend Bogenschützen mit Pfeilen eingedeckt wurde, war es sicherer als im eisernen Bauch der Maschine.
»Raus!«, schrie Tungdil und bekam einen Schlag gegen den Rücken. Das Kettenhemd hatte den Eisenbolzen abgehalten, dennoch schmerzte es übel.
Sie suchten den Weg zurück. Unterwegs fand Sirka eine andere Klappe, durch die sie über einen schmalen Eisensteg zu einem zweiten Ausgang gelangten. Der Unauslöschliche wehrte sich vorerst nicht. Es war auch in seinem Sinn, die berstende Maschine zu verlassen, anstatt in ihrem Innern zu Grunde zu gehen. Es dauerte nicht lange, und sie gelangten ins Freie, sprangen zurück in den Staub und liefen zu den Loren. Erst dann gönnten sie sich eine Rast.
»Erinnere mich daran, dass ich dir nie wieder den Auftrag erteile, etwas lahm zu legen«, sagte Tungdil zu Rodario halb im Ernst, halb im Spaß.
Mit einem lauten Geräusch, das wie der Schrei einer uralten, finsteren Kreatur klang, kam der Bohrer zum Stillstand, und das Stampfen der Maschine endete. Das letzte bisschen Staub rieselte zu Boden, dann war es still. Die Ruhe war unheimlich. Tungdil hörte es immer noch rumpeln, seine Ohren spielten ihm einen Streich. »Wir haben es geschafft!«, jubelte Rodario und tastete an sich herum, um zu sehen, ob er eine Verletzung an sich übersehen hatte. »Die Helden von einst sind die Helden des Umlaufs! Das Geborgene Land ist sicher, meine Freunde.«
»Nicht ganz.« Tungdil streckte die Hand aus, um dem Alb den Helm abzunehmen und ihn nach dem Stein zu befragen, da zuckte dessen Fuß nach vorn, und die Stiefelspitze traf den Zwerg an der Stirn. Der Unauslöschliche hatte entweder nur so getan, als wirke der Zauber, oder Lot-Ionan vermochte diesen nicht länger aufrecht zu erhalten. Er riss dem Ubari neben sich das Schwert aus der Hand und versetzte dem Krieger, der ihn festhielt, einen Stoß mit dem gepanzerten Ellbogen ins Gesicht; bewusstlos brach der Ubari zusammen. »Wie könnt ihr es wagen, mich aufhalten zu wollen?«, rief der Alb unter dem Helm hervor und schwang das Schwert gegen Flagur, der den Hieb parierte und einen Faustschlag auf die Nase bekam. Blut spritzte und haftete feucht glitzernd an dem Panzerhandschuh des Unauslöschlichen. »Ich schlage euch die Knie durch und lasse euch in eurem Blut vor mir knien.«
»Lot-Ionan!«, rief Rodario und wich vor dem Feind zurück, der sich unfassbar schnell und geschmeidig bewegte.
Tungdil stellte sich dem Alb in den Weg. »Du hast etwas, was dir nicht gehört!«
Der Unauslöschliche redete nicht mit ihm. Stattdessen schlug er zu, und die Wucht des Treffers, den Tungdil mit der Axt abfing, ließ ihn einknicken. Vermutlich würde ein solcher Schlag auch einen Ork in die Knie zwingen. »Wie erbärmlich ihr seid«, sagte der Alb angewidert und mit hohler Stimme. »Ihr habt den Untergang wahrlich verdient.« Beiläufig tauchte er unter dem Schlag eines Ubari weg und hielt den Druck auf das Schwert und damit auf Tungdil spielend leicht aufrecht.