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»Ich finde keinen Gefallen an ihr. An keiner Frau«, erklärte Nolik weiter. »Wir sind beide nicht glücklich damit und mussten der Stadt und meinem Vater etwas vorspielen, bis sich die Gelegenheit bot und wir einen Ausweg fanden, der für uns alle genehm ist.« Er nickte dem Mimen zu. »Ihr und das Curiosum bedeutet die Rettung, Herr Rodario, sofern Ihr bereit seid, uns zu helfen.«

»Ein netter kleiner Plan«, meinte Rodario und bedeutete ihnen, sich zu setzen, während er die Tür schloss und sich auf das kaputte Bett sinken ließ. Noch war er sich nicht ganz sicher, ob er den beiden und ihren Worten trauen durfte. Die Geschichte klang sehr verwegen, beinahe selbst wie ein Theaterstück. »Wie geht es nun weiter?«

Tassia sog die Luft ein. »Ihr willigt ein?«

Rodario ließ sich mit seiner Antwort lange Zeit. Misstrauen, Verlangen und sein eigener Sinn nach Abenteuer rangen miteinander. Wäre Tassia hässlich wie eine weyurnsche Tümpelkröte gewesen, hätte er vermutlich nein gesagt. So aber siegte das Begehren. »Wie könnte ich eine derart begnadete Actrice von dannen ziehen oder im Unglück lassen, geschätzte Tassia?«, gab er lächelnd zurück. »Ihr habt eine Wirkung, die Euch auf der Bühne zu einem seltenen, schillernden Stern machen wird.« Er hielt ihr die Hand hin. »Einverstanden?«

»Aus ganzem Herzen!«, jubelte sie und schlug ein.

Nolik folgte ihrem Beispiel. »Es geht so weiter: Ich werde meinem Vater sagen, dass Ihr mich besiegt und gezwungen habt, Tassia auszulösen«, schlug er vor. »Die Münzen habe ich bei mir, es wird Euch also nichts kosten. Ich bin wieder frei und werde die Hochzeit auflösen lassen, und sie kann ihrer Wege gehen. Mein Vater wird sich aufregen, aber bald wieder beruhigen.« Er hob den Beutel mit den Münzen. »Der Anblick wird ihn milde stimmen. Auch wenn es sein eigenes Gold ist.«

Rodario schlug sich auf den Schenkel, er amüsierte sich kaiserlich. »Daraus mache ich glatt ein Bühnenspiel.« Er schaute zu Nolik. »Ich wundere mich ganz offen über Euch. Ihr wisst, dass Ihr einen schlechten Ruf in der Stadt habt? Eure Tat spricht indes mehr für als gegen Euch.«

Der Mann verzog den Mund. »Nein, ich bin ein schlechter Mensch, Herr Rodario. Das Veilchen, das ich Tassia verpasst habe, ist echt, ich neige ständig zu Wutanfällen. In diesem Fall habe ich mehr davon, wenn Tassia geht, als wenn sie bliebe.« Er stapfte zur Tür und trat in den Regen hinaus, ohne sich noch einmal umzudrehen. Sie schaute ihm nach. »Alles Gute«, rief sie. Nolik hob die Hand, während er seinen Weg nach Sturmtal fortsetzte.

»So, Tassia«, meinte Rodario und blickte sie an. »Willkommen im Ensemble des Curiosum. Ihr wolltet schon immer Schauspielerin werden. Wie kam das?« Er klopfte auf das Bett, und sie setzte sich neben ihn. »Ich kann es Euch nicht sagen. Es ist ein Drängen in mir.« Sie suchte den Blick seiner braunen Augen, ihre Rechte hob sich und legte sich auf seine Wange. Dabei glitt ihre Stola von den Schultern und gewährte Sicht auf nackte Haut. »So wie es mich zu Euch drängte«, flüsterte sie gestehend. »Ich sah Euch auf dem Brunnenrand, vor dem sprudelnden Wasser und mit den düsteren Wolken hinter Euch, und da war es um mich geschehen. Ihr wirktet in Euren Kleidern wie ein Gott, und Euere Spaße klangen heilig für mich.« Ihr hübsches Gesicht näherte sich seinem. »Ihr seid der schlagfertigste, hübscheste und begehrenswerteste Mann, der mir jemals begegnet ist, Herr Rodario.« Sie beugte sich nach vorn und öffnete leicht die Lippen.

Rodario schluckte, schaute auf ihre makellose, braune Haut und wollte sie küssen. Und gern andere Dinge mit ihr tun, auf die er sich bestens verstand. Sein Verlangen sollte noch in dieser Nacht erfüllt werden, das kam ihm sehr gelegen.

Da zog sie den Kopf zurück, rückte von ihm weg und grinste. »Wie war ich?«

»Wieso? Haben wir schon etwas getan?«, gab er verwundert zurück und rutschte hinterher. »Ich meinte meine unvorbereitete Liebesszene, Herr Rodario.« Sie rückte weiter weg und lächelte so unschuldig wie ein kleines Kind, das sich soeben die Taschen voll Süßigkeiten gestopft hatte und einem anderen die Schuld für deren Verschwinden gab. »Ihr habt sie mir wohl abgekauft, wie ich an Eurer Art, auf meine Worte einzugehen, unschwer erkenne.«

Rodario fühlte sich von Tassia auf den Arm genommen, und das nicht in dem Sinn, wie er es sich von ihr erhofft hatte. Er fing sich gleich wieder, und seine Überrumplung schlug sich in lautem Gelächter nieder. »Meinen allergrößten Respekt, liebste Tassia!« Er verneigte sich, nahm ihre Hand und drückte ihr einen weichen Kuss darauf. »Ihr habt das Vorsprechen mit Bravur gemeistert. Fast scheint es, dass ich bei Euch in die Lehre gehen muss. Trefflich, wie Ihr mir Eure Gunst vorgetäuscht habt.« Er stand auf und nahm sie bei der Hand. »Kommt, ich zeige Euch, wo Ihr die Nacht verbringen könnt. Im Wagen von Gesa, einer bezaubernden Matrone, die sich um unsere Pferde kümmert, ist noch ein Bett frei. Über Euren Lohn und dergleichen reden wir morgen.« »Sehr gern«, bedankte sich Tassia. Im Vorbeigehen warf sie einen Blick auf Furgas' Bildnis. »Was ist mit dem Mann?«, wollte sie wissen.

»Ein sehr guter Freund, den ich vermisse. Er gehörte einmal zu meiner Truppe und ist ein Meister seines Fachs«, sagte Rodario und stellte sich dicht neben sie, um ihr möglichst nah zu sein. Eines hatte sie mit ihrer zweiten Einlage des Abends geschafft: Er hatte sein Herz noch ein kleines bisschen mehr an seine neue Schülerin verloren. »Habt Ihr ihn gesehen?«

»Vielleicht. Ich bin mir nicht sicher«, sagte sie zu seiner großen Überraschung und schüttelte den Kopf. Rodario nahm das Bild und hielt es ihr hin. »Schaut ihn genau an.« Aufregung erfasste ihn. Aufregung und verhaltene Freude.

Tassia griff den Federkiel, öffnete das Tintenfass und tauchte die Spitze hinein. Mit ein paar Strichen veränderte sie das Konterfei. Aus dem Schnurbart wurde ein kurzer, schwarzer Vollbart, und die Haare wurden länger. »Er war eindeutig dünner als auf der Zeichnung«, beschied sie und hielt das Abbild hoch. »Das ist er. Er kam am Fluss in der Nähe des Steinbruchs vorbei, an dem ich meine Wäsche wasche. Er wollte von mir wissen, wo genau er sei, und ich habe es ihm erklärt.«

Rodario packte sie aufgewühlt bei den Schultern. »Wann war das? Was hat er noch gesagt?« Im Stillen dankte er Palandiell für die Fügung, auf Tassia gestoßen zu sein. »Es ist sehr wichtig! Wo wollte er hin?« »Er hat nicht viel mit mir gesprochen. Aber ich konnte in seinen Augen sehen, dass er sehr traurig war.« Sie versuchte sich die Begegnung in Erinnerung zu rufen. »Es muss vier Zyklen her sein. Sein Anblick hat mich Mitleid empfinden lassen. Noch niemals habe ich so viel seelischen Schmerz im Gesicht eines Mannes gesehen; das Leid hat tiefe Furchen in seine Haut geschlagen. Deswegen entsinne ich mich so gut an ihn.« Sie sah Rodario an. »Er fuhr ein großes Lastgespann, über der Ladefläche war ein Segeltuch gespannt, und darunter rasselte und schepperte es. Ich hielt ihn für einen Trödler.« Tassia zuckte zusammen, als ein Blitz in unmittelbarer Nähe in die Erde schlug; es war ein Ohren betäubendes, beängstigendes Geräusch, und sie klammerte sich vor Schreck an Rodario. Der legte sogleich schützend die Arme um sie. Tassia verharrte leider nur kurz und ging wieder auf Abstand. »Entschuldigt. Das Gewitter«, meinte sie leise.

»Es ist gut«, nickte er, bedauernd, sie nicht länger halten zu dürfen. »Erzählt weiter, bitte.« »Euer Freund tränkte die Pferde. Ich sagte ihm, wo er sich befindet, und er blickte etwas zufriedener drein. Dann fragte ich ihn, ob er Pfannen dabei habe, aber er lachte und meinte, dass er mir damit nicht dienen könne. Seine Sachen brauche er in Weyurn, in...« Sie dachte nach. »Ich glaube, er nannte es... Mafidina?« »Mifurdania«, berichtigte Rodario sie glücklich. »Dort hatten wir lange Zeit ein Theater.« Endlich, endlich erhielt er einen Hinweis auf den Verbleib des Freundes; damit stand das nächste Ziel des Curiosum fest. Es ging zurück zu den Ursprüngen ihres Erfolgs. »Sagte er, was er dort beabsichtigte?«