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»Wir haben die Atär gejagt und überall welche gefunden. Sie haben uns aus dem Hinterhalt ihrer Tempel, aus den Wäldern und aus den Dörfern heraus angegriffen.« Ginsgar hielt dem Blick des Elben grimmig stand. »Daher haben wir alles in Schutt und Asche gelegt, was ihnen als Schutz für ihre heimtückischen Überfälle dienen konnte.«

»Haben ihnen auch die Wiegen der Neugeborenen als Schutz gedient?«, stieß Esdalän wütend hervor. »Wir haben die Nachkommen der Atär getötet, was wohl auch in deinem Sinn sein wird, Elb. Aus ihnen wäre neues Übel erwachsen.« Ginsgar legte die Hand an den Griff des Kriegshammers, der neben ihm stand. »Wenn wir in Älandur fertig sind mit Ausmisten, dürfen die Elben zurück in ihre Heimat. Bäume wachsen nach. Wie dein Volk auch.«

»Wie viele Unschuldige habt ihr erschlagen?«

»Keinen Einzigen. Alle, die starben, verdienten es auch«, gab Ginsgar sofort zurück. »Du kannst mir dankbar sein. Allein hättet ihr die Atär nicht besiegen können.«

Esdalän sprang auf, sein Stuhl kippte nach hinten und fiel mit einem lauten Krachen auf den Boden. »Über Beistand hätte ich mich sehr gefreut, aber was du tatest, Ginsgar Ungewalt, war sinnloses Morden! Ihr wart nicht besser als Orks!« Er lehnte sich nach vorn, stützte sich auf den Tisch. »Weißt du, wie viele meines Volkes übrig sind?«, raunte er heiser vor Verzweiflung.

»Ich schätze ihre Zahl auf einhundert«, meinte der Zwerg gelangweilt.

»Siebenunddreißig«, schrie Esdalän. »Siebenunddreißig, darunter zehn Frauen und neun Kinder!« Ginsgar zog die roten Augenbrauen zusammen. »Wir waren gründlich. Nun seid ihr wenigstens keine Gefahr mehr für das Geborgene Land.«

»Blinde Rache habt ihr geübt. Nicht mehr.« Der Elb richtete sich ruckartig auf. Tränen rannen über sein schönes Gesicht, das zu einer Maske des Hasses geworden war. Er deutete auf Ginsgar und redete in seiner Sprache, bis er sich abwendete und den Saal verließ, ohne nach rechts und links zu schauen.

»Bei Palandiell«, flüsterte Lot-Ionan, und Rodario wurde bleich wie eine gekalkte Wand. »Und wir haben nichts getan, um sie aufzuhalten.« Seine Hand legte sich an den Gürtel, wo der Diamant in einem Beutelchen baumelte. »Wir haben zugesehen.«

»Was hätten wir tun sollen?«, rief Ortger. »Es ist bedauerlich, dass es so kam, aber nennt uns eine andere Vorgehens weise.«

Tungdil konnte es ebenfalls nicht fassen. Die Tat von Ginsgar war unverzeihlich. Es bewies die Grausamkeit des selbst ernannten Großkönigs. »Uns trifft alle Schuld. Das gemeinsame Heer hätte von Toboribor nach Älandur eilen müssen, um das Morden zu unterbinden.« Er bedachte Ginsgar mit einem vernichtenden Blick. »Weißt du, was du angerichtet hast? Du hast die beste Gelegenheit, die Elben mit Dankbarkeit an unser Volk zu binden, verstreichen und sie stattdessen wieder zu Feinden werden lassen.«

»Ich fürchte mich.« Ginsgar schüttelte sich grinsend. »Siebenunddreißig Spitzohren sind wahrlich ein Heer, das die Stämme niederwerfen wird.«

Bylanta spie vor ihm aus. »Du bist nichts, Ginsgar Ungewalt. Ich werde dich vor allen Clans der fünf Stämme anklagen lassen, damit du deine Strafe für diese Tat erhältst. Ich bete zu Vraccas, dass sich die Elben durch unsere Geste eines Umlaufs wieder mit uns versöhnen. Und wenn es deinen Tod bedeutet.« »Da haben wir doch eine bessere, rechtmäßigere Anwärterin auf den Thron«, murmelte Rodario Tungdil zu. »Wie wäre es mit einer Großkönigin? Ihre Ausstrahlung ist formidabel, nur nebenbei bemerkt.«

Ginsgar schaute auf den Speichelklumpen, der auf seinem rechten Stiefel haftete. »Spucke dein Gift, Bylanta. Es tötet mich nicht. Ich bin von allen Clans gewählt, das zählt. Nicht der Ort, nicht die Umstände.« Er schaute in die Runde. »Wir sind wohl fertig. Ich habe meine Wünsche überbracht und muss aufbrechen. Vielleicht sollte ich noch einmal durch Älandur ziehen und unter jeden Busch schauen. Gründlichkeit ist eine der Tugenden unseres Volkes.« Er nickte, schulterte den Kriegshammer und verließ breitbeinig gehend den Saal. Da wurde es in Tungdil zu Gewissheit: In diesem Land, in dem Hass und Zwerge wie Ginsgar regierten, wollte er nicht mehr bleiben.

Er nahm Sirkas Hand und drückte sie fest.

XIX

Das Geborgene Land, Königreich Urgon, Dreigipfelburg, 6241. Sonnenzyklus, Frühherbst.

Die dröhnenden Hammerschläge und das aufbegehrende Klirren des Metalls auf dem Amboss waren bis in den letzten Winkel der wolkenverhangenen Festung zu hören. Die grauen Regenwolken trieben in dichten Schwaden über das Land und machten nicht vor den Mauern Halt. Sie ergossen ihren Inhalt auf die Steine, als wollten sie den Mörtel auflösen und die Festung zum Einsturz bringen.

Tungdil, mit Hosen, Stiefeln und Lederschürze bekleidet, verbrachte die meiste Zeit in der Schmiede und formte das Schwert des Unauslöschlichen zu einer neuen Waffe. Er prügelte ihr mit all seiner Kraft die Bosheit heraus. Die Feuerklinge hatte er abgeschrieben, das Geborgene Land hatte er abgeschrieben und die Zwergenstämme ebenso.

Nichts hielt ihn mehr hier. Er hatte zweimal den Untergang abgewendet, er befand sich gerade auf seiner dritten und letzten Mission. Danach sollten die Zwerge sehen, wie sie die Angelegenheiten regelten. Gleich, was er unternommen hatte und wie viele Leben für die Rettung verloren gingen, es gab anscheinend keine andauernde Vernunft. Nicht hier und bei keinem der Völker des Geborgenen Landes.

Die Wut schoss ihm in die Arme und machte seine Schläge ungenau. Er unterbrach seine Arbeit, wischte sich den Schweiß aus seinem verbliebenen rechten Auge; über der leeren linken Höhle lag kein Verband mehr, sondern eine schlichte weiße Augenklappe.

Er reckte das, was er erschuf, gegen den Eingang. Noch konnte er nicht sagen, was in seinen Händen entstand. Es war weder eine Axt noch ein Schwert, noch eine Keule. Er überließ es der Glut, dem Hammer und seinen geschickten Fingern, Neues zu formen, ohne dabei nachzudenken. Das Metall musste eine unbekannte Legierung sein, das hörte er an dem Ton, mit dem es beim Schmieden sang. Und es wies eine unglaubliche Beständigkeit auf, weigerte sich lange, seine Form zu verlieren und eine andere Gestalt anzunehmen. Derart angestrengt hatte er sich am Amboss schon lange nicht mehr.

Eilige Schritte näherten sich, platschten durch Pfützen und über die nassen Steine. Sirka betrat die Schmiede und stolperte über die Schwelle. Ihre Augen sahen im Halbdunkel der verrauchten, kleinen Kammer lange nicht so gut wie seine. »Tungdil?«

Er schlug mit dem Hammer gegen den Schraubstock, um ihr durch den Ton den Weg zu weisen. »Hier drüben. Neben der Esse.«

»Der Aufbruch verzögert sich weiter«, sagte sie, während sie sich vorwärts tastete. »Der strömende Regen hat die kleinen Bäche in den Bergen Urgons zu reißenden Flüssen anschwellen lassen und einige der Wege überspült, wie Kundschafter des Königs eben berichteten.« Sie fand ihn und gab ihm einen Kuss, Regenwasser perlte von ihrer Nase auf seine. »Die Abreise wird erst in sieben Umläufen geschehen.«

Tungdil nickte. Ortger würde die Hunderttausend noch länger versorgen und Nahrung aus allen Teilen des Reiches herbeischaffen müssen, was eine enorme Belastung bedeutete. Gauragar und Idoslän unterstützten Urgon mit Getreide. »Ich bin auch noch nicht fertig.« Er zeigte ihr sein bisheriges Werk.

»Wie seltsam«, sagte sie. »So eine Waffe habe ich noch nie gesehen.«

»Sie wird einem Helden wie mir würdig sein«, meinte er, Spott schwang mit. »Was machen Goda und Ingrimmsch?«

»Seit sie sich zueinander bekannt haben, sind sie unzertrennlich«, grinste Sirka. »Zwerge, Regen, ein warmes Bett - du kannst dir den Rest denken, oder? Es gibt keine bessere Ausrede als dieses Wetter, um in der Unterkunft zu verschwinden. Meister und Lehrling unterweisen sich gegenseitig, nehme ich an.« »Gut. Dann fällt ihnen nicht auf, dass ich die ganze Zeit über in der Schmiede stehe.«