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Aber der Zwerg hörte nicht auf ihn.

Dann öffnete der Kordrion die Schnauze und überschüttete Flagurs Krieger mit einer Woge aus weißem Feuer. Goda gelang es geistesgegenwärtig, das linke Bein anzuwinkeln.

Sie schwang sich einmal um die Strebe herum, bekam die nächste zu fassen und zog sich schnaufend in die Höhe. Sie hätte sich niemals vorstellen können, dass sie zu solchen akrobatischen Leistungen fähig war. Die Übungsstunden, das Schleppen, Hieven und Heben hatten sich gelohnt. Sie würde sich nie wieder über die Schinderei beschweren.

Seile mit Fanghaken daran flogen an ihr vorbei, legten sich um die Querstreben. Einige der Scheusale versuchten, das Artefakt einzureißen, während ihnen ihre Artgenossen Deckung vor den Hieben Ingrimmschs und Sirkas gaben, selbst wenn es sie das Leben kostete.

»Schneller!«, schrie Boindil zu ihr hinauf. Er ahnte, woher sein Schwindel rührte: Die Frau hatte ihren Dolch mit Gift bestrichen, und es fing an zu wirken.

Goda kroch auf Furgas zu. »Du bist mich nicht losgeworden.«

Er schöpfte rasselnd nach Luft, zog seinen Dolch. »Und du hast mich nicht getötet.«

»Das hole ich nach.« Sie wich seinem Stich aus, packte den kraftlosen Arm und entwand ihm den Dolch. Für sie war es nun ein Leichtes, den tödlich verletzten Furgas zu überwinden und ihm seinen eigenen Dolch in den Leib zu rammen. Der Mann ächzte ein letztes Mal auf und starb.

Jetzt kam der Teil ihrer Aufgabe, den sie überhaupt nicht mochte.

Sie wühlte sich durch die warmen, stinkenden Innereien des Magisters, tastete und fühlte, bis sie einen harten Gegenstand in all der weichen Substanz fand.

»Ich habe ihn«, schrie sie nach unten, um den Durchhaltewillen der Verteidiger noch einmal anzupeitschen, und schnitt den Stein heraus. Dann gab sie Furgas' Leichnam einen Stoß, um ihn von der Halterung zu befördern; dumpf schlug er auf dem Boden auf.

Goda machte sich nicht die Mühe, den Diamanten zu säubern, sondern presste ihn beschmutzt wie er war in die Mulde. Dann klappte sie die vier Bügel nach unten, welche den Stein festhielten, und starrte auf den Diamanten. »Los, tu endlich was«, flüsterte sie und berührte ihn, als könnte sie damit etwas ausrichten. Aus der Schlucht erklang ein neuerlicher Schrei, eine weiße Feuerlohe schoss aus dem Spalt und fegte über den Boden. Brennende Ubariu und Untergründige wirbelten durch die Luft und flogen weit, ehe sie wie erlöschende Funken auf den Fels prallten. Der vordere Panzerwagen wurde von den Flammen eingeschlossen, Eisenplatten rissen ab, Holzstreben vergingen auf der Stelle zu Asche.

Der Kordrion schob sich ins Licht. Mit einem noch lauteren Schrei, der weitere Brocken aus dem Fels sprengte, befreite er sich und kam auf allen vieren herausgekrochen. Triumphierend brüllte er ein weiteres Mal und verließ die Schlucht. Goda konnte seine Ausmaße schlecht schätzen. Zwanzig Schritt Höhe und sechzig Schritt Länge? Das Heer rannte fort von der Schlucht, das Grauen war zu viel für sie.

Der Kordrion richtete sich auf und entfaltete seine bleichen Schwingen. Sofort wurde es dunkler, als habe sich eine Wolke vor die Sonne geschoben.

»Goda!«, schrie Ingrimmsch und fällte seinen letzten Gegner, indem er ihm gegen den Brustkorb schlug. Die Rippen durchbohrten das Herz und die Gedärme. Er, Sirka und Rodario hatten verhindert, dass das Artefakt fiel. »Wir warten!« Seine Beine gaben nach, er plumpste ungelenk neben seinen getöteten Widersacher. Seine Sicht schwand, die Farben verliefen zu einem bunten Wirrwarr.

Sirka starrte auf den bleichen, riesigen Leib des Kordrion. »Tungdil«, flüsterte sie entsetzt und begriff, dass es für ihren Ge fährten kein Entkommen gegeben haben konnte. Das weiße Feuer schmolz Stein und Stahl. »Er wird es überlebt haben«, sagte Ingrimmsch und stemmte sich erfolgreich gegen die Wirkung des Giftes. »Der Gelehrte überlebt immer. Er ist ein Freund der Götter.« Aber auch sein Gesicht verdüsterte sich. Ein solches Monstrum hatte er noch niemals gesehen. Es zertrampelte die Ubariu und Untergründigen vor sich, sandte einen nächsten Strahl seines weißen Feuers und vernichtete auf einen Schlag fünfhundert weitere Soldaten. Der letzte Panzerwagen wurde von den Flammen umgestoßen und verbrannt. Nichts als eine brodelnde, glühende Masse blieb von ihm übrig. Der Kordrion sammelte mit jedem Augenblick, den er sich außerhalb der Schlucht befand, mehr Kraft.

Goda fühlte Verzweiflung und Wut, die sich in einem harten Hieb Bahn brach. Sie schlug mit aller Kraft auf den Diamanten, da erklang ein leises Klicken, und er rutschte tiefer in die Halterung.

Ein grelles, silbernes Flirren schoss die Querstreben entlang und jagte in die gewaltigen Ringe; die Symbole leuchteten schwach auf und entflammten dann mit einer solch opalisierenden Helligkeit, dass Goda dachte, sie verlöre das Augenlicht.

Als sie wieder etwas erkennen konnte, sah sie, dass sich eine schillernde Kugel aus purem Glanz um die Ringe gelegt hatte. Eine zweite Sphäre umspannte die Schwarze Schlucht.

Von dem ersten Kordrion sah sie nichts mehr, nur eine abgetrennte Klaue und ein Stück seiner Schwinge bewiesen, dass er das Gefängnis überhaupt verlassen hatte. Ein zweites Exemplar tobte hinter der dünnen, aber für ihn undurchdringlichen Hülle und rannte wie besessen dagegen an, ohne etwas auszurichten. »Ich habe es geschafft«, raunte sie ungläubig und schaute auf den Diamanten, der matt schimmerte. Dann lachte sie laut. »Ich habe es geschafft!«

»Ja, du hast es geschafft!«, rief Ingrimmsch freudig zurück und versuchte aufzustehen. Er fühlte sich sehr unsicher. »Komm vorsichtig runter, damit ich dich drücken kann.«

Rodario legte Sirka die Hand auf die Schulter. »Und auch Tungdil hat es geschafft«, gab er ihr Hoffnung. Sie schaute über die Senke, die mit den Kadavern von Bestien und ihren eigenen Leuten angefüllt war. Ein paar Scheusale, die den Klingen und Geschossen der Verteidiger entkommen waren, flüchteten über die Kuppen, und die fliegenden Monstren drehten ab und verschwanden in der Ferne.

»Der Kordrion ist entkommen«, stammelte sie ungläubig. »Das Artefakt hat zu spät gewirkt. Was wird nun?« Sie schaute Rodario an. »Es gibt keine Hoffnung. Die Schriften sagen über ihn, dass...«

»Verzweifle nicht, sondern warte, was geschieht. Die Schriften haben nicht immer Recht, glaub mir«, hielt er dagegen und stützte sich auf ihre Schulter. »Komm, wir gehen zur Schlucht und begrüßen Tungdil.« Sie lächelte ihn dankbar an. Gemeinsam mit Goda und einem ungewohnt bleichen Ingrimmsch suchten sie sich einen Weg durch die Leichenhügel.

Aber weder Flagur noch Tungdil kehrten aus dieser Schlacht zurück.

XXI

Das Jenseitige Land, östlich der Stadt Letefora vor der Schwarzen Schlucht, 6241. Sonnenzyklus, Frühherbst.

Sirka stand vor der schützenden Kugel, eine Hand hatte sie gegen die glänzende Hülle gelegt. Sie spürte das Kribbeln in den Fingern, das von der Energie stammte.

Auf der anderen Seite sah sie den Kopf des Kordrion, der sich in der Schlucht zur Ruhe gelegt hatte und sie aus seinen oberen Augen betrachtete. Der hässliche Schädel ruhte auf den Vorderklauen; ab und zu zog er sich eine der Ubariu-Leichen heran und verschlang sie genüsslich, dann nahm er wieder seine alte Position ein. Und verharrte.

Ingrimmsch trat neben sie. »Er wartet, dass die Barriere Schwäche zeigt.«

»Er und Tausende andere«, sagte Sirka traurig. »Ich weiß, dass es keine Möglichkeit gibt, die Sperre für wenige Augenblicke aufzulösen, um nach Tungdil zu suchen. Der Kordrion würde sich sofort befreien. Einer von ihnen ist schon schlimm genug.«

Ingrimmsch betrachtete ihre Züge. »Du stehst schon seit drei Umläufen hier. Du hast kaum etwas getrunken und nichts gegessen. Komm ins Lager«, bat er sie. »Der Gelehrte wird nicht wollen, dass du dich seinetwegen zu Tode hungerst.« Er wischte eine Träne von seinem Gesicht.