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Die Befüns wechselten von dem hoppelartigen, raschen Trab in geschwindes Springen. Erstaunlicherweise schaukelten sie am wenigsten, wenn sie mit höchster Geschwindigkeit rannten.

Vor ihnen erschien eine kahle Senke, in deren Mittelpunkt sich die Schwarze Schlucht befand: eine halbe Meile lang und einhundert Schritte breit. Sie erinnerte an einen Schnitt im Leib der Erde, ihre Ränder waren schwarz und glatt. Steile Wege führten rechts und links aus ihr heraus.

»Eine faulende Wunde«, sagte Ingrimmsch und spie angewidert aus. »Die Bestien sind der Eiter, der daraus hervordringt.«

Flagur zeigte nach Süden, wo sich ein seltsames Konstrukt unmittelbar vor dem Eingang erhob. »Das ist das Artefakt«, atmete er erleichtert auf. »Es ist heil. Ich hatte mit dem Schlimmsten gerechnet.« Tungdil zwang sich dazu, nichts zu sagen und die Zuversicht nicht zu töten. Narmora war eine mächtige Maga gewesen. Wer wusste schon, wozu eine Halbalbin im Stande war? »Lass die Ausgänge bewachen«, sagte er zu dem Ubari. »Nur sicherheitshalber. Ich möchte nicht von den Bestien überrascht werden, während wir den Stein einsetzen.« Er wandte sich an Lot-Ionan. »Bereit, ehrenwerter Magus?«

Er betrachtete die Senke. »Wir werden sehen, ob man sich darauf vorbereiten kann, was uns erwartet.« Ingrimmsch schaute sich um. »Wo ist die erste Eskorte abgeblieben? Wir haben keine Spuren mehr gefunden.« »Sie wird in die Schlucht gegangen sein«, sagte Sirka. »Nur aus welchem Grund, das wüsste ich zu gern. Eine erste Schlacht vielleicht. Oder ein Hinterhalt von Narmora, um die Ungeheuer der Schlucht zu wecken.« Das Heer teilte sich auf. Jeweils zehntausend Ubariu und Untergründige positionierten sich vor den Ausgängen der Schwarzen Schlucht und bildeten eine lebendige Mauer gegen das, was herausstürmen konnte. Sie hielten dabei einen Abstand von einhundert Schritten zu den klaffenden Einschnitten.

Die Panzerwagen stellten sich quer hinter ihnen auf. Im Inneren wurden neue Einstellungen vorgenommen, die Windräder drehten sich im Leerlauf. Noch.

Flagur hatte Tungdil erzählt, dass die Räder nicht nur für den Antrieb sorgten, sondern bei Bedarf Kraft für zusätzliche Katapulte lieferten. Standen die Wagen still auf der Stelle, war es möglich, mechanische Schleudern einzuschalten. Diese feuerten dank der Windräder ohne Unterbrechung, die Mannschaft musste den Lauf lediglich auf das Ziel ausrichten und korrigieren. Die Munition konnte mitgeführt oder durch kleine Bodenluken von der Erde aufgesammelt werden.

Die Panzerwagen waren bereit.

In der Zwischenzeit erreichten Sirka, Tungdil und seine Freunde das Artefakt. Es bestand aus vier aufrecht stehenden, ineinander verschlungenen Eisenringen, die andeutungsweise eine Kugel formten, deren Durchmesser geschätzte zwanzig Schritt betrug. Zeichen, Runen, musterförmige Kerben und Punkte befanden sich auf den Eisenringen. Unzählige Querstreben führten in den Mittelpunkt, wo sich eine mit Symbolen verzierte Halterung befand.

»Da hinein soll der Diamant, nehme ich an«, sagte Lot-Ionan und stieg ab.

Ingrimmsch schirmte die Augen gegen die Sonne ab und blickte in die Höhe. »Wie kommt man da hinauf? Ich sehe keine Leiter.«

»Deswegen bedarf es eines Runenmeisters«, Flagur neigte sich zu Lot-Ionan, »oder eines Magus. Ihr werdet sicherlich einen Zauber beherrschen, der Euch fliegen lässt?«

Lot-Ionan schüttelte den Kopf. »Nein. Wozu sollte ich?«

»Dann werdet Ihr klettern müssen.«

»Wäre es nicht besser, wenn Ihr ihn auf dem Rücken tragt und ihn zum Mittelpunkt bringt?«, schlug Rodario vor. »Ihr seht wesentlich kräftiger aus.«

Flagur verneinte energisch. »Ich werde das Artefakt nicht anrühren. Nur einem Runenmeister oder einem Zauberkundigen, der seelenrein und voller Unschuld ist, ist es gestattet. Alle anderen müssen zu Staub zerfallen.«

In diesem Augenblick erklang das Hörn. Ein bleierner Ton, der aus den Tiefen der Schwarzen Schlucht erklang, ein düsteres, durchdringendes Kreischen, voller Hass und Freude. Es rief zusammen und versprach Freiheit, Morden und Vernichten.

Sie konnten nichts anderes tun, als gebannt zu lauschen, bis das letzte Echo verklungen war. »Es ist bemerkt worden«, raunte Sirka voller Furcht. »Wir...«

Lautes Geschrei aus Tausenden von wütenden Kehlen brandete aus der Schlucht heran.

»Sie kommen!« Flagur schwang sich auf sein Befün. »Ich reite zu meinen Kriegern. Sie müssen sehen, dass ich sie nicht allein lasse.« Er zog sein Schwert, nickte Lot-Ionan zu. »Ehrenwerter Magus, es war mir eine Ehre, Euch kennen gelernt zu haben.« Flagur preschte nach vorn und rief von weitem Befehle.

Die erste Reihe der Soldaten kniete ab und hob lange Speere aus Eisen, um die erste Welle, die gleich heranrollte, aufzuspießen; die Kämpfer dahinter machten ihre Bögen schussbereit, wieder andere richteten übergroße Schilde aus, um sie bei Bedarf als Schutz über die Köpfe zu halten. Die Geschützluken der hinter ihnen aufragenden Panzerwagen klappten drohend auf.

Lot-Ionan näherte sich dem Artefakt, von dem eine Spannung ausging, die einzelne Härchen seines weißen Bartes und seines Schopfes dazu brachte, sich aufzurichten.

Seine Schritte verlangsamten sich, je dichter er an das Eisen herankam. Er schaute hinter sich, wo Tungdil, Sirka, Rodario, Ingrimmsch und Goda warteten und jede seiner Bewegungen verfolgten.

»Ich...« Er wollte etwas sagen, da bekam er einen Schlag in die Brust. Er machte zwei taumelnde Schritte rückwärts und fiel in den Staub. Aus seinem Leib ragte ein schwarzer Albpfeil, der ihn mitten ins Herz getroffen hatte.

Ein Schatten fiel über ihn, ein Mann sprang über ihn hinweg und riss ihm das Täschchen mit dem Diamanten vom Gürtel.

Warm breitete sich das Blut auf seinem Körper aus, das verletzte Herz pumpte und gab auf. Ächzend schloss Lot-Ionan die Augen...

»Furgas?« Rodario hatte den Mann erkannt, der hinter einem der Eisenringe hervorgesprungen war. »Wir sind im Jenseitigen Land. Hier kehren die Toten wieder.« Der Magister entriss dem sterbenden Magus den Diamanten und ging langsam rückwärts. »Ich habe selbst dich getäuscht, den Unglaublichen Rodario«, lächelte er zufrieden. Als Tungdil einen Schritt nach vorne machte, zeigte er auf den Zwerg. »Bleib, wo du bist! Sonst wird dich der Pfeil treffen.« Er deutete zum anderen Ende des Artefakts, wo eine Frau stand, die einen gespannten Boden in der Hand hielt. »Wir werden zusehen, wie sich das Böse aus der Schwarzen Schlucht befreit und mit meiner Hilfe ins Geborgene Land marschiert.« Er nahm den Diamanten hervor, steckte ihn sich in den Mund und schluckte ihn hinab.

Ingrimmsch hob langsam seine Waffe. »Oh, das war eine dämliche Idee«, grollte er leise. »Jetzt werde ich ihm richtig wehtun.«

»Ihr werdet es nicht verhindern.« Furgas schaute hinüber zur Schlucht. »Das ist die Rache, die ich mir für das Geborgene Land gewünscht habe: Es wird im Strom der Bestien ersticken und untergehen. Zur Strafe für den Hochmut und dafür, dass es den Zwergen und ihren falschen Ansichten geglaubt hat.« Er starrte Tungdil an. »Die Eoil waren niemals die Gefahr. Die Einmischung von euch Missgeburten hat das alles angerichtet, was mir meine Familie nahm.«

»Das ist nicht Narmora«, murmelte Ingrimmsch. »Warum zaubert sie nicht?«

Rodario gab ihm stumm Recht. Es konnte die Frau sein, die er in Mifurdania auf dem Boot gesehen hatte. Er ärgerte sich, dass er sie vollkommen vergessen hatte. Jetzt, wo der Name Narmora gefallen war, wusste er endlich, wem sie ähnelte. Furgas hatte sie deswegen zur Verbündeten erwählt. Vielleicht hielt er sie in seinem wirren Verstand sogar für eine Wiedergeburt seiner geliebten Frau. »Das alles, der Untergang eines Landes, wegen deiner Rache? Denkst du, dass Narmora es gewollt hätte? Sie kämpfte mit uns gegen die Gefahr.« »Sie hat aber nicht sterben wollen!«, hielt Furgas schneidend dagegen. »Nein, ihr werdet alle büßen, indem ihr um eure Lieben trauern werdet wie ich es tue. Seit mehr als fünf Zyklen.« Er ballte die Faust und entfernte sich weiter von ihnen. »Es wird niemanden im Geborgenen Land geben, der meine Schmerzen nicht nachempfinden kann.«