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»Prinz Mallen, hört Ihr mich?«, versuchte es König Nate. »Ich sagte, Ihr werdet den Diamanten bewundern können.«

Nun musste er sich doch losreißen. »Welchen Diamanten?«, fragte er abgelenkt, dann fiel es ihm ein. »Oh, Ihr meint den Diamanten!«

Nate blinzelte wissend. »Er wäre das Einzige, das es mit Rejalins Ebenmäßigkeit aufnehmen könnte.« Mallen schaute wieder nach ihr, aber sie war in dem festlichen Treiben verschwunden. Enttäuschung machte sich breit, er sah zu Nate. »Ihr wollt den Stein zeigen? Weshalb?«

»Fürchtet Ihr eine Gefahr, Prinz Mallen?«, wunderte sich der König. »In diesem Saal befinden sich ausschließlich Personen, denen ich vertraue. Niemand würde es wagen, die Hand nach meinem Besitz auszustrecken.« Er hob die Rechte, und sein Zeichen wurde auf einer nahen Empore gesehen. Die leise Musik verstummte, Fanfaren schmetterten los und richteten die Aufmerksamkeit aller auf den Herrscher Tabains. Nate stieg die Stufen zu seinem Thron hinauf. »Freunde und Vertraute! Mögen die Winde draußen stürmen, wir lassen uns das Fest zu Ehren von Prinz Mallen, Herrscher über Idoslän und Held in zahlreichen Schlachten für unsere Heimat, nicht verleiden.« Die Menge klatschte begeistert. Nate zeigte auf Rejalin, die neben Mallen erschien. »Und auch das Volk Älandurs beehrt uns mit seiner Anwesenheit, indem es uns eine strahlende, kluge Schönheit sandte. Rejalin ist mein Gast und führt mit mir Gespräche darüber, wie das Wissen beider Reiche zum gegenseitigen Nutzen gedeihen kann.« Erneut spendeten die Besucher Beifall.

»Blendende Schönheit dient meistens dazu, über einen unsichtbaren Makel hinwegzutäuschen«, sagte Alvaro halblaut. Einer der als Ork verkleideten Besucher wandte ihm den Kopf zu.

König Nate gab den Wachen an der Tür ein Zeichen. Sie öffneten sie, und ein Bediensteter brachte zu der festlichen Hymne Tabains ein Samtkissen mit einem Diamanten herein. Die Leute hielten den Atem an. Der Stein fing das Licht der unzähligen Leuchter ein und glühte mit kaltem Feuer.

»Menschen und Elben sind hier versammelt. Daher möchte ich die Runde der Völker vervollständigen, indem ich die Worte Gandogar Silberbarts wiederhole, des Großkönigs des Zwergenvolkes mit denen mir dieses Geschenk überreicht wurde.« Nate räusperte sich. »So, wie sich dieser und dreizehn weitere Steine gleichen, sollen unsere Gedanken zukünftig im Einklang sein und unsere Herzen zum Wohl unserer Heimat schlagen. Kommen Zweifel an der Gemeinschaft unserer Völker auf, sollen sie den Stein betrachten und sich erinnern.« Er nahm den Diamanten in beide Hände und hielt ihn hoch über den Kopf. »Gedenken wir der Worte! Für Tabain! Für das Geborgene Land!«

Laute Hochrufe erklangen, die Anwesenden ließen sich von der Ansprache des Herrschers mitreißen. Alvaro dagegen verzog die Mundwinkel. Er sah die Worte gegen sich gemünzt.

»Er mag noch so schön funkeln«, sagte Mallen zu Rejalin. »Doch er ist ein totes Ding und vermag Eure lebendige Ausstrahlung niemals zu erreichen.« Er hob die Hand. »Wollt Ihr mir die Ehre eines Tanzes gewähren?«

Die Elbin nickte und legte ihre Linke auf seine Hand. »Ihr werdet mir zeigen müssen, wie man es macht. Ich kenne die Tanzschritte der Menschen nicht.«

Der Prinz führte sie in Mitte des Saales, alles um sich herum vergessend. »Folgt mir einfach, Rejalin.« Nate kam zu Alvaro, der seinen versunkenen Herrn ärgerlich betrachtete. »Ihr werdet doch meine Worte vernommen haben, Alvaro?«, erkundigte sich der König und hielt den Stein vor ihn. »Einklang ist gefragt.« Der Offizier verbeugte sich. »Gewiss, König Nate.« Er schaute auf den Diamanten. »Aber Ihr wisst, dass nur einer der vierzehn Steine der echte ist«, sagte er so leise, dass es sonst keiner vernahm. »So ist das mit falscher Schönheit. Manche lassen sich von ihr täuschen«, er blickte bedauernd auf die Tanzfläche, »andere dagegen erkennen sie.«

König Nates Hand schloss sich um den Diamanten, er wurde zornig. »Alvaro, Ihr seid ein uneinsichtiger, unbelehrbarer Krieger, der das Gute nicht erkennen möchte, selbst wenn es vor Eurer Nase tanzt! Das Kostüm eines Gnoms steht Euch in der Tat.«

»Und das Kostüm eines weisen Magus an Euch zu sehen, ist übertrieben«, gab Alvaro furchtlos zurück. »Ich sage meine Meinung frei heraus, sogar gegenüber den Mächtigen des Landes.« Er tippte sich mit dem Finger gegen die Brust. »Denn ich König Nate, habe für dieses Land gefochten. In der ersten Reihe, von Mann zu Mann. Ihr verdankt es uneinsichtigen, unbelehrbaren Kriegern wie mir, dass Ihr Euren Titel habt.« Er schaute zu dem Gast in der Albae-Kostümierung. »Verzeiht, ich geselle mich zu den anderen Scheusalen. Auch ich kenne Weisheiten: Es war immer das Misstrauen, das Schlimmeres verhütete, nicht das Vertrauen.« Alvaro verbeugte sich mit klopfendem Herzen vor dem Herrscher, weil er sich der Ungeheuerlichkeit seiner Worte bewusst war. Da flog die Tür auf der Balustrade des Festsaals auf, ein gewaltiger Windstoß brachte einen Großteil der Kerzen zum Erlöschen; nur die von Glas geschützten Leuchter hielten tapfer stand.

Ein knisterndes, Funken sprühendes Ding rollte herein und fegte die Stufen hinab, es schepperte und klirrte bei jedem Hopser, den es tat. Es glich zwei zusammengeschmiedeten Feuerkörben, abgesehen davon, dass sich in seinem Innern keine brennenden Holzscheite, sondern eine Gestalt befand. Stein zersprang unter der Wucht und dem Gewicht der Konstruktion.

Die Gäste stoben schreiend zur Seite und machten den Wachen Platz, die mit gesenkten Hellebarden vorrückten, um den König zu beschützen.

Die aus zwei Finger breiten Eisenbändern geformte Kugel walzte einfach durch ihre Reihen und überrollte zwei der Männer; knackend gingen Knochen zu Bruch, und die Wächter blieben schreiend am Boden liegen. Vor den Augen der entsetzten Anwesenden hielt das merkwürdige Gebilde an. Klackend öffneten sich Verschlüsse, und die Metallbänder schoben sich zusammen, um in einer Art eisernem Rucksack auf dem Rücken der Kreatur zu verschwinden.

Was vorher nur undeutlich zu erkennen gewesen war, offenbarte sich den verschreckten Gästen nun grinsend und Zähne fletschend. Es war groß und breit wie ein Ork, die Haut schimmerte grau mit schwarzen und dunkelgrünen Schlieren darin. Das Gesicht besaß eine schreckliche Anmut und Ebenmäßigkeit, wie es die Menschen aus Geschichten von einem ganz anderen Volk kannten - den Albae. Spitze Ohren schauten unter den langen schwarzen Haaren hervor, und als es brüllend sein gewaltiges Schwert zog, zeigte es ein scharfes, kräftiges Gebiss.

»Bleibt, wo Ihr seid!« Mallen schob Rejalin hinter sich und rannte los, um König Nate beizustehen. Für ihn gab es keinen Zweifel, dass dieses Ungeheuer den Diamanten haben wollte. Den Diamanten.

Er eilte an die Spitze der Garde, die sich mit gesenkten Speeren vor ihren Herrscher stellte. Jemand reichte ihm hastig einen Schild.

Der Prinz betrachtete das fremde Ungeheuer genauer. Anstelle einer Hose trug es eine äußerst beweglich konstruierte Beinpanzerung, die ihm den Anschein verlieh, der Unterkörper bestünde aus Eisen. Brust, Oberarme und Hals wurden von runengezierten Metallplatten geschützt, die - Mallen traute seinen Augen kaum - mit einem dicken Draht in der Haut und im Fleisch befestigt waren!

»Stein!«, befahl es mit glasklarer Stimme und reckte die Hand gegen Nate. Die Finger öffneten sich klickend und blitzten im Schein der Leuchter; sie waren wie der Rest des Unterarms mit Eisen verkleidet. Mallen sah zahlreiche kleine Bolzen und dünne Nieten, mit denen Metall und Körper untrennbar verbunden worden waren. »Bei Palandiell! Wie konnte das Böse auferstehen?«, fragte Alvaro, der an der Seite des Prinzen erschien und ein Schwert hielt, das er sich von einem der verletzten Wächter genommen hatte. »Was immer das ist, es müsste tot sein, mein Prinz. Seht Ihr, was es auf dem Rücken trägt?«