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Der Fluch Elrias verfolgte sie, dachten sie. Die Untergründigen schienen die Seefahrt dagegen für sich erkoren zu haben. Welch ein Unterschied.

Er schaute über die sanft wogende Oberfläche. Sie sah aus wie flüssig gewordene Nacht, die vom Himmel getropft war und sich auf der Erde gesammelt hatte.

»Ich beglückwünsche dich zu deinem Sieg über meinen Schöpfer«, sagte eine klare, leise Stimme hinter ihm, und Tungdil erkannte sie sofort: Der Tod war zu ihm zurückgekehrt.

Er wandte sich langsam um und sah den Alb im Dunkeln neben der Kiste mit den Ersatzsegeln. Er hockte im Schneidersitz, der Speer lag vor seinen Füßen, seine Rüstung zeichnete schwarze Flecken auf die ansonsten helle Haut. Die langen Haare fielen ihm ins Gesicht, die Panzerhandschuhe ruhten auf seinen Knien und hielten eine abgeschnittene schwarze Strähne. »Was tut ihr nun?«

Tungdil dachte daran, dass er lediglich einen Dolch mit sich führte. »Wie ist dein Name?«

»Mein Schöpfer gab mir keinen. Er sagte, meine Feinde würden mir einen geben, der zu mir passt.« Er ließ Tungdil nicht aus den Augen, war aufmerksam, ohne dabei angriffslustig oder nervös zu wirken. Er schien sich seiner Stärke bewusst. »Aber die Namen, die ich bisher hörte, gefielen mir nicht. Niemand möchte wie ein Fluch oder ein Schimpfwort heißen. Daher habe Aiphatön gewählt. Wie der Stern.« Er hob seinen rechten Arm und zeigte zum Himmel, an dem es glitzerte und funkelte. »Es ist der Lebensstern der Elben. Mein Schöpfer sagte, der Stern verdunkle sich, wann immer ein Elb im Geborgenen Land sterbe. In den vergangenen Umläufen habe ich ihn gar nicht mehr gesehen. Etwas geschieht mit den Elben.«

»Die meisten von ihnen führen Krieg, und sie werden vermutlich vernichtet. Weil sie Verrat am Geborgenen Land begangen haben«, erklärte ihm Tungdil. »Du hältst dich für einen Elben?«

»Ich sehe aus wie ein Elb. Bin ich denn keiner?«, kam die verwunderte Frage.

»Was hat dein Schöpfer dir gesagt, was du bist?«

»Gar nichts. Aber er und meine Schöpferin sahen auch aus wie Elben.« Er senkte das Haupt, die Haare verdeckten sein Antlitz vollständig. »Ich bin froh, dass er tot ist. Er verlangte und tat widerliche Dinge.« Seine metallene Hand fuhr über die ins Fleisch genähten Tioniumplatten, ein leises metallisches Schaben ertönte.

»Hast du uns deswegen gesagt, wohin dein Schöpfer gehen will?«

»Ja. Ich ahnte, dass ihr ihn überwinden könnt. Mir war es nicht vergönnt.« Er hob wieder den Kopf. »Was tut ihr nun?«

»Wir...« Tungdil stockte. Der Alb wusste nicht, dass er als der ärgste Widersacher der Elben geboren worden war. Es konnte ebenso gut sein, dass er ein niederträchtiges Spiel betrieb, um ihn zu täuschen, und in Wahrheit ein ebenso furchtbares Ziel verfolgte wie die Unauslöschlichen. Aber wenn es ihm um den Diamanten ging, weswegen griff er nicht an?

»Du vertraust mir nicht, obwohl ich dir in Toboribor das Leben geschenkt habe? Dir den Aufenthaltsort meines Schöpfers genannt habe? Und du immer noch lebst, obwohl es mir ein Leichtes gewesen wäre, dich zu töten und über Bord zu werfen?« Er stand auf, eine schnelle, elegante Bewegung, die Kraft und Geschmeidigkeit in sich vereinte. »Dann will ich dir sagen, was ich möchte. Bring mich zu den Elben, die anders sind als meine Schöpfer. Ich weiß, dass es Elben gibt, die gut und freundlich sind. Bei ihnen möchte ich leben.« Er trat aus dem Schatten auf den Zwerg zu.

Tungdil sah die schwarzen Augen. »Du bist kein Elb«, sagte er bedächtig. »Du bist ein Alb. Sie sind die erbarmungslosesten Feinde der Elben, Aiphatön. Du kannst nicht bei ihnen leben. Sie würden dich auf der Stelle töten.«

»Wieso? Ich habe ihnen nichts getan.«

»Aber du gehörst der Rasse an, welche die Elben sehr, sehr lange Zeit verfolgte und beinahe ausrottete. Sie werden dir deine Herkunft nicht verzeihen.«

Der Alb schnalzte mit der Zunge. »Lass mich mit ihnen reden, und wir werden sehen, was geschieht.« Er verstaute die schwarze Haarsträhne in einem Wachstuch und schob es in seinen Handschuh. Tungdil schüttelte den Kopf. »Aiphatön, nimm meinen Rat an: Verberge dich vor den Menschen, Zwergen und Elben. Keiner wird dich ohne Furcht und Hass betrachten. Verlasse das Geborgene Land und suche deinesgleichen.«

»Aber ich will nicht zu denen, welche du Alb nennst«, zischte er und zeigte die Zähne. »Wenn sie so sind wie meine Schöpfer, vernichte ich sie lieber alle.« Er hob die Hand und reckte sie gegen den Speer, der noch immer auf dem Boden lag. Die Runen der Waffe leuchteten, dann schnellte sie in seine Finger. »Ich will nicht sein wie sie.«

Tungdil hatte noch immer nicht die leiseste Ahnung, ob er dem Alb trauen durfte oder nicht. Alles sprach dagegen, sowohl das, was er aus Geschichten kannte, als auch das was er am eigenen Leib erfahren hatte. Sinthoras, Caphalor und Ondori hießen die Albae, gegen die er selbst angetreten war. Aber es hatte Narmora gegeben, die Halbalbin, die Furgas' Gefährtin gewesen war. Sie kämpfte trotz ihrer Abstammung für das Gute und bezahlte einen hohen Preis: ihr Glück, das Leben ihrer Kinder. Ihr Leben.

»Was kannst du mir über deine Schöpfer und die Zwerge erzählen?«, fragte er, um die Unterhaltung in eine andere Richtung zu lenken.

»Sie sind tot. Was sollte man noch von ihnen berichten?«

Tungdil zögerte. »Hast du Furgas gesehen? Der Mensch, der von den Zwergen gefangen gehalten wurde?« »Ja.« Aiphatön hob den Handschuh. »Er hat mich auf Bitten meiner Schöpfer zu dem gemacht, was ich bin. Wie ich bin.« Klickend schlössen sich die Finger. »Aber er war kein Gefangner. Er war ihr...« Er rang nach einem Wort. »Sie haben sich ihm gebeugt und befolgten seine Befehle«, umschrieb er es stattdessen. »Ich habe vieles gehört.«

»Er war ihr Anführer?«

»Ja, das trifft es. Er hat die Insel zusammen mit den Zwergen entdeckt und sie mit Soldaten erobert. Die Menschen mussten für ihn arbeiten. Der Magister erschuf viele Apparate, die er den Zwergen gab, und die brachten sie weg. Er hat auch Apparate gebaut, die er durch das Gebirge sandte. Sie sollten Monstren finden. Und für diese Monstren baute er den Tunnel.« Der Alb setzte sich neben Tungdil auf die Bordwand. »Er war auch in Toboribor und suchte Orks, die er für andere Maschinen nutzen konnte. Dabei stieß er auf meine Schöpfer und die Orks. Meine Schöpfer gaben ihm meine Geschwister mit, und er formte sie zu neuen Wesen.« »Woher wusste er von der Quelle? Er ist ein Magister technicus, kein Magus.«

»Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass er es tat.«

Tungdil glaubte dem Alb, so sehr es ihn schmerzte. Die Wahrheit hatte er zum ersten Mal aus dem Mund von Bandilor gehört, und Aiphatön bestätigte sie nun. Tungdil hatte sich eine andere Variante gewünscht. Der Alb schaute über die Wellen. »Ich habe dir gesagt, was ich möchte, was ich weiß, woher ich komme. Nun sage du mir, was ihr nun tut.«

»Wir gehen ins Jenseitige Land...«

»Zu den Scheusalen, von denen Furgas sprach?«, fiel er ihm ins Wort.

»Nein, nicht nach Westen. Nach Nordosten.« Und bevor ihn Aiphatön fragen konnte, sagte er: »Du kannst nicht mit.«

Hilflos hob Aiphatön die Schultern. Es war schwierig, den Zustand seines Gemütes an seinem Gesicht abzulesen, die Schwärze in seinen Augen verschleierte jegliches Gefühl; doch seine Züge drückten tiefes Leid aus. »Was soll ich hier, im Geborgenen Land, wenn mich keiner will?« Eine rote Träne rann über seine Wange und hinterließ eine hellrosa Spur auf seiner Haut. »Ich bin ein Geschöpf, das keinen Platz findet und nur Feinde hat.«

Tungdil war inzwischen davon überzeugt, dass es Aiphatön ernst mit dem meinte, was er sagte. »Komm. Ich stelle dich einem weisen...«

»Nein.« Aiphatön blickte ihn an, seine Züge drückten Entschlossenheit aus. Er hatte eine Entscheidung getroffen. »Wenn es keinen Platz für mich im Geborgenen Land gibt, dann schaffe ich mir einen.« Er lächelte freundlich. »Was immer ihr beabsichtigt, ich wünsche euch alles Gute. Ich bin sicher, wir werden uns wieder sehen.« Er hechtete über den Schiffsrand und tauchte ohne ein Geräusch ins Wasser ein; die Wellen verschluckten ihn.