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Mehr als einmal sah Flagur einen guten Freund durch einen Streich niedersinken, er hörte Schreie, und seine Seele stimmte mit ein.

Äußerlich ließ er sich nichts anmerken, auch wenn er seine Krieger gern unter den nachstürzenden Leichen der Scheusale hervorgezogen hätte. Sie verdienten ein besseres Grab. Etliche davon kannte er viele, viele Sternenzüge lang und hatte sie selbst ausgebildet. Sie sterben zu sehen, schmerzte ebenso wie der Pfeil in seiner Seite. Aber die Trauer musste bis nach dem Gefecht warten.

Flagur sah, dass einer der Panzerwagen mit seiner breiten Seite voraus nachfolgte und ihnen Deckung bei dem Vormarsch gab. Die Pfeile und Speere sirrten knapp über die Köpfe der eigenen Leute hinweg. Die Schützen wussten genau, was sie taten. Ganze fünf gegnerische Reihen vor Flagur wurden durch den Beschuss niedergemäht, eine zweite Salve fräste eine Schneise in das wimmelnde, kreischende Heer. »Voran und mitten hindurch!« Flagur hob seinen Speer, das Banner knatterte laut im Wind und gab das Zeichen zum Sturmangriff.

Goda kletterte vorwärts. Sie befand sich inzwischen auf einer Querstrebe und rutschte darauf wie auf einem Balken zu Furgas.

Unter ihr droschen Sirka und Ingrimmsch das Leben aus den Bestien; Rodario hatte einen Kurzbogen und einen Köcher Pfeile aufgehoben, die eine der Kreaturen mit sich geführt hatte, und schoss in den Pulk der Feinde. Man musste nicht zielen können, die Geschosse trafen immer.

Ingrimmsch erlaubte seiner Kampflust auszubrechen. Er benötigte den Irrsinn, der durch seine Adern rauschte und ihn zu einem kaum zu besiegenden Gegner machte. Der Krähenschnabel surrte ohne Unterlass, schlug Dellen in Helme, zerschmetterte Knochen durch Rüstungen hindurch und warf die Getroffenen mehr als zwei Schritte weit nach hinten.

Sirka dagegen kämpfte nach der Art des Wassers: Sie schlüpfte in die Lücken zwischen den Gegnern, stach mit dem Dorn ihrer schlanken Waffe zu oder nutzte den Widerhaken, um Schläge abzuleiten, Schwerter zu entreißen oder ihn in ungeschützte Haut zu schlagen. Dabei verharrte sie nie auf einer Stelle, sondern befand sich in fließender Bewegung.

Goda hatte Furgas fast erreicht.

Er belauerte sie. »Was hast du vor?«, fragte er. »Ich bin neugierig, was du...«

Goda zog den Nachtstern, die drei schweren Kugeln stießen gegeneinander. Sie würde aufpassen müssen, um bei einem Fehlhieb nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Vorsichtig stand sie auf, balancierte auf dem fußbreiten Träger und machte einen Schritt vorwärts, während sie mit ihrer Waffe ausholte.

Furgas schob sich rückwärts außerhalb ihrer Reichweite. »So wirst du mich nicht bekommen.« Er schielte nach unten und suchte den nächsten Träger, den er mit einem Sprung erreichen konnte. »Die Zeit ist auf meiner Seite, Zwergin. Sie ist eine verlässliche Verbündete.« Als Goda noch näher kam, drückte er sich ab und ließ sich zur Seite fallen. Seine Finger streckten sich nach der nächsten Strebe.

Auch wenn sie nur eine Waffe mit sich führte, beschloss Goda gegen das höchste Gebot zu verstoßen: Sie warf den Nachtstern nach Furgas.

Die drei Kugeln trafen seine Hände und brachen ihm acht seiner Finger; aufschreiend stürzte er und landete mit dem Bauch voraus geradeswegs in der dornenumkränzten Halterung für den Diamanten.

»Nein!« Er schrie voller Qual, zappelte und riss sich damit das Fleisch noch tiefer auf. Sein Blut floss über die Halterung und fiel in wahren Sturzbächen zu Boden. Seine Bewegungen wurden schwächer, bis er schließlich aufhörte zu schreien. Goda dankte Vraccas, dann kletterte sie mit großer Umsicht hinab zur Halterung und Furgas' Leichnam. Damit stand sie vor einer neuen Schwierigkeit. »Wie soll ich den Diamanten finden?«, rief sie zu Ingrimmsch hinab. Der Zwerg schlug den Krähenschnabel auf den Fuß eines Scheusals und rammte ihm den spitzenbewehrten Helm in den Magen; schwarzes Blut ergoss sich auf ihn. »Schlitz ihn auf«, schrie er zurück. »Den oberen Bereich seines Bauchs. Er hat ihn vorhin erst geschluckt.« Er hüpfte nach hinten, um einem Speerstoß zu entgehen, und schlug dem Angreifer den Kopf ab.

Goda zog ihren Dolch und stemmte den Oberkörper des Magisters in die Höhe, um ihn von der Halterung zu lösen. Das Loch in seiner Brust reichte nicht aus, sie setzte die Spitze unterhalb des Rippenbogens an, als er die Augen öffnete.

»Ich gebe ihn nicht her«, ächzte er, Blut troff aus seinem Mund, sickerte über die Zähne, die Lippen und das Kinn. »Ich bekomme meine Rache.« Er stieß sie mit dem Arm an, und Goda verlor das Gleichgewicht. Sie stürzte.

Tungdil stürmte in das Dunkel der Schlucht, vor dem sich das Licht fürchtete.

Vor ihm ragte eine Gestalt in die Höhe, die nicht einmal Tion hätte ersinnen können. Dazu bedurfte es der Götter, wie es sie im Geborgenen Land nicht gab.

Der Kordrion war riesige, turmhohe und Fleisch gewordene Furcht. Die Schwingen trug er eng am breiten, muskulösen Leib, weil er sie in der Schlucht nicht entfalten konnte. Vier hundeähnliche Läufe trugen das enorme Gewicht, wobei die vorderen beiden mehr an Arme erinnerten. Der restliche nackte Körper lag noch zu weit im Schatten.

Der Hals war vergleichsweise kurz, der Kopf ähnelte dem eines Drachen und war mit Dornen und Hörnen gespickt. Vier graue Augen saßen hinter der langen, knochigen Schnauze und zwei blaue darunter. Er hatte sich halb aufgerichtet und versuchte wieder, seine Klauen in den Fels zu schlagen und sich vorwärts zu ziehen. Eine Bestie mit drei Armen sprang brüllend auf Tungdil zu und öffnete ihr langes Maul. Eine dunkelrote Zunge zischte daraus hervor, die mit vielen kleinen Widerhaken besetzt war.

Der Zwerg hielt der Zunge einfach Blutdürster entgegen, die scharfe Schneide erledigte den Rest. Singend durchtrennte sie das Fleisch und brachte die Kreatur dazu, winselnd zurückzuspringen. Die blutenden Zungenstücke schnellten zurück in die Schnauze.

Aber Tungdil setzte nach und zerteilte das Ungeheuer der Länge nach, dann hob er Blutdürster gegen den Kordrion. »Kehre zurück in den Abgrund, aus dem du gekrochen bist«, befahl er. »Ich glaube nicht mehr an Unbesiegbarkeit, mögen meine Gegner aussehen wie du oder noch schlimmer.«

Die blauen Augen des Wesens richteten sich auf ihn, dann senkte es sich auf die Vorderbeine herab. Noch immer schwebte der Kopf zehn Schritte über dem Zwerg. Es öffnete sein gewaltiges Maul und brüllte Tungdil an. Jeder einzelne Zahn war so lang und breit wie zwei Ubariu übereinander.

Hinter ihm erklangen viele Schritte und Rasseln von Waffen und Rüstungen, dann stand Flagur mit seinen Ubariu und Untergründigen in seinem Rücken. Sie hatten die Bestien mit dem Beistand der Panzerwagen vernichtet und den Eingang abgeschottet. Dabei machte es ihnen der Kordrion einfach, da sich die übrigen Ungeheuer, die zweifellos noch in der Schlucht ausharrten, nicht an ihm vorbeiwagten.

»Ubar, hilf uns«, sprach Flagur ein Stoßgebet. »Was richten wir gegen ihn aus?«

»Ich verstehe nun, dass man für solche Wesen die Acronta benötigt.« Tungdil fühlte keine Furcht mehr. Der Griff von Blutdürster in seinen Händen gab ihm Sicherheit und Zuversicht, was den Trotz verstärkte. »Aber wenn wir nicht anfangen, werden wir niemals herausfinden, ob es auch ohne sie geht.« Er rannte nach vorn, zielte mit seiner Waffe auf die Klauen, die sich nun auf dem felsigen Untergrund befanden. »Solange er in der Spalte klemmt, haben wir den Vorteil. Schneidet ihm die Sehnen durch, hackt auf alles ein, was ihr erreichen könnt. Irgendwann bricht er ein!«

Flagur schaute dem Zwerg hinterher. »Er kennt überhaupt keine Angst«, murmelte er anerkennend und hob den langen Speer. Schaft und Stoff waren mittlerweile getränkt mit dem Blut der Scheusale, die er getötet hatte. »Vorwärts!«, rief er und verfiel in schnellen Trab. Sein Atem ging schnell und flach, die Pfeilwunde machte ihm schwer zu schaffen.

Seine Männer folgten ihm und eilten dem Kordrion mit gereckten Waffen entgegen - als sie den bekannten Schrei hörten. Es war jedoch nicht das titanische Wesen vor ihnen, das ihn ausgestoßen hatte. Flagurs Schritte wurden langsamer, das Blut gerann in seinen Adern. Die Ekstase des Kampfes verflog, wich der Furcht. »Tungdil! Komm zurück! Es sind zwei!«