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»Ah, sicher. Ich kenne sie«, unterbrach sie ihn. Die beiden ausgesandten Orks kehrten zurück und gaben Entwarnung. Niemand war ihm gefolgt. »Wir nennen sie anders. Es ist ungewöhnlich, dass einer unserer Brüder«, sie betonte das Wort merkwürdig amüsiert, »den Weg beschreitet und nach Fön Gala kommt.« »Wohin?«, fragte Gronsha nach.

»Hierher.«

»Ah, das Jenseitige Land«, sagte er. »So heißt es bei uns.«

»Willkommen.« Sie bleckte die Zähne und zeigte ihm ihre Hauer, die kraftvoll und ebenmäßig waren. Gronsha mochte sie. Er wollte sie. Wenn er die Festung erobert hatte, würde er sie zu seiner Frau nehmen und viele Kinder mit ihr zeugen. Sie hatte bestimmt noch keinen Mann wie ihn gehabt. Er würde sie zureiten und ihr das Benehmen beibringen, wie es sich für ein Weib gehörte.

»Du darfst mich begleiten, Gronsha. Ich bringe dich zu unserem Fürsten. Es wird ihn freuen, von Toboribor zu hören.« Endlich nahm sie die Lanze von seiner Kehle und deutete auf den beleuchteten Ausgang des Stollens. »Nach dir. Bruder.« Wieder lachten die Orks.

Sie gelangten in eine große Höhle, die teils natürlichen, teils künstlichen Ursprungs war. Einhundert Schritte in der Breite und zweihundert in der Länge, so hoch wie der höchste Turm am Steinernen Torweg. In der Mitte floss ein kleiner Bach, an dem entlang rechts und links des Ufers schwarze, fünfeckige Zelte aufgeschlagen waren. Verschiedene Gerüche lagen in der Luft: Essen wurde gebrutzelt, irgendwo wurde gebraut, Kohlefeuer brannten in eisernen Halterungen und brachten sie zum Glühen.

Es wunderte Gronsha, weshalb der ansonsten unvergleichliche Duft seines Volkes fehlte, das würzige Aroma von Größe, Stärke und Überlegenheit, zu dem die Rotbluter »Gestank« sagten. Lange konnten die Brüder und Schwestern aus dem Jenseitigen Land hier noch nicht lagern. Er vermochte sich ein Grinsen nicht zu verkneifen. Wenn er die Zahl der Orks überschlug, die hier versammelt waren, kam er auf mindestens zweitausend. Mindestens. Mit dieser Anzahl würde er die Unterirdischen vernichten.

Seine Begleiterin deutete auf das größte der schwarzen Zelte. »Da hinein.«

Gemeinsam gingen sie über den Lagerplatz, verfolgt von den neugierigen Augen zahlreicher Orks. Gronsha gab sich Mühe, eindrucksvoll zu wirken. Er spreizte die Arme leicht vom Körper ab und bewegte sich kraftvoll, fletschte die Zähne und rollte mit den Augen.

»Ich bringe dem Fürsten einen Phottör«, rief die Orkfrau gut gelaunt. »Er kommt aus einem Orkreich aus einem fernen Land.« Die Umstehenden steckten die Köpfe zusammen und tuschelten, dabei sahen sie immer wieder bewundernd zu dem Fremden. Jedenfalls deutete er die Blicke so.

»Was ist ein Phottör?«, wollte er wissen, ohne sein Gehabe aufzugeben. Zwei Weibchen warfen ihm lüsterne Blicke zu, und er schnaubte so tief, wie er es vermochte, um sie noch mehr zu beeindrucken. »So nennen wir welche wie dich. In unserer Sprache ist es eine Auszeichnung.«

Gronsha hob das breite Kinn. Auszeichnungen standen ihm gut.

Als sie vor dem Eingang zum Stehen kamen, packte die Orkfrau ihn am Arm. »Sei höflich, Gronsha. Es kann sein, dass sich unsere Umgangsformen von den euren unterscheiden.« Dann gab sie ihm einen Stoß, der ihn nach drinnen beförderte, und folgte ihm.

Er fand sich in einem von unzähligen Leuchtern erhellten Zelt wieder. Vier Schritte vor ihm lag ein stattlicher Ork gemütlich auf bunt gemusterten Teppichen und aß. Er trug einen Mantel aus schwarzer Seide um sich geschlungen, wie ihn ein verweichlichter Rotbluter auch tragen würde. An den Ständern aus Holz hinter ihm hing seine Waffensammlung, die ausgereicht hätte, ein kleines Heer auszustatten. Goldschmuck blinkte an dreien seiner Finger auf.

Der Fürst war sicherlich der größte Ork, den Gronsha jemals zu Gesicht bekommen hatte. Seine eigene Statur wirkte im Vergleich dazu wie die eines Heranwachsenden. Das breite Gesicht mit der hohen, fliehenden Stirn zierte ein dünner Bart unter der Nase; die schwarzen Haare waren zu einem Zopf geflochten. Neugierig geworden, hielt er mit dem Essen inne. »Kamdra, meine Liebe. Was bringst du da?«

»Erlauchter Fürst Flagur«, sagte sie und verbeugte sich vor dem Anführer, woraufhin Gronsha es ihr hastig nachtat. »Ich bringe Euch ein Geschenk, Erlaucht. Es kam den Gang entlang, den wir für tot hielten.« Sie schob ihn nach vorn. »Es heißt Gronsha und ist schwer zu verstehen. Ein Degenerierter, Erlaucht. Aber er hat etwas von einem Orkreich berichtet.«

Flagur setzte sich auf und legte eine Hand auf das Knie, während die andere dem Gast bedeutete näher zu kommen. »Fein. Gronsha«, wiederholte er nachdenklich und ließ den Namen klingen. »Ja, das passt zu ihnen.« Der Blick seiner rosafarbenen Augen war wesentlich strenger und härter als der des Weibchens. Inzwischen hatte sich Gronsha von seiner ersten Verwunderung erholt, auch wenn ihm der Geruch von widerlich lieblichen Duftessenzen, die zwischen den Zeltwänden umherwaberten, schwer zu schaffen machte. Parfüm, Sauberkeit, eine seltsame Sprache. Diese Orks benahmen sich keinesfalls gewöhnlich, und schon gar nicht ihm gegenüber. Sein Stolz regte sich, er richtete sich auf. »Ich bin kein Ding. Und schon gar nicht deg... delg...« »Degeneriert?«, half ihm Flagur zuvorkommend.

Gronsha machte einen Schritt vorwärts, sein Stolz braute Wut und ließ sie in ihm aufkochen. »Fürst Flagur, gib mir deinen...« Ein brennender Schmerz biss in seinen Nacken. Fauchend fuhr er herum und sah Kamdra. An ihrer Speerspitze haftete sein Blut. »Du...«

»Nein, du wirst den Fürsten mit Euch und Erlaucht ansprechen, wie es sich gehört.« Sie hielt die Waffe stoßbereit. »Ich lehre dich unsere Sitten, Phottör.«

Er knurrte sie an, gab sich demütig. Nun würde er sie ganz sicher zum Weib nehmen, ihren Willen brechen und sie zu seiner Sklavin machen. Er wandte sich dem wartenden Flagur zu. »Gebt mir Euren Beistand!«, wiederholte er. »Wir müssen die Festung der Unterirdischen angreifen...«

»Er meint die Ubariu, Erlaucht«, übersetzte Kamdra.

»Unsere?«

»Nein, deren Ubariu, Erlaucht.« Die Orkfrau klang äußerst belustigt. »Anscheinend gibt es sie auch im Land jenseits der Berge. Sie haben mit den Phottör aber wohl nichts zu tun.«

Flagur nickte und wirkte unvermittelt gut gelaunt. »Das werden wir bald näher erkunden.« Er nickte Gronsha zu. »Und du, berichte mir von deinem Orkreich.«

Und Gronsha berichtete. Er erzählte von Toboribor, den Höhlen, vom Heer seines Fürsten Ushnotz, dem leicht zu erobernden Bollwerk der Unterirdischen am Steinernen Torweg und von den angeschlagenen Heeren der Menschen und Elben.

Er ließ sich Papier und Kohle bringen, mit dem er eine grobe Karte umriss. Tinte und Feder ließ er, wo sie waren. Seine ungeübten Hände würden den Kiel nur zerbrechen und schwarze Flecken hinterlassen. »Das Geborgene Land ist leichte Beute, Fürst Flagur«, lockte er. »Ich kenne mich dort bestens aus. Gebt mir Eure stärksten Krieger, und ich erobere die Festung der Unterirdischen.« Wieder erhielt er einen Stich in den Nacken, und Gronsha schrie ein »Erlaucht« hinterher. Oh, wie er Kamdras Widerstand brechen würde. »Um die Festung deinem Fürsten zu schenken?«, lachte ihn Flagur aus. »Gewiss nicht.«

Gronsha beugte sich vor; sein Blut sickerte unter die Rüstung und den Rücken hinab. »Nein. Ich dachte, dass Ihr der neue Fürst aller Orks werden könntet. Bedenkt: Mehr als zusätzliche fünftausend Krieger, die Euch zur Verfügung stünden. Erlaucht.«