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»Ich werde ihn finden«, wiederholte er Tassias Worte. »Alles Weitere wissen die Götter.«

Wenig später gingen Rodario, gekleidet, wie es sich für den selbst ernannten Kaiser der Schauspieler gebührte, und Tassia durch die Straßen Mifurdanias. Besser gesagt, sie wandelten auf schmalen und breiten Stegen aus Holz und Stein zwischen den Häusern, denn die Seen Weyurns hatten sich bis hierher ausgebreitet. »Sie haben aus der Not eine Tugend gemacht«, bemerkte Rodario bewundernd, als sie durch seine alte Heimat streiften, die vor langer Zeit von den Orkhorden des Verräters Nöd'onn dem Erdboden gleichgemacht worden war. »Eine Stadt auf Stelzen.« Er zeigte auf eine Stelle, wo ein Rest Mauer aus dem Wasser ragte. »Da drüben sind Furgas und ich zusammen mit Tungdil und seinen Zwergenfreunden durch eine Pforte in der Mauer dem Angriff auf die Stadt entkommen.« Er erinnerte sich immer besser an die Ereignisse von damals. »Komm, ich zeige dir, wo das alte Curiosum stand.«

Sie liefen durch ein Gewirr von Gassen, das selbst für Rodario neu und fremd war. Mit dem alten Mifurdania hatte der größte Teil der Siedlung nichts mehr zu tun, denn sie war kleiner, aber eindeutig verschachtelter und verwinkelter als früher. Mehr als einmal standen sie wieder an der Stelle, von der aus sie losgegangen waren, bis er glaubte, den Platz wieder zu erkennen.

Enttäuschung machte sich in ihm breit. Von dem hölzernen Bau war nichts mehr übrig, stattdessen erhob sich ein schmales Haus, gegen dessen Mauern die seichten Wellen schwappten.

»Nichts ist mehr geblieben«, sagte er. »Es tut mir Leid, Tassia, aber...«

»Herr Rodario?!«, rief eine Stimme laut in seinem Rücken, dann schlug ihm jemand hart auf die Schulter, dass er in die Knie ging. Zwei starke Arme drehten ihn herum. »Er ist es! Ihr Götter, steht Mifurdania bei, der Verrückte ist wieder in der Stadt!«

Der Schauspieler blickte in das breite, bärtige Gesicht eines kräftigen Mannes von fünfzig Zyklen, der ihm vage bekannt vorkam. Dünnes Hemd, eine dreckige Lederschürze, Unterarme dick wie vier Axtstiele, kurze blonde Haare mit Asche darin - dann erinnerte er sich. »Lambus!«, lachte er. »Alter Schmied, du lebst?!«

»Die Orks haben mich nicht bekommen, das Wasser hat mich nicht davongetragen, so bin ich geblieben«, sagte der Mann heiter und schaute zu Tassia. »Wann sieht man Euch ohne ein hübsches Weib an Eurer Seite?«, scherzte er.

»Wenn er tot ist«, grinste sie und hielt dem Mann die Hand hin. »Ich bin Tassia, seine Gemahlin und Schauspielerin.« Rodario warf ihr einen mehr als verwunderten Blick zu und verdrehte die Augen, sie jedoch lächelte herzensgut. »Wir führen das Curiosum gemeinsam.«

»Äh, das ist ein...«, warf er ein, um gegen die neue Rollenverteilung aufzubegehren, bekam jedoch einen Tritt auf den Fuß, der ihn zum Schweigen brachte.

»Oh, das hört man gern, dass der berühmte unglaubliche Rodario in seine Heimat zurückkehrt. Frohsinn tut gut.« Lambus lachte. »Inzwischen sind auch Eure Eskapaden vergessen. Die gehörnten Ehegatten haben Euch Eure Gastspiele in fremden Betten sicherlich längst verziehen.« Er grinste. »Unfassbar, dass Ihr Euch fest gebunden habt. Andererseits, bei diesem Weib wäre ich auch geblieben.« Auf eine Schenke deutend, sagte er: »Kommt, ich lade Euch zu einem Glas ein.«

»Ja, ich kann es selbst kaum glauben. Ich muss besoffen gewesen sein, als ich ja sagte«, antwortete Rodario leichthin und versetzte Tassia einen harten Rempler zwischen die Rippen, der sie aufstöhnen ließ. Sie trat ihm dafür gegen das Schienbein, der Schmerz war heiß.

Lambus bekam davon nichts mit. Er führte sie in die Gaststube, setzte sich an den erstbesten Tisch und orderte ein kräftiges Essen samt einer Karaffe Wein und Wasser.

»Mein Freund mit der breiten Brust«, stellte Rodario den Schmied derweil vor, »hat früher viele Dinge für unser Curiosum hergestellt, von Schwertern über Eisenstangen und alle Metallanfertigungen, die Furgas als Magister technicus für die verborgenen Spielereien unter den Bühnenbrettern benötigte.«

Lambus nickte. »Das waren Zeiten! Mich hat der Einfallsreichtum des Magisters immer wieder überrascht. Wie man sich die ganzen Vorrichtungen aus dem Nichts ersinnen kann, bleibt mir ein Rätsel. Und die Götter wissen, wie oft ich in der Schmiede stand und fluchte, weil die verlangten Werkstücke beim ersten Anlauf missrieten.« Sie stießen miteinander an. »Auf die alten Zeiten!«

»Auf die alten Zeiten«, stimmte Rodario ein, und Tassia lächelte.

Der Schmied leerte seinen Becher und schaute den Mimen neugierig an. »Na, welche Aufträge habt Ihr dieses Mal für mich? Hat sich der Magister wieder neue Sachen einfallen lassen? Ich habe ihn schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr zu Gesicht bekommen.«

Rodario schüttelte den braunen Schopf. »Er ist nicht mehr bei meiner Truppe. Deswegen suche ich ihn.« Lambus runzelte die Stirn. »Ach? Dann reist er mit einer eigenen Truppe umher?«

»Wie kommst du darauf?«

»Er war hier. In Begleitung eines Kindes.«

Rodario sprang beinahe über den Tisch vor Aufregung. »Wann, bester Lambus?«

»Vor einem halben Zyklus, kurz nach Herbstanfang.«

»Weiter, weiter!«, drängte der Schauspieler und goss ihm Wein nach. »Ich muss alles wissen. Wo er wohnt, was er macht...«

»Er besitzt kein Haus. Jedenfalls nicht in Mifurdania. Er kam mit einem Boot, einer Art Lastkahn.« Lambus überlegte. »Er hat Vorräte für den Winter gekauft, Butter und Schmalz, dazu säckeweise Getreide. Von mir wollte er die alten Formen, mit denen ich die Zahnräder fürs Curiosum gegossen habe.« Seine Züge wurden nachdenklicher. »Weil er viel Nahrung einkaufte, nahm ich an, dass es für Eure Theatertruppe wäre, die ihr Winterquartier auf einer der Inseln bezogen hatte, um in Ruhe ein neues Stück einzustudieren.« »Das verstehe ich nicht«, meinte Rodario. »Hat er wirklich eigene Schauspieler engagiert?« »Vielleicht wollte er mit Euch nichts mehr zu tun haben«, meinte Lambus. »Hattet Ihr Streit? Aber das kann ich mir bei Euch beiden nicht vorstellen.«

Rodario verspürte keine Lust, die ganze Geschichte vor dem Schmied auszubreiten. »Weißt du, auf welcher Insel er wohnt?«

Lambus zuckte bedauernd mit den Schultern. »Nein. Wenn Ihr ihn suchen möchtet, stellt Euch auf ein langes Unterfangen ein.

Seit der großen Flut entstehen und vergehen so viele Inseln, dass man bei jedem Sonnenaufgang etwas Neues auf dem umtriebigen Wasser entdecken kann.«

Rodario seufzte. Wenigstens wusste er jetzt, dass sein Freund lebte. Mehr aber auch nicht. »Hat er dir irgendetwas gesagt?«

»Nun, eigentlich nicht«, druckste der Schmied herum. »Das heißt, er wollte, dass ich ihn für vier Dutzend Umläufe begleite«, erzählte er schließlich. »Er bot mir einhundert Wey-Münzen, unter der Bedingung, dass ich Stillschweigen über meine Arbeit bewahre. Ich musste ablehnen. Ich habe zu viele Käufer in der Stadt, mit denen ich es mir nicht verscherzen kann.« Lambus schaute an Rodario und Tassia vorbei. »Kann es sein, dass man Euch sucht?«

Die beiden erstarrten und dachten das Gleiche. »Wie viele? Wie sehen sie aus?«, fragte Rodario, ohne sich umzudrehen. Er hatte nur einen schäbigen Dolch zu seiner Verteidigung dabei.

Lambus wiegte den Kopf. »Acht. Groß, breit gebaut, ich würde sagen, sie schleppen ordentliche Lasten, wenn es sein muss. Sie tragen einfache Kleider und stammen, der Art ihrer Hosen und Jacken nach zu urteilen, nicht aus Weyurn.«

»So viel zu deinem nicht vermissten Schatz, meine Liebste«, zischte Rodario Tassia an. » ›Er bemerkt nicht einmal, dass die Kette fehlt‹ «, äffte er sie in hoher Stimmlage nach.

»Wer sagt, dass ich die Schuld trage? Vielleicht sind es betrogene Ehemänner aus der Umgebung, die dein Taschenmesser knicken möchten«, gab sie nicht weniger gereizt zurück. »Schaut, ihr Weiber, ich bin der Ausdauerndste, ich bin der Unglaubliche«, imitierte sie ihn mit tiefem, prahlendem Tonfall. »Nein, Liebste. Noliks Vater hat uns seine Schläger auf den Hals gehetzt.«