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Umtaschen sprang zurück und flüchtete in sein Haus. »Wir sprechen uns noch!«, versprach er wütend und verschwand eilends, als Rodario fest auf den Boden stampfte.

Jemand bespritzte ihn mit Wasser, und er drehte sich um.

Eine Frauenhand reckte sich über den Rand des Steges und winkte. »Hilf mir raus, bevor die anderen beiden mich schnappen!«, rief Tassia, und er eilte an den Rand, um sie hinaufzuziehen. Nass bis auf die Knochen stand sie vor ihm und bemerkte, dass ihr Kleid vollständig durchsichtig wurde, wenn es mit viel Wasser in Berührung kam.

Die zwei Männer, die sie verfolgt hatten, wagten sich nicht näher heran, sondern schwammen auf die andere Seite des Kanals, wo drei weitere Schläger auftauchten.

»Was jetzt?«, fragte Tassia und strich sich das nasse blonde Haar nach hinten. In Rodarios Augen war sie die reine Verführung. »Sie werden sicher schon beim Curiosum gewesen sein.«

»Und weil sie die Kette dort nicht fanden, nehmen sie an, dass einer von uns sie dabei hat«, nickte er. »He! He, ihr Rinderhirne!«, rief er den Männern zu und täuschte vor, etwas in der Hand zu halten. »Ihr wollt die Kette? Daraus wird nichts! Sagt Noliks Vater, dass wir sie verkaufen werden. Er kann nach Mifurdania kommen und sie auslösen.« Einer der Schläger schickte sich an, über die vertäuten Boote zu ihnen zu springen, aber Rodario machte einen Schritt ans Ende des Steges. »Halt! Wenn einer von euch uns weiterfolgt, werden wir die Kette in einem der Kanäle versenken, und ihr könnt tauchen gehen«, drohte er. Auf den Wink ihres Anführers kehrte der Mann ans Land zurück. »Brav!«, lobte ihn der Mime, nahm Tassias Hand und lief los. »Bleibt, wo ihr seid«, mahnte er ein letztes Mal und rannte lachend um die Ecke.

Als sie unter einem Dach aus gespannten Wäscheleinen mit aufgehängten Kleidern entlangliefen, blieb Tassia stehen. »Warte! Mach eine Räuberleiter.« Rodario tat, was sie verlangte.

Sie stieg mit einem Fuß auf die gefalteten Hände, den anderen stemmte sie gegen seine Schulter. So sicher, als stünde sie auf festem Boden, fischte sie sich ein dunkelgelbes Kleid von der Leine und sprang wieder hinab. Ohne sich um die Umgebung oder sogar ihn zu kümmern, schlüpfte sie aus ihrer nassen Kleidung und bedeckte die Blöße mit ihrer Beute; danach gab sie Rodario einen leidenschaftlichen Kuss, lachte und rannte weiter. »Dieser Wildfang wird entweder mein Ende oder die Krönung meines Lebens«, grinste er und hetzte ihr hinterher.

Am späten Nachmittag gelangten sie auf Umwegen zu der Schmiede von Lambus. Rodario wollte sich bei dem Mann bedanken und noch ein paar weitere Einzelheiten zu Furgas' Aufenthaltsort erfahren. Das Tor ins Innere der Schmiede stand offen. Ein Feuer brannte in der Esse, zwei rechteckige Eisenrohlinge glühten in den Flammen und warteten darauf, bearbeitet zu werden. Den Schmied sahen sie nicht. »Lambus, alter Eisenklöppler«, rief Rodario. »Bist du hier?« Er trat in das Halbdunkel. Noch bevor sich seine Augen an das schwache Licht gewöhnt hatten, stolperte er über ein Hindernis am Boden. »Was, bei...« Er bückte sich und sah, dass er beinahe über die ausgestreckten Beine eines jungen Mannes gefallen wäre, in dessen rechter Seite ein großes Loch klaffte. Blut hatte sich auf dem Boden ausgebreitet. »Gibt Acht, Tassia!«, warnte er die Frau, die zu ihm aufschloss. »Hier ist ein Mord geschehen.«

»Vielleicht die Schläger von Noliks Vater?« Sie sah über seine Schulter und erbleichte. Würgend ging sie rückwärts, wandte sich um und rannte zum Ausgang, um frische Luft zu schöpfen.

Rodario betrachtete die klaffenden Schnitte, die das Werk einer sehr scharfen Axt waren. »Glaube ich nicht. Sie hatten nichts dabei, was eine solche Wunde...« Rodario stand auf und betrachtete die Eisen im Feuer. Und wirklich mochte eines davon ein Axtkopf gewesen sein. »Lambus?«, rief er nochmals, nahm einen Schürhaken als Waffe und tastete sich tiefer in das Zwielicht hinein.

Da sprang ihn eine Gestalt aus dem Schatten heraus an.

Geistesgegenwärtig drehte sich Rodario zur Seite, und der Dolch verfehlte seinen Hals knapp. »Du Meuchler!«, rief er, drosch mit dem Schürhaken zu und traf den dunkel gekleideten Angreifer quer ins Gesicht, der daraufhin ächzend zusammenbrach. Das Messer fiel klirrend auf den Boden. Sicherheitshalber verpasste er ihm noch einen Hieb, danach packte er ihn und zerrte ihn in den helleren Teil der Scheune. »Schauen wir mal, wer du bist.« Er blickte in ein dreckiges, von leichten Brandflecken geziertes Gesicht. Der Mann war sicherlich fünfzig Zyklen alt und wirkte mehr wie ein einfacher Arbeiter denn wie ein berufsmäßiger Mörder. Der Schürhaken hatte ihm die Nase gebrochen und zwei Zähne ausgeschlagen, Blut rann aus den Nasenlöchern und dem Mund. Benommen versuchte er, sich loszureißen, was ihm aber nicht gelang.

»Tassia, bring mir ein glühendes Eisen!«, bat Rodario sie. »Wir werden damit seine Zunge lockern.« »Nein, lasst mich gehen«, bat er sie undeutlich und voller Angst. »Er bringt sie um, wenn ich nicht rechzeitig zurückkehre.«

»Hast du den Mann getötet?« Rodario nahm das glühend heiße Stück Metall und hielt es vor die weit aufgerissenen Augen des Mannes. »Wer schickt dich, und wo ist Lambus?«

Der Mann zappelte wie ein Fisch. »Ich war es nicht! Ilgar hat es getan, weil der Junge sich geweigert hat mitzukommen und uns alle verraten wollte.«

Mit jeder Antwort türmten sich gleich die nächsten Rätsel. »Erzähle in einem Guss, alter Mann, oder - das schwöre ich dir bei Samusin - das Eisen hier brennt dir die Augen trocken«, schüchterte Rodario den Gefangenen weiter ein und setzte seine berüchtigte Miene auf, mit der er vorzugsweise finstere Gesellen spielte. Dabei dachte er nicht im Traum daran, dem Alten noch mehr Schaden zuzufügen.

»Seid Ihr ein Freund vom Schmied?«, fragte der Mann, dessen Benommenheit wich. »Dann bitte ich Euch, Herr, bei der Gnade von Palandielclass="underline" Berichtet niemandem von dem, was Ihr gesehen habt. Sagt, Lambus sei auf Wanderschaft, und lasst die Leiche des Jungen verschwinden. Nur so wird Euer Freund wieder zurückkehren dürfen.«

»Ist Furgas ebenfalls in der Gewalt von dem, der Lambus mitgenommen hat?«, fragte Rodario ihn aus einer Eingebung heraus. »Er ist ungefähr so groß wie ich, hatte schwarze Haare und...«

Das Gesicht des Mannes veränderte sich, er wirkte verblüfft. »Ihr kennt den Magister?«

»Er ist mein bester Freund.«

Der Mann spie ihm ins Gesicht. »Die Dämonen sollen Euch...«

Rodario hörte ein leises Schwirren, wie er es aus seinen Abenteuern außerhalb der Bühne kennen gelernt hatte; ein leichter Ruck ging durch den Leib seines Gefangenen, und er erschlaffte im Griff des Mimen. Ein Pfeilschaft ragte aus seinem Rücken, die Spitze hatte augenblicklich den Tod gebracht.

»Runter, Tassia! Geh in Deckung!«, rief Rodario, hechtete zur Seite hinter einen Stapel Kohle und wischte sich den blutigen Speichel des Mannes aus dem Gesicht. Er hatte schon manches Mal in seinem Leben Dinge nicht begriffen, aber in diesem Augenblick erlebte er den Höhepunkt von Verständnislosigkeit.

Leise Schritte näherten sich. Rodario vernahm das Knirschen einer Lederrüstung, Eisenringe schlugen aneinander, und ein Schwert wurde gezogen. Als ein Stiefel neben ihm erschien, hielt er die Zange über den Rand und ließ das heiße Eisen in den Schaft gleiten.

Es zischte laut, der Mann schrie gellend auf und rannte aus der Scheune, eine Qualmwolke hinter sich herziehend. Gleich darauf platschte es. Der Fremde war ins Wasser gesprungen, um seinem geschundenen Bein Kühlung zu verschaffen.

»Ha!« Rodario lief hinaus, nahm einen leichteren Schmiedehammer und folgte ihm. Doch der Mann war verschwunden, lediglich die Wellen auf dem Wasser verrieten, dass jemand eingetaucht war. Tassia kam an seine Seite. »Er ist abgesoffen?«, wunderte sie sich. »Er hat in seinem Schmerz wohl vergessen, dass er nicht schwimmen kann.«

Aus den Augenwinkeln bemerkte Rodario ein Boot, das sich bereits einige Mastlängen von Mifurdania entfernt hatte. Es war ein plumper Frachtkahn, beladen bis zur obersten Bordkante, und er lag derart tief im Wasser, dass ein sanfter Wellenschlag ausge reicht hätte, um ihn vollaufen zu lassen. Das breite Segel schob den Kiel voran, er fuhr nach Norden. Am Heck stand eine brünette Frau in einem schlichten, dunklen Miederkleid, die durch ein langes Rohr zu ihnen schaute, Glas blitzte im Schein der Sonne auf. Dann legte sie das Rohr hinter sich.