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Der Zwerg trug schwarze Kleidung und eine dunkelbraune Lederrüstung sowie schwere Stiefel. Die Form seines Bartes war exzentrisch, rund um Mund und Kinn standen die blonden Haare, die ansonsten abrasiert waren. Lange, hellblonde Bartzöpfe wurden durch den Wind nach hinten gedrückt; auf dem Schopf saß ein schwarzes Kopftuch.

Tungdil erkannte ihn sofort. »Bramdal Meisterklinge!«

Der wesentlich ältere Zwerg wandte ihm das Gesicht zu. »Ich kenne dich«, sagte er laut, um das Klappern der Hufe zu übertönen. »Bergensstadt, nicht wahr? Du wurdest für mich gehalten.« Er riss die Zügel nach hinten und verlangsamte die Geschwindigkeit des Tieres. »Und du wolltest zu den Freien. Nach allem, was ich hörte, ist es dir gelungen.« Sie ritten im Trab nebeneinander her. »Wer hätte gedacht, dass aus dir ein Held wird?« Er lächelte und reichte ihm von oben herab die breite Hand. »Es freut mich, dich wieder zu sehen, Tungdil.« Zwiespältige Gefühle befielen Tungdil. Bramdal verdankte er es, dass er den Weg zu den Freien und in die Stadt Goldhort gefunden hatte. Er hatte ihm den Hinweis auf den Tümpel und den verborgenen Eingang gegeben. Gleichzeitig hielt Tungdil nach wie vor nichts von dem Handwerk, das Bramdal ausübte.

»Bramdal? Ist das der Henker? Der die Leichenteile an die Langen verkauft?«, fragte Ingrimmsch. Er reckte sich im Sattel. »Das ist widerlich. Und schönen Dank, dass ich wegen dir in den brackigen Teich springen musste.« »Das muss Boindil Zweiklinge sein«, grinste Bramdal. »Zwei Helden auf ihrer Reise zum nächsten Abenteuer?« »Und du wieder auf dem Weg zu einer nächsten Hinrichtung?«, erwiderte Tungdil. Er wollte ihm keine Auskünfte erteilen.

»Ich reite nach Porista. König Bruron bezahlt gut für meine Dienste: Ich bilde seine Scharfrichter aus.« Er zuckte bedauernd mit den Schultern. »Verzeiht mir, dass ich nicht anhalte und wir in einem Gasthaus plaudern, aber es ist dringend.«

»Das bedeutet, dass du dir selbst die Arbeit nimmst«, grinste Ingrimmsch.

»Ja. Aber es macht nichts. Ich suche mir eine andere Betätigung.« Bramdal schien seine Auffassung von Vraccas' Auftrag, die Menschen vor dem Bösen zu schützen, geändert zu haben. In Bergensstadt hatte er Tungdil erklärt, dass er im Sinne des Zwergenschöpfers handle, wenn er die verurteilten Verbrecher der Menschen hinrichtete. Er hatte sie als das Böse betrachtet, so wie andere Zwerge die Orks für das Böse hielten. »Eine andere Betätigung in Goldhort?« Tungdil erinnerte sich an die Stadt der Freien, die in einer meilengroßen und hohen Höhle lag. Er hörte die gewaltigen Wasserfälle rauschen, er sah die Gärten, die Festung, in welcher König Gemmil lebte, er sah die betenden Zwergenpriester und hörte ihre Lieder in sich nachhallen. Es war eine schöne Zeit gewesen, die er dort verbracht hatte.

»Handel«, sagte Bramdal. »Wenn jemand weiß, wie vollendete Henkerwerkzeuge hergestellt werden und was sie taugen müssen, bin ich es. Warum sollte ich mein Wissen nicht nutzen? Die Königreiche haben immer Bedarf, und wir haben die notwendigen Handwerker.«

»Hat sich in Goldhort etwas verändert?«, wollte Tungdil ein wenig wehmütig wissen.

»Wie lange warst du nicht mehr dort?«

»Einige Zyklen, schätze ich.« Das war gelogen. Tungdil wusste genau, wann er Gemmil das letzte Mal besucht hatte. Fünf Zyklen war es her.

»Oh, du würdest einiges nicht mehr wieder erkennen. Die Stadt ist umgestaltet worden. Wir haben die Gärten abgerissen und stattdessen Werkstätten errichten müssen. Und die Höhle ist um eine Meile vergrößert worden, damit der Platz für alle ausreicht.«

»So viele Geburten?«

»Nicht nur. Die fünf Städte der Freien haben Zulauf bekommen. Der Handel mit den Zwergenreichen hat für enorme Neugier innerhalb der Stämme gesorgt. Nicht nur Ausgestoßene wollen bei uns leben; es kommen etliche, die sich von den Zwängen der Clans und Familien lösen wollen.« Bramdal verscheuchte eine Biene, die ihn umschwirrte und versuchte, in sein Lederwams zu kriechen. »Die Vorzüge unserer Gemeinschaft liegen auf der Hand.«

»Von wegen Vorzüge«, brummte Ingrimmsch. »Ein Zwerg braucht Beständigkeit.« Mehr sagte er nicht. »Jede möge glücklich sein, die einen in den Bergen, die anderen unter der Erde. Bei uns lässt es sich sehr gut leben. Der Wohlstand ist durch den Handel gestiegen.« Bramdal schaute zu einer Wegkreuzung. »Da vorn werden sich unsere Wege trennen, nehme ich an. Du weißt, dass Gemmil gestorben ist?«

»Nein.« Der Tod des Königs traf Tungdil tatsächlich, und auch Boindil machte ein bedauerndes Gesicht. »Wie?« »Ermordet. Wir vermuten, dass es ein Dritter gewesen ist. Wir haben einen Zwerg gefasst, der sich mit blutigen Kleidern aus Goldhort stehlen wollte. Er kämpfte verbissen gegen Wächter und tötete sieben von ihnen, ehe sie ihn niederschössen. Wir wissen bis heute nicht, weswegen er es tat.«

»Unfriede« mutmaßte Tungdil. »Wenn er zu den Zwergenhassern gehört hat, wollte er nichts weiter als Unfriede stiften. Ich finde es sehr bedauerlich, dass der König, der mich und meine Freunde damals herzlich willkommen geheißen hatte, so ums Leben kam. Wer ist sein Nachfolger?«

»Gordislan Hammerfaust.«

»Hammerfaust?« Ingrimmsch horchte auf. »Hat er sich diesen Namen selbst gegeben, oder ist er ein ausgestoßener Stammeszwerg?«

»Denkst du, es ist ein Verwandter von Bavragor Hammerfaust?« Tungdil sah den einst besten Steinmetz der Zweiten vor sich, ein Kraftklotz mit riesigen, schwieligen Händen und einer Augenklappe. Der »singende Säufer« war er genannt worden. Seine Tapferkeit hatte er in unzähligen Kämpfen bewiesen, die er an Tungdils Seite gefochten hatte. Er hatte sich für die Gruppe bei der Abwehr der Orks an der Esse Drachenbrodem geopfert. Ohne ihn wären sie niemals mit der Axt Feuerklinge entkommen.

Bramdal schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Sollte der Clan der Hammerfäuste für dunkelbraune Augen mit starkem Rotstich bekannt sein, könnte es möglich sein. Auf jeden Fall verträgt er eine gute Ration Branntwein, wenn es ans Feiern geht.«

Ingrimmsch grinste. »Kein Zweifel. Es ist ein Verwandter von Bavragor.« Er wurde ernst. »Was könnte ihn bewogen haben, seinen Clan zu verlassen? Ich habe nichts davon gehört.«

»Er lebt schon länger bei uns in Goldhort.« Bramdal und die beiden Zwerge hatten die Kreuzung erreicht, die Zeit des Abschieds nach dem nur kurzen Wiedersehen war gekommen. »Ich wünsche euch beiden eine gute Reise und viel Glück bei dem, was ihr vorhabt«, sagte der Henker und dirigierte sein Pferd auf den Weg nach Porista. Er hob die Hand und ließ das Tier angaloppieren. Die Staubwolke verschluckte ihn schon nach wenigen Schritten.

»Einen seltsamen Sattel hatte er«, wunderte sich Tungdil und ärgerte sich, dass ihm keine Zeit geblieben war, den Henker danach zu fragen.

»Ich bin froh, dass er einen anderen Weg genommen hat«, sagte Ingrimmsch erleichtert. »Am Ende hätte er uns noch etwas aus den Ledertaschen verkaufen wollen. Ich kann auf den getrockneten Finger eines Diebes oder das eingelegte Auge eines Ehebrechers gern verzichten.« Er spie aus. »Es ist widerlich, was er tut.«

Tungdil antwortete ihm nicht. Die knappen Worte Bramdals hatten die Erinnerung an eine unbeschwerte Zeit in seinem Leben heraufbeschworen. »Goldhort«, murmelte er. »Ich sollte es wirklich noch einmal besuchen.« »Besser nicht«, empfahl ihm Ingrimmsch vieldeutig.

Endlich erreichten sie das grünende und blühende Umland des Stollens, in dem einst Lot-Ionan gelebt hatte, einer der mächtigen Magi des Geborgenen Landes.

Tungdil freute sich auf die Rückkehr, auch wenn er nicht sehr lange fort gewesen war. Er hatte Balyndis viel zu berichten. Wenn sie ihn deutlich schlanker als vor seinem Aufbruch ins Graue Gebirge sah, würde sie erkennen, dass er sich verändert hatte.