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»Versteht mich nicht falsch, aber es kam schon einmal ein Wesen ins Geborgene Land und wollte angeblich nur das Gute«, meinte Rodario, der sich verpflichtet fühlte, sein Misstrauen näher auszuführen. »Und bei allem Respekt Euch und Sirka gegenüber«, er neigte den Kopf, »bislang mussten wir uns auf Eure Worte verlassen. Ich meine, woher wissen wir denn, dass es diese Schwarze Schlucht gibt, dass da eine Bedrohung lauert und dass sie den Diamanten benötigen, um ein Artefakt in Gang zu setzen?« Er räusperte sich. »Seit jener Nacht sind die Zweifel einfach vorhanden, Flagur. Seht es mir nach.«

»Verdammter Schauspieler!« Blitzschnell ergriff Flagur den Diamanten. Er starrte auf seine Faust, dann öffnete er den Mund, und ein finsteres Lachen erklang aus seiner Kehle. Die rosafarbenen Augen leuchteten grausam. »Endlich ist er mein!«, grölte er und sprang auf. »Die List gelang! Ubar sei gepriesen!« Sirka stellte sich an seine Seite, zog ihren Kampfstab und reckte ihn drohend gegen den Schauspieler. »Nun seht, was für ein mächtiger Runenmeister ich in Wirklichkeit bin. Spürt meine Macht!« Dann veränderte sich sein Antlitz. Er grinste Rodario an, der tapfer sein Schwert gezogen hatte. »Was sagt Ihr zu meinem Schauspieltalent?« »Was?« Der Mime blinzelte. Er atmete rasch und sah aus, als sei er soeben durch einen Schrei in sein Ohr aus tiefem Schlaf gerissen worden.

»Meine Vorstellung. Wie gefiel sie Euch?«

»Eure... Eure Vorstellung! Sehr witzig! Ich hätte Euch um ein Haar den Hals aufgeschlitzt.« Vorwurfsvoll schaute Rodario auf Tungdil. »He, großer Held! Du sitzt auffallend entspannt neben mir.« Tungdil griente, dann lachten er und alle anderen los. »Oh, ich verstehe! Ihr habt bereits darüber gesprochen und diese kleine Szene vorbereitet, um mir ordentlich Bange zu machen?« Er verzog das Gesicht. »Das bekommt ihr heimgezahlt, verlasst euch darauf. Niemand fordert den Kaiser der Schauspieler heraus.« Beleidigt steckte er das Schwert in die Scheide. »Niemand.«

Tungdil klopfte ihm auf die Schulter. »Ich hatte ihn in der Tat bereits darauf angesprochen, und Lot-Ionan hat ihn mithilfe der Magie untersucht, ohne etwas feststellen zu können, das auf eine Lüge hingewiesen hätte.« »Es war gut, dass Ihr uns aufmerksam machtet«, sagte Lot-Ionan lächelnd. »Aber den Schrecken hattet Ihr nach Eurer unglaublich törichten Handlung im Stollen...«

»Danke, danke, ich habe verstanden«, wehrte Rodario ab. »Können wir nun zu den wirklich wichtigen Dingen zurückkehren?«

Sirka und Flagur setzten sich wieder, beide grinsten. Aber Flagurs Heiterkeit legte sich rasch. »Nein, so sah der Diamant noch niemals aus.« Er reichte ihn an Sirka weiter.

»Sprünge, schwarze Verunreinigungen«, meinte sie und schüttelte den Kopf. »Woher stammen sie? Vom Unauslöschlichen?« Sie hielt ihn gegen das Licht. »Er wirkt, als zerbräche er jeden Augenblick.« »Ich kann es mir nur so erklären.« Lot-Ionan fuhr sich über den weißen Bart - oder zumindest das, was nach der Flammenwelle davon übrig geblieben war. »Ich nehme an, dass der Alb die Macht erzwingen wollte und dabei die letzten Reste seiner eigenen Magie einsetzte, um den Schutz zu durchbrechen.«

»Das Leuchten, das wir gesehen haben: War das die Macht des Steins oder die des Unauslöschlichen?«, hakte Tungdil ein.

»Die Macht des Diamanten. Es war ein reines, klares Licht. Kurz danach muss die Verunreinigung durch das Böse geschehen sein.« Lot-Ionan schaute Flagur und Sirka nacheinander an. »Es ist wich tig zu wissen, ob Ihr glaubt, dass das Artefakt mit diesem veränderten Stein seinen Dienst tun wird oder nicht.« »Kann er nicht auch die umgekehrte Wirkung erzielen?« Rodario erbat sich den Diamanten und rieb mit dem Finger darüber. Auch wenn er sich nicht so anfühlte, die Oberfläche war glatt wie Glas. Von den Rissen spürte er nichts. »Wenn das Böse darin lauert, wecken wir es damit nicht erst? Oder anders gesagt«, er legte den Stein in die Mitte des Tisches, »was ist, wenn das Artefakt das Böse beschwört, anstatt es zurückzuhalten?« Sie schwiegen und beobachteten, wie der Diamant den Bewegungen der Wellen folgte und seine Ränder nach rechts und links senkte. Er wirkte so harmlos, bei aller Pracht dennoch unscheinbar und verriet nichts über die enorme Macht, die in ihm gespeichert war. Niemand wusste, was diese Macht bewirken würde. »Was habt Ihr gespürt, als Ihr ihn benutzt habt, ehrenwerter Magus?«, fragte Sirka. »Ihr seid bewandert in der Magie, Ihr habt sie studiert. Gab es irgendetwas, was Euch mehr als fragwürdig erschien?«

Lot-Ionan rief sich Nudins Stimme und seine geisterhafte Gestalt ins Gedächtnis. »Nein«, log er gelassen. Er bezog die Erscheinungen auf sich, weniger auf den Stein. »Nein, er ließ sich von mir einsetzen. Und ich bin weit entfernt, mit dem Bösen im Bunde zu stehen.« Hastig trank er von seinem Wein, und in der Vorwärtsbewegung versetzte ihm sein Rückgrat einen heißen Stich. Die Finger öffneten sich zu früh, beinahe wäre der einfache Becher hingefallen und hätte seinen Inhalt über den Tisch ergossen.

Tungdil atmete tief ein. »Wir sollten den Herrscherinnen und Herrschern nichts von unserem Zweifel sagen.« Rodario hatte seine Kränkung überwunden und beteiligte sich wieder an dem Gespräch. »Das kann ich nur unterstützen. Sie würden lieber ein Heer in die Schwarze Schlucht entsenden, um die Scheusale zu bekämpfen, als das zweifelhafte Artefakt zum Einsatz zu bringen.« Er schnippte gegen den Diamanten. »Ich bin dafür, dass wir es dennoch versuchen. Es ändert nichts, sondern es beschleunigt die Angelegenheit. Entweder dieses Artefakt funktioniert, und niemand wird jemals von unseren Zweifeln und diesem Abend in der Wogenschwinge erfahren, oder es funktioniert nicht, und dann können sie das Heer immer noch entsenden.« »Um es anders zu sagen: Wir haben keine Wahl«, meinte Flagur. »Es wird nicht mehr lange dauern, bis die Aufklärer der Scheusale die fehlende Barriere bemerken. Der Diamant muss zurück an seinen Platz.« Lot-Ionan hob den Kopf und schaute hinaus auf die abendlichen Wellen. »Notfalls gibt es noch mich. Die Kraft des Diamanten wird sich für starke Zauber einsetzen lassen, mit denen ich die ersten Wellen der Angreifer zurückschlagen kann.«

»Ihr seid sicher, dass Euer Verstand sein altes Wissen zurückerlangt hatte?«, sagte Sirka vorsichtig, um aus der halben Beleidigung eine Viertel Beleidigung zu machen.

Der Magus lächelte sie an. Es war ein zuversichtliches, vollkommen überzeugendes Lächeln. »Ich fühle mich, als besäße ich das Wissen von zwei Magi«, gab er zurück. »Mein Blut hat den letzten Rest meines Körpers erreicht und den Stein darin aufgelöst.« Er tippte sich gegen die Schläfe. »Auch darin. Ich sehe die Formeln wieder klar wie zu meinen besten Tagen.« Und nach kurzem Schweigen setzte er hinzu: »Nein, es sind meine besten Tage. Der Kampf gegen den Unauslöschlichen hat mich wachgerüttelt.«

»Dann belassen wir es dabei«, fasste Tungdil zusammen und streckte sich. »Wir gehen ins Jenseitige Land und setzen den Diamanten ein. Danach mögen die Götter, Ubar und Vraccas, zeigen, was sie für uns zu tun gedenken, denn wir haben alles unternommen, um Unheil abzuwenden.« Er stand auf und schritt zur Tür. »Entschuldigt mich für einen Augenblick.«

»Zwergenwasser für Elria?«, grinste ihm Rodario hinterher. »Sei nicht so unfreundlich zu der Göttin. Sie hat uns mehrmals verschont.«

Tungdil lachte und verließ die Kajüte, um seinen Urin abzuschlagen. Dazu hatte er sich den Bug auserkoren. Elrias Gnade hin oder her - das eigene Wasser drängte mit Macht aus seinem Körper.

Nachdem er sich erleichtert hatte, blieb er am Bug stehen, spürte das sanfte Heben und Senken des Rumpfes und ließ sich die klare Luft um die Nase wehen.

Für ihn war das Element Wasser nach wie vor unheimlich, andere seines Volkes weigerten sich gänzlich, sich einem See zu nähern oder in einen Bach, ja sogar in eine tiefere Pfütze zu treten.