Выбрать главу

Tungdil schaute hinab. Es gab nichts zu entdecken. Aiphatön war fort, als hätte es ihn niemals gegeben. »Ho, was geht da vor?«, rief die Schiffswache, die den Zwerg bemerkt hatte. »Ist jemand über Bord gegangen?« Der Mann kam näher.

»Nein. Ein springender Fisch.« Tungdil wandte sich um und kehrte in die Kajüte zurück.

Wie beim ersten Mal würde er den anderen nichts von seiner rätseihaften Begegnung erzählen. Er hätte ihnen nicht einmal erklären können, wo der Alb so plötzlich hergekommen war. Er bat Vraccas, dass er Aiphatön niemals als Feind gegenüberstehen würde. Und dennoch glaubte er beinahe fest daran, dass es so kommen würde. Früher oder später.

Das Geborgene Land, Königreich Urgon, Dreigipfelburg, 6241. Sonnenzyklus, Frühherbst.

Ortger betrachtete von seiner Festung aus, wie sich der schwarze Tross näherte. »Die Untertanen Urgons haben sich in ihre Häuser verkrochen, als sie die Nachricht der Ausrufer hörten, dass sich ein befreundetes Heer nähert«, sagte er zu Mallen, der neben ihm stand. »Und ich kann es verstehen. Solche Freunde wünscht sich keiner.« Er betrachtete die Spitze des schweigenden Zuges, der die Stadt erreichte. Die Kreaturen waren breiter und größer als Orks, Furcht einflößend und schwer gerüstet.

»Ich verstehe die Furcht. In Idoslän war es nicht anders.« Mallen machte sich auf den Weg nach unten, in die Eingangshalle, um zu der Verabschiedung zu gehen. Tungdil und seine Freunde waren zusammen mit Lot-Ionan und dem Diamanten am vergangenen Umlauf in Dreigipfelburg angelangt.

»Nach mehr als fünf Zyklen ohne die Scheusale Tions marschieren sie zu Tausenden durch das Geborgene Land, sagen die Menschen.« Ortger ging an seiner Seite. »Niemand von den einfachen Leuten glaubt an die Friedfertigkeit. Es ist gut, dass die Ubariu wieder gehen. Ich habe Angst, dass es zu Übergriffen kommt. Es gibt zu viele Menschen, denen Schreckliches durch die Orks widerfahren ist.«

Die Hauptleute des Heeres betraten den Hof der Burg, die Untergründigen und die Ubariu liefen nebeneinander her und boten ein seltsames Bild. Nach den Maßstäben des Geborgenen Landes hatten sich Todfeinde zu Brüdern erklärt, was von vielen als widernatürlich betrachtet wurde.

Flagur und Sirka traten aus einem Nebengebäude und begrüßten die Ankömmlinge aufs Herzlichste; auch Tungdil stand dabei.

Ortger sagte nichts, aber seine Miene drückte aus, was er dachte: Unwohlsein, dass der Held des Geborgenen Landes sich offen für diese seltsamen Mischwesen aus Zwerg und Ork interessierte. Mehr noch, er hatte eine von ihnen als Gefährtin auserkoren, wenn man den Gerüchten Glauben schenken durfte.

»Kommt, wir gehen in den Wappensaal.« Er schritt aus, Mallen folgte ihm.

»Ihr seid der Hausherr. Wollt Ihr sie nicht begrüßen?«

»Sehr willkommen sollen sie sich erst gar nicht fühlen, Prinz Mallen. Einhunderttausend Mäuler sind nicht leicht zu stopfen, und je eher sie verschwunden sind, desto besser. Wir begehen die Verabschiedung, und das sollen sie ruhig spüren.«

Sie betraten den Saal, in dem Ingrimmsch, Goda, Lot-Ionan, Rodario, Bylanta, die Königin der Vierten, Ginsgar Ungewalt, Esdalän und die Vertreter der Herrscherinnen und Herrscher an einer runden Tafel saßen und warteten.

Die Königinnen und Könige hatten es nicht für notwendig befunden, sich persönlich nach Dreigipfelburg zu begeben. Es war alles gesagt worden, und sie hatten die Entscheidung des Magus angenommen. Der Diamant sollte das Geborgene Land verlassen. Die diplomatischen Gesandten waren Platzhalter der Höflichkeit, weil Mallen diese letzte Versammlung und die Feier gewünscht hatte.

Bald darauf kehrten Tungdil, Flagur und Sirka zurück.

Ortger erhob sich. »Willkommen auf Dreigipfelburg. Wir sind hier, um die letzten Ereignisse zu besprechen und die Helden zu ehren.« Er deutete eine Verbeugung in Richtung Flagur und Sirka an. »Nehmt nochmals meinen Dank entgegen, Flagur, für Euren Einsatz zum Wohl des Geborgenen Landes, den Ihr in Eurer Heimat fortführen werdet.« Er wandte sich an Tungdil und den Magus. »Auch Euch gebührt Ehre, dass Ihr über die Grenzen ziehen werdet und Euch den Strapazen der Reise ins Ungewisse unterzieht.« Er deutete auf Mallen. »Prinz Mallen, ich erteile Euch das Wort.«

Der Ido erhob sich. »Es ging mir darum zu zeigen, welche Wertschätzung wir Euch gegenüber hegen«, sagte er feierlich zu denen, die ausziehen würden. »Eine kleine Festlichkeit, um Euren Aufbruch zu würdigen, welche nichts im Vergleich zu der Feier sein wird, die Euch bei Eurer Rückkehr erwartet.« Er lächelte Tungdil zu. »Möge Euch Vraccas leiten und schützen.« Nacheinander richteten die diplomatischen Gesandten ihre besten Wünsche ihrer Herrscherinnen und Herrscher aus, versprachen Lob und Geschenke bei der Rückkehr sowie ewig währende Dankbarkeit. Tungdil hörte es und lächelte unverbindlich. Aber in ihm brodelte es wie kochendes Bergesblut. So wenig wert waren den Mächtigen die Helden, die ihre Gesundheit und ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatten, dass man sie mit Gesandten und ausgerichteten Grüßen abspeiste.

Bylanta stand auf. Sie war mit dem nicht ganz so wuchtigen Wuchs eine klassische Zwergin aus dem Stamm der Vierten und wirkte gegen Sirka gnomenhaft klein geraten. Die langen blonden Haare trug sie als Zopf, der ihr über die Schulter auf die Brust fiel, die braunen Augen ruhten auf Tungdil. Das leichte Kettenhemd war mit verschwenderisch vielen Edelsteinen besetzt, und auf ihrem Haupt saß eine meisterhaft gearbeitete Krone aus funkelnden Diamanten.

»Ich bin Bylanta Schmalfinger aus dem Clan der Silberbärte, Königin über die Vierten und Herrscherin über das Braune Gebirge.« Ihre Stimme war laut, fest und sicher. »Ich werde euren Zug bis zu den Toren der Silberfeste begleiten. Es ist mir eine Ehre, Tungdil Goldhand, mit dir zu reiten. Ich möchte dir eine Freundin sein, wie du ein Freund für Gandogar gewesen warst.« Sie nahm Platz.

Ginsgar Ungewalt erhob sich. Ein Zwerg konnte nicht stattlicher sein als er, nicht einmal der König der Fünften, Gla'imbar, reichte an seine Erscheinung heran. Der prächtige rote Bart, der kräftige Wuchs, die entschlossenen Züge und die Augen, die keinen Widerspruch duldeten, machten ihn zu einem Kind des Schmieds, wie man sie selten fand.

»Ich grüße dich, Tungdil Goldhand. Ich bin Ginsgar Ungewalt aus dem Clan der Nagelschmieds vom Stamm des Ersten, Borengar, und ich bringe dir als Großkönig die besten Wünsche der Zwergenstämme«, sagte er mit tönender Bassstimme. »Kehre wohlbehalten aus dem Jenseitigen Land zurück, und...«

Bylanta drehte den Kopf zu ihm. »Wie kommt es, dass hier an scheinend der neue Großkönig sitzt, den meine Clans und ich gar nicht gewählt haben? Ich wusste von keiner Versammlung«, sagte sie verwundert und empört zugleich. »Ich denke, es sollte der Großkönig aller Stämme sein und nicht einiger.«

»Es gab eine Versammlung und eine Wahl«, erwiderte Ginsgar unberührt. »Die Krieger, die mit mir durch Älandur zogen, um die Elben für ihren Verrat zu strafen, riefen mich zu ihrem Großkönig aus. Und darunter befanden sich auch Zwerge aus deinen Clans, Bylanta. Es ist demnach rechtens, dass ich Großkönig bin.« Die Eröffnung traf die Gesandten, Mallen und Ortger überraschend. Lot-Ionan warf Tungdil einen wissenden Blick zu. Es war genau das eingetreten, was er und Rodario befürchtet hatten: ein Kriegsheld hatte sich zum Herrscher aufgeschwungen.

Esdalän sah Ginsgar feindselig an. »Was hast du Älandur angetan, Zwerg? Die Atär waren deine Feinde, nicht mein gesamtes Volk. Nicht die grünenden Haine und wunderschönen Behausungen. Nicht die Erde, auf der du gewandelt bist.«