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»Es ist nicht nett, dass Ihr Euch in meine Unterhaltung mischt, mein Herr«, sagte Rodario liebenswürdig. »Das war keine Unterhaltung, du Geck! Du hast meiner Gemahlin schöne Augen gemacht«, gab er zornig zurück und hob die geballte Faust vor die Nase des Schauspielers. »Mach das noch einmal, und ich verpasse dir ein Veilchen. Aber keines aus Papier.«

»Nein?« Rodario beugte sich flugs nach vorn und tat so, als zöge er dem Mann etwas aus dem Ohr. Zwischen seinen Fingern erschien - sehr zum Vergnügen der Spectatores - eine weitere Papierblume. »Dabei hättet Ihr noch eines besessen.« Er reichte die Blume der Frau. »Hier, Gnädigste. Mit den besten Empfehlungen Eures Gatten. Er ist gesegnet, denn nicht jedem wachsen die Blümelein aus dem Kopf. Sein Ohrenschmalz ist furchtbar... ich wollte sagen fruchtbar, wie mir scheint.« Wütend schnappte der Mann danach, bevor seine Gattin sie nehmen konnte, und schleuderte auch sie in den Dreck. »Das genügt!«, rief er aufgebracht. »Dafür wirst du bezahlen.«

Rodario täuschte sogleich vor, ihm etwas aus dem geöffneten Mund zu nehmen, und hielt eine Münze in die Höhe. »Aber wozu? Ihr seid doch dermaßen reich, dass Euch das Geld schon aus dem Schlund steigt.« Nun lachten die Leute laut über die Darbietung, es wurde gerufen und gejohlt. Natürlich stand der Mann im Mittelpunkt des Spotts. Das durfte er sich um seiner Ehre willen nicht länger bieten lassen. »Ich stecke sie dir in deinen gepuderten Arsch!«, schrie er und griff an.

Rodario wich dem ungestümen Schlag aus, schob den Gehstock rasch zwischen die Beine des Mannes, sodass er gegen den Brunnenrand stürzte und durch seinen eigenen Schwung im Wasser landete. Die Kinder lachten und klatschten, und auch für die erwachsenen Zuschauer gab es nun kein Halten mehr.

Prustend tauchte der Mann aus den Fluten auf. Rodario hielt ihm helfend das Ende seines Stockes hin. »Kommt heraus und vergesst unseren kleinen Zwist«, bot er an. »Ich gebe Euch eine Runde aus, was haltet Ihr davon?«

Der Verunglimpfte wischte sich das Wasser aus den Augen und sah keinesfalls gelassener aus. Mit einem lauten Schrei warf er sich auf den Schauspieler, der sich erneut als wendiger Widersacher erwies. Der Mann landete im Staub, der sich augenblicklich mit der nassen Kleidung verband. Seine Finger krallten sich in den Dreck. »Ich schlage dich tot, du aufgeplusterter...«

Rodario bückte sich und hantierte hinter seinem Ohr. »Das Wasser lässt die Samen sprießen. Schaut, da habt Ihr noch was.« Dann hielt er die dritte Blume in der Hand, die er der Frau unter dem noch lauter werdenden Gelächter der Menge zuwarf. »Nun ist es genug, mein guter Mann.« Er richtete sich auf. »Ich möchte nicht, dass Ihr durch Eure eigene Unbeherrschtheit verletzt werdet.«

Wutschnaubend stand der Mann auf, fuhr sich durch das dreckige Gesicht und stapfte davon; seine nassen Schuhe schmatzten und verloren Wasser. Im Vorbeigehen packte er seine Gemahlin am Handgelenk und zerrte sie hinter sich her.

Der unglückliche Abschiedsblick, den sie Rodario zuwarf, war von allen stummen Hilfeschreien, die er jemals gehört hatte, der lauteste. Die Lücke schloss sich hinter ihnen, sie waren für den Schauspieler verschwunden. »Wohlan, da seht ihr, was geschieht, wenn man sich mit einem Helden anlegt!«, rief er strahlend und verneigte sich wieder. »Kommt heute Abend in die Vorstellung und lasst euch von mir und meinem Ensemble entführen. Bis dahin, gehabt euch wohl.« Er wirbelte den Hut wie ein Adliger und zeigte mit einer gekonnten Schulterdrehung, dass die Vorstellung beendet war.

Die Bewohner applaudierten nochmals und gingen wieder ihren Marktgeschäften nach.

Rodario blinzelte seinem Ausrufer zu. »Gut geschmettert, Giso. Dreh noch ein paar Runden durch die Gassen und lärme gehörig. Es soll jeder wissen, wer sich in Sturmtal befindet.«

Der Mann grinste. »Das wird sich nach dieser kleinen Darbietung schneller verbreiten als ein Furz im Wind.« »Kein sehr schöner Vergleich, jedoch ein passender«, meinte Rodario und begab sich an einen Stand, an dem Wein ausgeschenkt wurde. Er ließ sich einen Becher füllen, kostete davon und nickte. »Vorzügliches Stöffchen und eines Kaisers würdig! Bringt mir ein Fass davon zur Straße, die nach Süden aus dieser kleinen, herrlichen Stadt führt. Dort haben wir unsere Zelte aufgeschlagen«, sagte er und übergab dem Händler einen kleinen Stapel mit Bruron-Münzen. »Das genügt als Bezahlung?«

»Sehr wohl, Herr«, verneigte sich der Mann und zählte das Geld nach. Bei Schauspielern wusste man nie, was einen erwartete. Er machte sich sogar die Mühe, eine dünne Schicht mit dem Messer abzuschaben, um zu prüfen, ob man ihm nicht versilbertes Blei andrehte. Erst danach strich er die Münzen ein.

Rodario grinste, lehnte sich auf die Theke, die aus einem über zwei Weinfässer gelegten Brett bestand. »Ihr traut mir nicht?«

»Nein«, gab der Händler freundlich zurück. »Ihr wolltet meinen Wein auch zuerst kosten, bevor Ihr ihn im Fass bestellt habt, oder?« Er goss den Becher voll. »Da! Den Schluck und die nächste Kanne schenke ich Euch als Dreingabe.«

»Zu gütig, mein Bester«, lachte der Schauspieler und schaute sich nochmals um, heimlich hoffend, dass er die unbekannte Frau noch einmal sehen würde. »Falls Ihr meine kleine Einlage verfolgt habt, könntet Ihr mir sagen, wer wohl mein unglücklicher Gegenspieler gewesen ist?«, erkundigte er sich und winkte einen Burschen herbei, der mit einem Bauchladen voller kleiner Leckereien umherlief und sie verkaufte: frisch gebackene, dünne Schwarzbrotfladen mit Rahm, Schinken und einer Schicht geschmolzenen Käse. Er musste unbedingt etwas essen, sonst würde sich der Wein verheerend auswirken. Lallend wollte er nicht vor den Spectatores stehen, und schon gar nicht angetrunken von der Bühne fallen, wie das manchem Mimen schon ergangen war. Gegen eine Viertelmünze wechselte eine der duftenden Backwaren den Besitzer.

Rodario betrachtete seinen Kauf und dachte dabei an einen sehr guten Freund, der die Brotfladen geliebt hatte. »Sicher weiß ich, wer das ist.« Der Weinhändler füllte eine Kanne aus einem Fass nach und verhinderte, dass Rodarios Gedanken in Melancholie abglitten. »Nolik, der Sohn von Leslang, dem reichsten Mann von Sturmtal. Er und sein Vater besitzen einen Steinbruch, aus dem der beste Marmor Gauragars gewonnen wird. König Bruron ist ein persönlicher Freund.«

»Und dennoch keine Manieren, der Mann.« Rodario biss ab. »Da lässt er seine Frau als Waschweib schuften?« Der Händler schaute sich kurz um, ehe er weitersprach. »Nolik ist ein schlechter Mensch. Ich weiß nicht, wie er an das Herz von Tassia geraten ist. Mit rechten Dingen wird es nicht zugegangen sein.«

»Oh, verstehe einer die Frauen. Vielleicht sind seine inneren Werte aus Gold, im Gegensatz zu seinem Verhalten?« Rodario verdrehte die Augen. »Diese Fladen sind aus-ge-zeich-net«, lobte er mit vollem Mund und jonglierte den Bissen von rechts nach links, »aber zu heiß!« Er löschte mit Wein und seufzte glücklich. Der Mann lachte so laut auf, dass die Umstehenden zu ihnen schauten. »Nolik und innere Werte? Nein, sicherlich nicht.« Leiser fügte er hinzu: »Tassias Familie hatte Schulden bei seinem Vater. Muss ich mehr andeuten?«

»Nein.« Rodario kaute seinen letzten Happen, nahm Kanne und Becher und schlenderte weiter. »Denkt an meinen Wein!« Er hob seine beiden Beutestücke. »Ihr bekommt sie heute Abend wieder, wenn Ihr ihn mir liefert«, beruhigte er den Mann.

Rodario liebte es, inmitten von Geschäftigkeit umherzuschlendern, denn sie bedeutete Leben. Vom Tod hatte er genug, Heldentaten hin oder her. Er war Schauspieler, begnadeter Mime und exzellenter Frauenbeglücker, wie es sonst keinen im Geborgenen Land gab. Und für beide Aufgaben benötigte er Menschen, die für seine von den Göttern überantworteten Gaben empfänglich waren.

Dass er sein Theaterhaus in Porista aufgegeben hatte, hatte einen anderen Grund: das gesuchte Gesicht in der Menge. Das Gesicht von Furgas.

Der Freund, mit dem er so lange Zeit gemeinsam durch die Lande gezogen war, war über den Tod seiner Gefährtin Narmora verzweifelt und seit dem Sieg über die Eoil und dem Gespräch mit Tungdil unauffindbar geblieben.